Die Politikertochter Andrea Tandler muss im Steuerprozess rund um die Corona-Maskenaffäre in Bayern mit mindestens vier Jahren und drei Monaten Haft rechnen. Ihr mitangeklagter Geschäftspartner N. soll mindestens dreieinhalb Jahre in Haft. Das sieht ein Verständigungsvorschlag des Landgerichts München I vor, dem alle Verfahrensbeteiligten am Dienstag zustimmten.
Die beiden Angeklagten räumten daraufhin über ihre Verteidiger die ihnen zur Last gelegten Steuerhinterziehungsvorwürfe weitestgehend ein. Zudem haben beide den entstandenen Steuerschaden inzwischen wiedergutgemacht. Das Urteil soll am Freitag verkündet werden.
Konkret muss Tandler mit einer Strafe von vier Jahren und drei Monaten bis vier Jahren und neun Monaten rechnen. Für N. nannte die Vorsitzende Richterin Andrea Wagner einen Strafrahmen von drei Jahren und sechs Monaten bis vier Jahren. Die Staatsanwaltschaft forderte in ihrem Plädoyer anschließend eine Strafe jeweils am obersten Rand des Strafrahmens, die Verteidiger plädierten für Strafen am unteren Rand. Vorausgegangen war ein Verständigungsgespräch in der vergangenen Woche.
Die Haftbefehle gegen die beiden Angeklagten könnten am Freitag außer Vollzug gesetzt werden - dem Vorschlag des Gerichts stimmte auch die Staatsanwaltschaft zu. Damit kämen beide nach rund elf Monaten Untersuchungshaft bis zum Haftantritt auf freien Fuß. Tandler, die unter gesundheitlichen Problemen leidet, wird sich dann laut ihrer Anwältin voraussichtlich einer weiteren Operation unterziehen müssen.
Tandler ist Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs und ehemaligen bayerischen Finanz-, Wirtschafts- und Innenministers Gerold Tandler. Sie hatte zu Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 für einen Schweizer Maskenlieferanten Geschäfte mit verschiedenen Behörden des Bundes und der Länder vermittelt. Dafür flossen - was für sich genommen legal ist - Provisionszahlungen von fast 50 Millionen Euro.
Die Staatsanwaltschaft wirft Tandler und N. aber vor, die Provisionen nicht korrekt versteuert und sich dadurch strafbar gemacht zu haben. Den insgesamt entstandenen wirtschaftlichen Schaden bezifferte die Staatsanwaltschaft zum Ende des Verfahrens auf 7,8 Millionen Euro.
Konkret wurde Tandler vorgeworfen, die Provisionen rechtswidrig nicht als Einzelperson, sondern über eine Firma versteuert zu haben. Dadurch musste sie insgesamt deutlich weniger Steuern zahlen. Zudem soll N. die Hälfte der Gesellschaftsanteile der damals neu gegründeten GmbH erhalten haben, obwohl er zuvor nichts eingebracht habe - darauf gründete der Vorwurf der Schenkungssteuerhinterziehung.
Der Vorwurf der Gewerbesteuerhinterziehung wiederum fußte darauf, dass die Einnahmen aus den Maskengeschäften nicht in München versteuert wurden, sondern in Grünwald. Dort ist im Vergleich zur Landeshauptstadt nur rund die Hälfte an Gewerbesteuern fällig. München war allerdings laut Anklage "Ort der Geschäftsleitung".
Die Steuerhinterziehungsvorwürfe hinsichtlich der Einkommen- und der Gewerbesteuer räumten die Angeklagten am Dienstag über ihre Verteidiger weitestgehend ein - etwa auch die Tatsache, dass es ein gemeinsames Unternehmen der beiden erst einige Wochen später gab als ursprünglich behauptet.
Die Staatsanwaltschaft warf Tandler ein überwiegend taktisch motiviertes Geständnis und eine "besonders hohe kriminelle Energie" vor: "Tatsächlich ging es ihr darum, möglichst wenig bis keine Steuern zu bezahlen." Tandler selbst sagte in ihren Schlussworten dagegen, sie würde die Fehler heute nicht noch einmal machen. Sie könne nur um Entschuldigung bitten.
Das Verfahren hinsichtlich Schenkungsteuerhinterziehung und Corona-Subventionsbetrug stellte das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft am Dienstag ein. Auch wegen der Rückabwicklung einer Schenkung reduzierte sich die gesamte Hinterziehungssumme von anfangs 23,5 auf nunmehr 11,9 Millionen Euro; der wirtschaftliche Schaden verringerte sich von 15,2 auf nunmehr 7,8 Millionen Euro.
N.'s Verteidiger griff die Steuerkanzlei, an die sich die beiden Angeklagten gewandt hatten, scharf an. Beide seien "Opfer eines eklatanten Beratungsversagens". "Bei richtiger Beratung wären diese beiden Angeklagten nie auf der Anklagebank gelandet." Allerdings räumte auch der Anwalt ein, dass sein Mandant wegen des Vorwurfs des Gewerbesteuerbetrugs schuldig zu sprechen sei, sei "gar keine Frage".
Bei einer Verständigung einigen sich Strafrichter mit den Beteiligten darauf, wie das Urteil in etwa ausfällt. Voraussetzung ist in aller Regel, dass es ein Geständnis der Angeklagten gibt. Das Gericht kann dann zum Beispiel sagen, in welchem Rahmen sich die zu erwartende Strafe bewegen wird. Der Deal kommt zustande, wenn Angeklagte und Staatsanwaltschaft zustimmen. Die Eckpunkte sind in Paragraf 257c der Strafprozessordnung geregelt.
(dpa)