Es könnte alles so schön sein. Verwinkelte Gässchen, ein schmuckes Rathaus und eine wunderbar erhaltene Stadtmauer. Doch in solch einem Idyll zu wohnen, hat auch seine Schattenseiten. Davon weiß Werner Waimann ein Lied zu singen. Der 65-Jährige möchte auf seinem Haus direkt an der Stadtmauer in Wemding im Landkreis Donau-Ries eine Fotovoltaikanlage installieren. Das jedoch hat zu einem regelrechten Kleinkrieg mit dem Denkmalschutz geführt. Dabei sollte es durch eine Gesetzesänderung im vergangenen Jahr in Bayern deutlich einfacher werden, im Bereich von Baudenkmälern Solarmodule zu montieren.
Als Waimann sein Haus vor 30 Jahren baute, war die Situation noch eine andere. Kaum jemand dachte an die Notwendigkeit einer "Energiewende", Strom aus Wind und Sonne stand nicht im Fokus des politischen Handelns. "Ich habe damals eher überlegt, ob ich eine Satellitenschüssel auf das Dach bekomme", sagt Waimann, der für die Grünen im Wemdinger Stadtrat sitzt. Um Parteipolitik geht es in seinem Fall aber gar nicht. Das zeigt allein schon, dass der Bauausschuss der Stadt sein Vorhaben einstimmig genehmigte. Vielmehr hat er Ärger mit der Unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises.
"Ich brauche eine Fotovoltaikanlage, meine Heizung ist so alt wie das Haus und bald nicht mehr funktionsfähig"
Waimann öffnet an diesem Tag freundlich lächelnd die Tür seines Hauses, beige ist es, und in einer der engen Kopfsteinpflastergassen Wemdings. Am Küchentisch kommt er bei einem Glas Wasser dann schnell zur Sache. Für das Treffen hat er mehrere DIN-A4-Seiten vorbereitet, in denen er seine Sicht der Dinge aufgeschrieben hat. Die Angelegenheit treibt ihn um, da gibt es überhaupt keinen Zweifel. Bereits vor einem Jahr also stellte Waimann einen Antrag für Solarmodule auf seinem Dach, und zwar für schwarze. Die Farbe spielt eine entscheidende Rolle, dazu gleich mehr. Zunächst erklärt er: "Ich brauche eine Fotovoltaikanlage, meine Heizung ist so alt wie das Haus und bald nicht mehr funktionsfähig." Damals trat auch eine Gesetzesänderung in Kraft, die den Bau von Fotovoltaikanlagen im denkmalgeschützten Bereich deutlich erleichtern soll. Es heißt im Gesetz, dass die Erlaubnis zum Bau einer sogenannten PV-Anlage nur dann versagt werden kann, wenn überwiegende Gründe des Denkmalschutzes dem entgegenstehen. Eine kategorische Absage an Solarmodule in Altstädten klingt anders. Doch Werner Waimann wartet bisher vergeblich auf eine Zusage. Dabei mangelt es nicht an Kommunikation.
Über ein Dutzend Mails wurden schon hin- und hergeschickt. Es klingt wie eine Posse, erst recht, wenn man Einzelheiten kennt: Das Denkmalschutzamt besteht laut Waimann nämlich auf roten Solarmodulen, die auf seinem roten Ziegeldach montiert werden sollen. Das ist aus Waimanns Sicht allerdings aus mehreren Gründen nicht sinnvoll. Die Kosten seien wesentlich höher als bei den schwarzen Solarpanels, sagt er. Außerdem liege die Leistung der roten Solarmodule deutlich unter denen der schwarzen. "Bis ich dieses Geld heraushabe, das würde Jahrzehnte dauern", ist der Wemdinger überzeugt. Nach Fördergeldern habe er gefragt, erzählt er weiter, die könne ihm die Behörde aber nicht zusichern. So sieht er das – und die gesamte Vorgabe, die Anbringung roter Solarmodule, als Fehler. Milde ausgedrückt. "Wenn die Sonne da drauf scheint, dann verfärben die sich ohnehin schwarz."
Die Denkmalschutzbehörde möchte sich auf Anfrage unserer Redaktion nicht zum konkreten Fall äußern, aus "Datenschutzgründen". Allgemein gelte, dass sich Module je nach Einsichtigkeit auch farblich in die historische Dachlandschaft einfügen müssten. Dass Waimanns Dach rot ist, steht dem offensichtlich entgegen. Dazu passt wiederum nicht, dass nur wenige Häuser entfernt Anwohner eine schwarze Solaranlage auf rotem Ziegeldach haben. Warum Waimann eine schwarze nicht genehmigt wird? Es bleibt offen. "Wütend bin ich zwar nicht, aber enttäuscht darüber, dass einem so viele Steine in den Weg gelegt werden", sagt er.
So schwierig kann es sein, eine Genehmigung zu erhalten
Waimann ist mit seinem Problem nicht allein. Der Verband Haus und Grund spricht von einem "Riesenthema", das Eigentümer in entsprechenden Lagen massiv beschäftige. Auch Bernhard Bauer zum Beispiel hat damit zu kämpfen. Der 52-Jährige wohnt im Altstadtensemble Friedbergs bei Augsburg, sein Haus, erbaut Anfang des 20. Jahrhunderts, ist selbst aber nicht denkmalgeschützt. Gerne würde er eine PV-Anlage auf seinem Dach installieren lassen. Doch auch in Friedberg besteht man ihm zufolge auf roten Solarpaneelen. Die seien teurer, er wolle die preisliche Differenz erstattet bekommen – man könne ihm derzeit jedoch keine Förderung zusagen. Und so ist der Friedberger Bernhard Bauer ebenfalls sauer. "In anderen Kommunen wäre die Genehmigung vielleicht kein Problem", meint er. Bleibt die Frage: Bremst der Denkmalschutz die Energiewende aus?
"Ich höre das in letzter Zeit häufig", sagt Sabine Weigand, die für die Grünen im Landtag das Thema Denkmalpflege betreut, über die Schilderungen Bauers und Waimanns. Durch die Neufassung des Denkmalschutzgesetzes seien Fotovoltaikanlagen in denkmalgeschützten Bebauungen jetzt grundsätzlich genehmigungsfähig und dadurch im sichtbaren Bereich überhaupt erst möglich. Die Gesetzesänderung sei ein "Paradigmenwechsel" gewesen. "Das Problem ist aber, dass es keine konkreten Richtlinien für die Denkmalschutzbehörden gibt, an denen sie sich orientieren können", sagt die Politikerin. "Jedes Denkmal ist ein Unikat, deshalb gilt im Denkmalschutz notwendigerweise die Einzelfallbetrachtung." Heißt: Alles sei Ermessenssache. Und das sorge für Verunsicherung bei den Behörden. Weigand erklärt nun, dass sich die Beweislast umgedreht habe. Waren es zuvor die Eigentümer, die die Genehmigungsfähigkeit einer Fotovoltaikanlage beweisen mussten, stünden heute die Behörden in der Begründungspflicht. "Die Unteren Denkmalschutzbehörden trauen sich aber oft nicht zu entscheiden. Einfach aus der Sorge heraus, Präzedenzfälle zu schaffen." Die lange Bearbeitungsdauer der Anträge hänge häufig auch mit "Altfällen" zusammen, die mit Aussicht auf die Gesetzesänderung nicht bearbeitet worden seien. Dazu komme die personelle Unterbesetzung in den Ämtern.
Für Minister Markus Blume steht "ein wirksamer Schutz unseres Kulturgutes an erster Stelle"
Das Landesamt für Denkmalpflege teilt auf Anfrage mit, dass zeitliche Verzögerungen bei der Genehmigung vor allem dann auftreten, wenn Antragsunterlagen nicht vollständig seien. In anderen Fällen könne der Genehmigungsprozess deshalb Zeit in Anspruch nehmen, "weil man im Dialog mit Eigentümerinnen und Eigentümern eine gute Lösung finden will". Generell sei es nicht die Frage, "ob", sondern "wie" ein Eigentümer oder eine Eigentümerin eine PV-Anlage installieren dürfe. "Solaranlagen sollen dabei das überlieferte Erscheinungsbild des Baudenkmals oder Ensembles nicht dominieren", führt die Behörde aus. Die Schwierigkeiten bestünden in der Abwägung der Schutzgüter Denkmalschutz und Klimaschutz sowie der Beratung zu einer denkmalfachlich verträglichen Lösung, welche dem Klimaschutz Rechnung trägt.
Der für den Denkmalschutz verantwortliche Staatsminister für Wissenschaft und Kultur, Markus Blume von der CSU, betont, dass im Denkmalschutz mit Umsicht vorgegangen werden müsse. "Hier steht ein wirksamer Schutz unseres Kulturgutes an erster Stelle." Man wolle Bürokratie abbauen, aber mit Maß und Ziel. "Unsere Erfahrung zeigt: Der Dialog zwischen den Denkmalbehörden und den Bürgerinnen und Bürgern läuft gut. Entscheidungen können nah an den Bürgerinnen und Bürger getroffen werden." Eine Sprecherin seines Ministeriums ergänzt, dass die Mehrkosten für denkmalverträgliche Anpassungen von Anlagen erneuerbarer Energien förderfähig sind. Alles gut also im Prinzip?
"Der Knackpunkt sind die Gestaltungssatzungen der Kommunen", findet Grünen-Politikerin Weigand. Diese müssten der neuen Rechtslage gemäß verändert werden. So wie im oberbayerischen Wasserburg am Inn. Dort wurde eine derart überarbeitete Satzung bereits kurz nach der Gesetzesänderung eingeführt. Sie schafft Planungssicherheit und Transparenz. "Dadurch ist eine richtige Dynamik in das Thema Fotovoltaikanlagen im Denkmalschutzgebiet gekommen", sagt Wasserburgs Stadtbaumeisterin Mechthild Herrmann.
Der Hauseigentümer könnte nun sogar vor Gericht ziehen
Was sich konkret geändert hat, ist bei einem Blick auf den in der Satzung abgebildeten Stadtplan sofort ersichtlich. Der stellt die Altstadt in vier Farben dar, die jeweils für verschiedene Kategorien stehen. Je nach Kategorie gelten konkrete Regelungen für den Bau von Fotovoltaikanlagen, die Regelungen sind an die jeweiligen Dachtypen, also Metalldach oder Ziegeldach, angepasst. Während in Kategorie eins, beispielsweise auf einem Kirchendach, Solarmodule generell ausgeschlossen sind, können in Kategorie vier Fotovoltaikanlagen ohne Auflagen errichtet werden. Bei den anderen beiden Kategorien sind Solarmodule unter bestimmten Umständen erlaubt. Stadtbaumeisterin Herrmann spricht von bislang 20 bis 25 genehmigten Anträgen, lediglich einer sei leicht angepasst worden.
Wie das Landesamt für Denkmalpflege erklärt, haben sich bayernweit 30 Städte für eine solche Rahmenplanung entschieden. In Schwaben sind einige Kommunen gerade dabei, eine derartige Ordnung zu prüfen. Das Landesamt berät zum Beispiel die Stadt Augsburg hierzu. Auch Wemding hat erste Schritte eingeleitet und lässt Angebote für die Anfertigung einer Rahmenplanung prüfen. Werner Waimann, den der Kampf um schwarze statt rote Solarmodule umtreibt, möchte so lange nicht warten. Nachdem am vergangenen Freitag ein von ihm selbst gesetztes Ultimatum an die Untere Denkmalschutzbehörde nicht eingehalten wurde, hat er eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die zuständige Mitarbeiterin eingereicht. Ob er vor Gericht ziehen würde? Schließlich räumt das Bundes-Gebäudeenergiegesetz nachhaltiger Energieerzeugung einen Vorrang gegenüber anderen Belangen ein. Auf dieser Grundlage entschieden in den vergangenen Monaten Gerichte in anderen Bundesländern zugunsten der Kläger und damit gegen den Denkmalschutz. Waimann zeigt sich entschlossen: "Wenn es nicht anders geht", sagt er an seinem Küchentisch, "würde ich auch klagen."