Das Problem waren die Bilder: CDU-Chefin Angela Merkel auf der Bühne des Münchner CSU-Parteitags, die Arme vor der Brust verschränkt, die charakteristischen Angela-Merkel-Mundwinkel noch weiter nach unten gezogen, als sonst. Und neben ihr mit genügend Sicherheitsabstand und gefühlt einen halben Meter größer: CSU-Chef Horst Seehofer der der Bundeskanzlerin augenscheinlich gerade die Leviten liest.
Wie ein Schulmädchen stand Merkel da neben Seehofer – so die Assoziation, die sich beim Betrachten der Bilder förmlich aufdrängt. „So ungefähr sah das aus, als meine Kinder etwas ausgefressen hatten und deshalb bei mir Antreten mussten“, sagte am Tag danach ein alt gedientes Mitglied aus Seehofers Münchner Ministerrunde. Doch weil es sich eben um die Bundeskanzlerin handelte und nicht um einen ungezogenen Pennäler seien diese Bilder „für die CSU ganz und gar nicht gut“ gewesen, fand nicht nur das Kabinettsmitglied.
Wer den denkwürdigen Merkel-Auftritt bei der CSU-Schwester live miterlebt hatte, der kannte allerdings auch die andere Hälfte der Wahrheit dieses Abends: Nämlich eine Kanzlerin, die sich nicht einmal im Ansatz bemüht hatte, auf die sehr speziellen Befindlichkeiten der CSU in Bezug auf ihre Flüchtlingspolitik einzugehen.
Ihre lustlos vorgetragene Rede dauerte gerade einmal 20 Minuten. Und die Botschaft, die darin steckte, kam bei vielen CSU-Ohren ungefähr so an: Die von euch geforderten Obergrenzen für Flüchtlinge sind keine Lösung. Doch davon werde ich euch ohnehin nicht überzeugen. Wenn wir deshalb nicht zusammen kommen können, dann eben nicht.
Doch dies widersprach komplett der Erwartungshaltung selbst Merkel-freundlicher CSU-Delegierter: „Ich glaube, dass Frau Merkel weiß, dass sie heute hier ein Zeichen setzen muss“, hatte etwa Ilse Aigner vor Beginn des Parteitags gesagt. Zwar erwartete kaum jemand, dass Merkel nun doch plötzlich ja zu den CSU-Obergrenzen sagen würde. Aber doch ein Signal, dass auch die Kanzlerin eine klare Reduzierung der Zuwanderung wolle – durch bessere Grenzsicherung etwa oder durch fixe Flüchtlingskontingente.
In der CSU-Spitze hatte man zudem angenommen, Merkel und Seehofer würden sich im Vorfeld des Parteitags zumindest auf gemeinsame Formulierungen verständigen. Und in der Tat hatte beide am Donnerstagabend eineinhalb Stunden telefoniert, wie Seehofer („Mir hätten auch 15 Minuten gereicht“) auf offener Bühne offenbarte.
Inhaltlich näher gekommen war man sich dabei augenscheinlich nicht – weshalb Merkel wohl von vorneherein von einer feindlich gesinnten Stimmung ausging und dem Vernehmen nach selbst an der Trommel-Musik zu ihrem Einzug Anstoß fand, obwohl diese nach CSU-Beteuerungen von der CDU-Parteizentrale ausgesucht worden war. Auch Seehofer wusste wohl, was auf ihn zukam, weshalb er schon lange vor Merkels Auftritt ankündigte: „Wenn es einen Dissens gibt, dann werde ich das ansprechen.“ Dies habe er Merkel auch beim Einzug in die Halle noch einmal zugeflüstert, hieß es am Tag danach aus der CSU-Spitze.
So blieb Seehofer wohl gar nichts anderes übrig, als Merkel nach einleitenden warmen Worten („Du hast großes geleistet für Deutschland und Europa“) ein „Wir werden uns zu diesem Thema wiedersehen“ hinzuschleudern – und dabei die Bilder zu produzieren, die in geneigten Krawallmedien tags drauf als „Demütigung“ Merkels oder als „Eklat“ gedeutet wurden.
Einige Stimmen bei der Wiederwahl zum CSU-Chef am Samstagvormittag mag Seehofer der Zoff mit Merkel auch gekostet haben – mit 87,2 Prozent bekam er das schlechteste Ergebnis seiner Vorsitzenden-Karriere. Denn längst nicht jeder der mehr als 800 Delegierten fand es angemessen, die immer noch irgendwie eigene Bundeskanzlerin auf offener Bühne derart auflaufen zu lassen. „Hätte er aber nichts gesagt, wäre es noch schlimmer gewesen“, glauben erfahrene Parteistrategen.
Auch der letzte Woche öffentlich ausgetragene Streit mit Markus Söder, hinter dem letztlich ebenfalls die Forderung nach einem härteren CSU-Kurs in der Flüchtlingspolitik steht, oder seine Abkehr vom Bau der dritten Startbahn am Münchner Flughafen hätte Seehofer Stimmen gekosten, glaubten viele Delegierte.
Richtig ist allerdings auch, dass die gesamte engere Spitzenmannschaft bis auf den niederbayerischen Neuling Manfred Weber mit CSU-untypischen Ergebnis deutlich unter 90 Prozent abgestraft wurde – selbst Barbara Stamm kam als Partei-Vize nur auf 85,3 Prozent.
Auch wenn Seehofer in einer sehr guten Parteitagsrede versuchte, seiner Partei Orientierung zu geben: Die schwierige politische Lage, der Streit mit Merkel, dazu die von einem immer ungestümer drängenden Söder befeuerte Nachfolgedebatte lässt derzeit wohl für mehr Geschlossenheit zu viele Fragen offen. Natürlich gebe es derzeit eine gewisse Zerrissenheit in der CSU, analysierte denn auch der Europapolitiker Weber. Und diese Zerrissenheit der Partei zeige sich dann auch im Ergebnis der Vorstandswahlen.
Siehe die Auflage der "BLÖD"-Zeitung.
Deswegen wird auch die CSU immer wieder mit hohen %-Zahlen gewählt. ;(