Er floh während einer Verhandlung durch das Fenster eines Nebenraums: Ein Angeklagter ist am Montag gegen 10.30 Uhr aus dem LandgerichtCoburg entkommen. Es soll sich um einen 47-Jährigen handeln, der sich auf der Flucht befand. Am Dienstag nahm ihn eine Streife wenige Kilometer entfernt in Grub am Forst (Landkreis Coburg) fest, wie ein Sprecher der Polizei mitteilte. Es handle sich bei ihm zweifelsfrei um den Gesuchten.
Ein Zeuge hatte den Mann zuvor erkannt und den Notruf gewählt. Eine Polizeistreife traf an einer Bushaltestelle auf den 47-Jährigen. Als die Beamten ihn ansprachen, flüchtete der Mann den Angaben zufolge in ein nahe gelegenes Feld. Dort konnten ihn die Polizisten festnehmen. Der Mann hatte sein Äußeres "stark verändert" und unter anderem seine Haare geschnitten. Erst mit einem Abgleich der Fingerabdrücke gelang es der Polizei, ihn zweifelsfrei zu identifizieren. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Mann seine Flucht mit einem Bus fortsetzen wollte. Wo er sich bis zu seiner Festnahme genau aufhielt, war noch nicht bekannt.
Landgericht Coburg: Angeklagter gelingt Flucht während Verhandlung
Laut der Neuen Presse Coburg soll das Landgericht während einer Verhandlung vor zwei Wochen einen Haftbefehl gegen den Verdächtigen erlassen haben. Dieser kam vor allem wegen Fluchtgefahr zustande. Bis zu der Verhandlung am Montag hatte der Mann daher in der Justizvollzugsanstalt Kronach eingesessen.
Laut dem Gerichtskalender war der Flüchtige am Montag wegen sexuellen Missbrauchs angeklagt. Es soll sich um einen Vater von sieben Kindern handeln. Demnach steht der Verdacht im Raum, dass er sich an seinen beiden minderjährigen Töchtern verging.
Flucht aus Gericht in Coburg erinnert an Fall am Amtsgericht Regensburg
Nach Darstellung der Polizei war der Mann bei seiner Flucht aus dem Obergeschoss des Gerichtsgebäudes nach unten gerannt, hatte ein Fenster eines Aufenthaltsraums für Zeugen aufgebrochen und war dadurch entkommen. Zu diesem Zeitpunkt trug der Mann laut Polizei weder Fuß- noch Handfesseln.
In Bayern hatte sich bereits vor einigen Wochen einen ähnlichen Fall ereignet. Am Amtsgericht Regensburg war ein verurteilter Mörder aus dem Fenster gesprungen. Der Flüchtige konnte in der Folge erst einige Tage später in Frankreich festgenommen werden.
Zweite Flucht binnen Wochen: Herrmann kündigt Konsequenzen an
Die Landtags-Opposition forderte nach der zweiten Flucht innerhalb weniger Wochen umfassende Aufklärung und eine Verschärfung der Sicherheitsvorkehrungen. Die Vorfälle nährten Zweifel an der Sicherheit bayerischer Gerichtsgebäude, so Grüne und FDP. Justizminister Georg Eisenreich (CSU) müsse im Rechtsausschuss des Landtags dazu berichten, verlangte die FDP. Die SPD forderte laut der Deutschen Presse-Agentur eine engere Abstimmung zwischen der Polizei und dem Gerichtsvollzugsdienst.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kündigte umgehend Konsequenzen an. "Das ist völlig indiskutabel, wenn einem Häftling die Flucht gelingt. Ich erwarte vom Polizeipräsidium Oberfranken eine umfassende Aufklärung zu den Hintergründen der Flucht", sagte Herrmann. Schon nach der Flucht des Häftlings in Regensburg seien alle Polizeipräsidien eingehend sensibilisiert worden, betonte Herrmann und kündigte an: "Gemeinsam mit der Justiz werden wir den vorliegenden Fall zum Anlass nehmen, die Einsatzkonzeptionen zur Bewachung von Häftlingen auf den Prüfstand zu stellen."
Justizminister Georg Eisenreich (CSU) betonte, er habe angeordnet, dass jedes bayerische Gericht seinem Ministerium über ihr Sicherheitskonzept berichten müsse. "Es ist nicht hinnehmbar, wenn Gefangenen die Flucht aus bayerischen Gerichten", sagte der Minister. "Sicherheitslücken sind nicht akzeptabel."