
Viele Pfeile sind rot. Und rot bedeutet: Die Viruslast steigt. Jedenfalls im Abwasser, wo selbst winzige Bestandteile von SARS-CoV-2 nachgewiesen werden können. Wenn man so will, dann ist das Abwassermonitoring der letzte wirkliche Beobachtungsposten im Kampf gegen Corona – getestet wird schließlich kaum mehr, offizielle Zahlen haben wegen einer vermutlich gewaltigen Dunkelziffer ihre Aussagekraft weitgehend verloren. Das Abwasser aber liefert weiter Daten: An mehr als 20 Standorten in Bayern werden seit vielen Monaten Abwasserproben genommen, analysiert und in Grafiken aufbereitet. Die Ergebnisse sind freilich keine Ist-Zustände, sondern eher ein Trend. Und im Moment zeigt der an, dass das Virus wieder stärker zirkuliert.
In Zahlen ausgedrückt verhält es sich den Abwasserdaten zufolge so: In Passau gab es zuletzt eine Zunahme der Viruslast um 93 Prozent, in Straubing waren es mehr als 47 Prozent, in Nürnberg über 25 Prozent, ebenso in Stadtbergen im Landkreis Augsburg. In der Stadt Augsburg indes war zuletzt sogar ein Rückgang der Viruslast zu verzeichnen, in München ebenfalls. Die Zahlen sind für alle Bürgerinnen und Bürger zugänglich, im Rahmen des Verbundprojekts Bay-VOC können die Untersuchungsergebnisse der bayerischen Standorte online eingesehen werden.
In mehr als der Hälfte der Fälle handelt es sich um die Variante Eris
Bay-VOC zeigt übrigens auch, mit welchen Varianten es der Freistaat derzeit vor allem zu tun hat. Den Daten zufolge handelt es sich bei der Hälfte der Fälle um die Omikron-Untervariante EG.5 (Stand: Kalenderwoche 33 vom 14. bis 20. August). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte EG.5, auch Eris genannt, vor Kurzem zu einer "Virusvariante von Interesse" hoch. Wegen des Wachstumsvorteils und Immunflucht-Eigenschaften könnte EG.5 laut WHO wieder für mehr Erkrankungen sorgen und in einigen Ländern oder sogar weltweit dominant werden.
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) bereitet die aktuelle Lage aber keine großen Sorgen: "Im Moment sehe ich keine besorgniserregende Entwicklung beim Coronavirus. Nach Einschätzung auch des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ist die neue Virus-Variante zwar ansteckender, führt aber derzeit zu keinen schwereren Krankheitsverläufen." Dennoch werde natürlich genau beobachtet, ob sich die Lage verändert. "Denn klar ist: Corona bleibt", sagt Holetschek gegenüber unserer Redaktion.
1,3 Prozent der Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt
An den bayerischen Krankenhäusern ist die Situation trotz des Anstiegs der Corona-Fälle nicht kritisch. Aktuell befinden sich im Freistaat nach Angaben einer Sprecherin des bayerischen Gesundheitsministeriums 33 Patientinnen und Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion in intensivmedizinischer Behandlung. Damit seien in Bayern 1,3 Prozent der Intensivbetten mit Covid-19-Fällen belegt. "Festzuhalten ist, dass die Zahlen nach wie vor auf einem niedrigen Niveau sind. Bisher gibt es keine Hinweise für eine sich ändernde Krankheitsschwere", sagt die Sprecherin.
Auch in den Hausarztpraxen sei die Lage im Moment stabil, sagt Stefanie Berger, stellvertretende schwäbische Bezirksvorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes, die mit ihrer Kollegin Maria Stich eine Praxis in Thierhaupten (Landkreis Augsburg) führt. Allerdings stelle auch sie fest, dass insgesamt wieder steigende Covid-Zahlen zu verzeichnen seien, "die wahrscheinlich nach Ende der Sommerferien nochmals ansteigen werden".
Holetschek: "Wer krank ist, bleibt zu Hause"
Getestet würde in den Praxen kaum, meist hätten die Patientinnen und Patienten aber bereits einen Selbsttest dabei. Allerdings mache es im aktuellen Praxisalltag auch keinen Unterschied, ob die Patienten mit leichten grippalen Infekten oder nachgewiesenen Corona-Infektionen vorstellig würden. "Die überwiegende Anzahl der Patienten hat ja bereits eine Grundimmunisierung mit mindestens drei Impfungen erhalten und dadurch einen vorbestehenden Schutz", sagt Berger. Somit sei durch die neuen Varianten aktuell kein schwerer Verlauf zu erwarten. "Allerdings empfehlen wir allen Risikopatienten, eine Auffrischimpfung durchführen zu lassen."
Darauf weist auch Bayerns Gesundheitsminister Holetschek hin. "Der wichtigste Schutz vor schweren Verläufen einer Corona-Infektion ist nach wie vor die Covid-19-Impfung." Deshalb bleibe es wichtig, den eigenen Impfstatus im Blick zu haben und die Impfung, wenn nötig, aufzufrischen. "Mein Rat an die Bürgerinnen und Bürger lautet: Sprechen Sie zum Beispiel mit Ihrem Arzt oder auch Apotheker Ihres Vertrauens offen über Ihren Impfstatus und Ihre Impffragen." Weiterhin gelte die Regel: "Wer krank ist, bleibt zu Hause. Wer Erkältungssymptome hat, sollte nach Möglichkeit Kontakte meiden", betont Holetschek.