In der Debatte um ein Bleiberecht für gut integrierte, aber nicht anerkannte Flüchtlinge zeigt sich jetzt auch die CSU offener als bisher. Ministerpräsident Markus Söder lehnt zwar einen „generellen Spurwechsel“ ab. Gleichzeitig aber sprach er sich dafür aus, der Wirtschaft mehr entgegenzukommen und im Einzelfall „deutlich mehr Flexibilität“ zu zeigen.
Etwas weiter war zuvor der integrationspolitische Sprecher der CSU-Landtagsfraktion, Thomas Huber, gegangen. „Wir sollten über eine Altfall-, Stichtags- oder Amnestieregelung nachdenken“, sagte der CSU-Landtagsabgeordnete dem „Münchner Merkur“. Huber fordert eine Lösung, die dem sozialen Frieden im Land dient, ohne Anreize auf neue Flüchtlinge auszustrahlen.
Er schlägt vor, abgelehnten, aber geduldeten Flüchtlingen auf Zeit ein Bleiberecht zu geben, wenn sie einen Job und eine Wohnung haben, für ihren Lebensunterhalt aufkommen, Deutsch sprechen, nie straffällig wurden und nicht gegen die Schulpflicht verstoßen haben. „Das soll ausschließlich rückwirkend und einmalig für Flüchtlinge gelten, die bereits im Land sind.“ Dem CSU-Mann zufolge geht es um eine Größenordnung von 100 000 bis 200 000 Menschen.
Zuvor hatten die Spitzen der Union jedoch ablehnend auf den Vorstoß des schleswig-holsteinischen CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther reagiert, der integrierten Asylbewerbern ohne Bleiberecht generell einen Spurwechsel vom Asyl- ins Zuwanderungsrecht ermöglichen will.
Am Rande einer CSU-Diskussionsveranstaltung zum Thema Sicherheitspolitik in Rottendorf (Lkr. Würzburg) äußerte sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann gegenüber dieser Redaktion zum gemeinsamen Vorstoß von Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt und Hülya Düber, Sozialrefentin der Stadt, in Sachen Flüchtlingspolitik. Schuchardt und Düber hatten in einer Petition an den Landtag gefordert, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, die für gut integrierte Flüchtlinge, deren Asylantrag abgelehnt wurde, eine Bleibeperspektive schafft, und lagen mit dieser Forderung an der Spitze der inzwischen bundesweiten Diskussion.
Wenn der Würzburger Oberbürgermeister einen Vorschlag mache, „dann setze ich mich damit auch auf jeden Fall konkret auseinander“, sagte Herrmann. Vorrang hätte allerdings die Integration der Asylbewerber, die anerkannt sind. Von diesen seien bundesweit derzeit noch um die 600 000 Menschen arbeitslos. Wenn es in einem Einzelfall Gründe gebe, „finden wir auch einen Weg, dass jemand hierbleiben kann“, so der bayerische Innenminister. Das müsse allerdings eine Ausnahme bleiben. Zumal nach dem deutschen Asylverfahren jeder Fall individuell geprüft werde.
Wie Hülya Düber dieser Redaktion bestätigte, hatte sie im Verlauf des Abends in Rottendorf noch Gelegenheit, dem Innenminister das „Anliegen und die dazugehörigen Argumente“ vorzutragen. „Alles Weitere liegt nun in der Hand des Petitionsausschusses.“
Auch das Handwerk erhöht den Druck auf die Politik. „Mit einer gesetzlichen Übergangsregelung sollte den Flüchtlingen ein Bleiberecht gewährt werden, die bereits im Land sind, die arbeiten und sich als integrationsfähig erwiesen haben“, sagte Hans Peter Wollseifer, Chef des Zentralverbands des Deutschen Handwerks. „Flüchtlinge, die sich als absolut integrationswillig und -fähig erwiesen haben, sollten in unserer Gesellschaft willkommen sein“. Ausgerechnet jene Menschen abzuschieben, die von deutschen Betrieben zu dringend gesuchten Mitarbeitern ausgebildet würden, wäre vor „dem Hintergrund des bereits jetzt bestehenden Fachkräftemangels gesamtwirtschaftlicher Unsinn“.