Der 27. Dezember 2020 markiert einen Wendepunkt in dieser nun seit drei Jahren dauernden Pandemie-Geschichte. An jenem Tag begann in Deutschland das Impfen gegen Corona– seither wurden mehr als 190 Millionen Impfdosen verabreicht. 13,1 Milliarden Euro hat der Bund für die seit Beginn der Pandemie bestellten 672 Millionen Impfdosen bezahlt. Welche Impfempfehlungen gibt es derzeit? Schützen die Vakzine auch vor Long Covid? Und wird man sich in Zukunft eigentlich regelmäßig impfen lassen müssen? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Welche Impfempfehlung gibt es aktuell?
Für Personen zwischen zwölf und 59 Jahren wird von der Ständigen Impfkommission (Stiko) eine Grundimmunisierung (zwei Impfungen) und eine Auffrischung empfohlen. Für Menschen ab 60 Jahren empfiehlt die Stiko eine zweite Auffrischung. Kindern zwischen fünf und elf Jahren wird zu einer Impfdosis geraten. Menschen mit Vorerkrankungen, die älter als fünf Jahre alt sind, wird empfohlen, neben der Grundimmunisierung zwei Booster-Impfungen zu erhalten. Kinder zwischen sechs Monaten und vier Jahren, die an einer Vorerkrankung wie einem Immundefekt leiden, sollen vorzugsweise mit drei Dosen des ImpfstoffsComirnaty grundimmunisiert werden.
An welchen neuen Impfstoffen wird derzeit geforscht?
In der präklinischen Entwicklung befinden sich unter anderem weitere Proteinimpfstoffe und auch neue Vektorimpfstoffe, wie Prof. Dr. Christian Bogdan, Direktor des Instituts für Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene am Universitätsklinikum Erlangen und Mitglied der Stiko, erklärt. „Intensiv wird auch an mukosalen Impfstoffen gearbeitet, die auf die Schleimhäute aufgebracht werden können“, fährt er fort. In den vergangenen Monaten war immer wieder von Tests mit Nasenspray-Impfstoffen zu hören, die eben an den Schleimhäuten ansetzen.
Wie gut ist die Wirksamkeit der angepassten Impfstoffe gegenüber der dominanten Variante BA.5?
Weder die herkömmlichen noch die angepassten mRNA-Impfstoffe schützen Bogdan zufolge zuverlässig vor asymptomatischen oder harmlosen symptomatischen Infektionen mit Sars-CoV-2 einschließlich der BA.5-Variante. Das liege daran, dass alle zugelassenen Vakzine keine ausgeprägte Schleimhautimmunität auslösen. Alle Impfstoffe schützen Bogdan zufolge jedoch vor schwerer Erkrankung und Tod. „Was die Dauer dieses Schutzes anbelangt, geht man bei immunkompetenten Personen nach dreimaliger Impfung derzeit von mindestens einem Jahr aus.“ Da die meisten Menschen nicht nur geimpft sind, sondern auch eine Infektion durchgemacht haben, ist die Schutzdauer Bogdan zufolge wohl noch deutlich länger.
Bietet eine hybride Immunität – also Impfung plus Infektion – den besten Schutz?
„In der Tat vermittelt eine vollständige Impfung mit nachfolgender Infektion den besten Schutz vor Covid-19“, sagt Bogdan. Denn während die bisher in Deutschland benutzten Impfstoffe fast ausnahmslos auf der Auslösung einer Immunantwort gegen das Spike-Protein des Virus beruhen, führt eine Infektion Bogdan zufolge auch zu Immunantworten gegen andere Viruskomponenten.
Falls XBB1.5 in Deutschland dominant wird: Schützen die angepassten Impfstoffe auch davor?
Nach einer Impfung mit den an BA.5 angepassten mRNA-Impfstoffen sei die Konzentration der neutralisierenden Antikörper gegenüber der XBB1.5-Variante etwa 100-fach niedriger als gegenüber dem Wildtyp, erklärt Bogdan. Trotz dieser ausgeprägten Antikörperimmunflucht und einer noch höheren Infektiosität gebe es bisher aber „keine Hinweise für eine stärkere Pathogenität der XBB1.5-Variante“, erklärt er. „Ebenso scheinen die vorhandenen Impfstoffe vor schweren Verläufen einer XBB1.5-Infektion zu schützen.“
Bei XBB1.5 könnte die Antikörper-Therapie versagen. Was bedeutet das?
Die Antikörperkombination Evusheld habe in der Tat eine deutlich verringerte Wirksamkeit gegen XBB.1.5, sagt Prof. Dr. Clemens Wendtner, Chefarzt der Infektiologie an der München Klinik Schwabing, und fügt an: „Für die Allgemeinbevölkerung ist das nicht das ganz große Problem.“ Ein Problem gebe es aber bei Menschen, die sich nur schlecht durch eine Impfung schützen könnten, also Patienten mit geschwächtem Immunsystem.
Wird man sich künftig regelmäßig impfen lassen müssen?
Für Immunkompromittierte – etwa Menschen mit einem Spenderorgan – und andere vulnerable Personen werden Wiederimpfungen notwendig sein, sagt Stiko-Mitglied Bogdan. „Was immunkompetente Personen anbetrifft, so wird man beobachten müssen, ob es trotz vollständiger Immunisierung und gegebenenfalls durchgemachter Infektion später zu klinisch relevanten Durchbruchsinfektionen mit neuen Virusvarianten kommt und Auffrischimpfungen sinnvoll sind.“
Schützt die Impfung gegen Sars-CoV-2 auch vor Long Covid?
„Dadurch, dass die Impfung schwere Infektionen verhindert und auch die Viruslast senkt, kann von einer gewissen Schutzwirkung vor Long Covid ausgegangen werden“, sagt Bogdan. Da Long Covid aber weder klinisch noch pathogenetisch ein einheitliches Krankheitsbild sei und die Impfstoffe Infektionen nicht verhindern, sei es nicht möglich, genaue Aussagen zum Grad ihrer Schutzwirkung vor Long Covid zu machen.
Wie viele Menschen wurden bisher in Bayern geimpft?
Rund 9,9 Millionen Menschen in Bayern haben eine Erst- und Zweitimpfung erhalten, wie das bayerische Gesundheitsministerium auf Nachfrage mitteilt. Etwa 7,8 Millionen sind ein drittes Mal geimpft, 1,6 Millionen ein viertes Mal.
Wie viele Impfschäden wurden in Bayern anerkannt und wie viele Anträge gingen ein?
„In Bayern kam es bisher zu 61 Anerkennungen“, sagt ein Sprecher des bayerischen Gesundheitsministeriums. Bezogen nur auf die Covid-19-Impfung seien bis Mitte Januar 1440 Anträge eingegangen. Bearbeitet seien 613 Anträge.
Wie verbreitet ist das Post-Vac-Syndrom, also Beschwerden, die mit der Impfung in Zusammenhang gebracht werden?
Bisher ist das Post-Vac-Syndrom Bogdan zufolge nicht exakt definiert. Der Begriff umfasst alle physischen und psychischen Beschwerdebilder, die in zeitlichem Zusammenhang mit einer Covid-19-Impfung auftreten, länger bestehen und für welche es keine andere medizinische Erklärung gibt. Die Symptome können ähnlich wie bei Long Covid sein. „Das Post-Vac-Syndrom ist pathogenetisch kein einheitliches Krankheitsbild, sondern hat wahrscheinlich verschiedenste Ursachen, was Gegenstand momentaner Forschung ist“, sagt Bogdan. „Da das Post-Vac-Syndrom klinisch viele andere Krankheiten imitieren kann, ist derzeit nicht klar, in wie vielen Fällen tatsächlich die Covid-19-Impfung die Ursache darstellt.“