Alfred Sauter pflegt seit langem eine Attitüde, die manche recht cool und andere unerträglich finden. Legendär ist die Reaktion auf seinen Rauswurf als bayerischer Justizminister im Jahr 1999. Als Ministerpräsident Edmund Stoiber bei einer Pressekonferenz erklärt, warum er ihn in der Affäre um die Wohnungsbaugesellschaft LWS hat fallen lassen, taucht Sauter mit einem Eisbecher auf und kanzelt Stoibers Ausführungen vor versammeltem Publikum als "Schafscheiß" ab. So etwas hatte die CSU nie zuvor erlebt.
Doch jetzt verstummt der Strippenzieher. Zwei Jahre nach Auffliegen der Maskenaffäre um ihn und seinen früheren Bundestagskollegen Georg Nüßlein, will Sauter nicht mehr reden. Zumindest nicht, bevor der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses "Maske" vorliegt. Aus seinem Umfeld ist zu hören, dass der 72-jährige Sauter keine leichte Zeit hat. Obwohl der Bundesgerichtshof (BGH) ihn vom Vorwurf der Abgeordnetenbestechung umfassend entlastet hat, gibt es für ihn keine politische Rehabilitation. CSU-Generalsekretär Martin Huber sagte nach der BGH-Entscheidung, der juristische Freispruch mache die moralische Schuld nicht wett.
33 Jahre lang saß Sauter im bayerischen Landtag
Mit der Landtagswahl im Oktober endet seine 33 Jahre lange Karriere in der bayerischen Politik. Und der Abschied ist lang und quälend. Seit Sauter als Konsequenz aus der Maskenaffäre die CSU-Fraktion verlassen hat, sitzt er isoliert im Plenarsaal des Maximilianeums. Er engagiert sich zwar in seinem Heimatlandkreis Günzburg noch politisch, doch so gern wie früher will kaum noch einer auf ein Foto mit ihm. Sauter ist ein zutiefst politischer Mensch. Er war JU-Landesvorsitzender, Bundestagsabgeordneter, Staatssekretär in drei verschiedenen Ministerien und Justizminister. Die aktive Politik wird ihm sehr fehlen.
Nach dem Auffliegen der Maskenaffäre hat Sauter das getan, was er nach dem ersten großen Karriereknick 1999 auch getan hat: Er konzentrierte sich noch stärker auf seine Anwaltskanzlei. Seit vielen Jahren gehört er zu den bayerischen Politikern mit den höchsten Nebeneinkünften, also mehr als 250.000 Euro pro Jahr. Finanziell dürfte Sauter also keine Probleme haben. Aber Geld ist eben nicht alles. Sauter, so ist zu hören, macht es zu schaffen, dass er seine beiden Töchter in die Maskenaffäre hineingezogen hat. Die Firma Pecom, an die 1,2 Millionen Euro Provision flossen, gehört offiziell den Sauter-Töchtern.
Gegen Sauter und Nüßlein laufen noch Ermittlungsverfahren
Und dann ist da noch die Tatsache, dass es immer noch ein Verfahren gegen Alfred Sauter gibt. Die GeneralstaatsanwaltschaftMünchen ermittelt nach Informationen unserer Redaktion wegen möglicher Steuerdelikte gegen den Landtagsabgeordneten. Die Ermittlungsbehörde selbst teilt dazu lediglich mit, dass ihre "Prüfungen noch nicht abgeschlossen sind" und sich gegen vier Personen richten.
Neben einem Geschäftsmann aus dem Raum München und dem ehemaligen Schatzmeister des CSU-Kreisverbands gilt das auch für den früheren CSU-Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein, der ebenfalls aus dem Landkreis Günzburg stammt. Die Maskenaffäre kam am 25. Februar 2021 durch eine Razzia in den Büro- und Privaträumen Nüßleins an die Öffentlichkeit. Auch für ihn war es der Anfang vom Ende der politischen Laufbahn. Mit der Bundestagswahl im Herbst 2021 war er endgültig aus der Politik ausgeschieden. Doch im Gegensatz zu Sauter ist Georg Nüßlein heute überraschend gesprächig.
Nüßlein hat ein Jobangebot von einem großen Industriekonzern
Ihm gehe es inzwischen wieder gut, berichtet er. Das habe gedauert. "Schließlich waren die Vorwürfe so unbegründet wie heftig und ich durfte mich nicht äußern", sagt Nüßlein, 53. Die Politik fehle ihm immer noch, er habe sich aber seit seinem Ausscheiden aus dem Bundestag auf Themen konzentriert, die ihn "aufgebaut" hätten. Vor allem habe er sich karitativ betätigt, sich zum Beispiel um das Kloster in Wettenhausen (Landkreis Günzburg) gekümmert. Beruflich will Georg Nüßlein nochmals durchstarten. Er berichtet von einem attraktiven Angebot aus der Wirtschaft: "Momentan möchte mich ein großer Industriekonzern unbedingt für eine sehr verantwortungsvolle Position haben. Darüber denke ich ernsthaft nach." Mehr will er dazu nicht verraten. Schließlich sei er inzwischen Privatmann. "Und dieses Privileg, mich aus der Öffentlichkeit heraushalten zu dürfen, habe ich sehr zu schätzen gelernt", so Nüßlein.
Die Steuerermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft betrachtet der frühere Unionsfraktionsvize gelassen. "Auch dieses Thema erscheint einstellungsreif", betont Nüßlein. Jedenfalls spreche die Generalstaatsanwaltschaft mit seinem Anwalt darüber. Wenn es sein müsse, werde er aber auch diesen Rechtsstreit ausfechten. "Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen", betont Nüßlein gegenüber unserer Redaktion.
Nüßlein ist immer noch sauer auf etliche CSU-Leute
Aus der CSU ist Nüßlein im Gegensatz zu Sauter ausgetreten. Noch heute hadert er allerdings mit vielen Verantwortlichen in der Partei. Zwar seien einige mit einer Art von Entschuldigung auf ihn zugekommen. Etliche aber hätten sich mit der Vorverurteilung so vergaloppiert, dass sie von dem hohen Ross nicht mehr heruntergekommen seien. „Als ihnen plötzlich klar wurde, dass da rechtlich nichts sein kann, mussten sie das Vorurteil durch einen moralischen Vorwurf ersetzen“, kritisiert Nüßlein. Angesichts der damals bevorstehenden Bundestagswahl verstehe er die Reaktion sogar.
Nüßleins Fazit: Sauter und ihn habe man vorgeführt, obwohl sie unternehmerisch jene unterstützt hätten, die in der Hochphase die billigsten Masken geliefert haben. "Niemand hat dagegen gefragt, warum nach uns immer noch viel teurer eingekauft wurde …", sagt Nüßlein. Was er genau damit andeuten will, lässt er offen.