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UNTERFRANKEN
Bundestagswahl: Die Chancen der Unterfranken
Bundestag       -  Wenn die Meinungsforscher richtig liegen, wird es im Bundestag bunt..
Foto: Kay Nietfeld | Wenn die Meinungsforscher richtig liegen, wird es im Bundestag bunt..
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:39 Uhr

Gut möglich, dass die Unterfranken nach der Bundestagswahl in Berlin wieder mehr an Einfluss gewinnen. Die Grünen und die FDP haben mit Manuela Rottmann und Karsten Klein ihre Bezirksvorsitzenden prominent auf der jeweiligen bayerischen Landesliste platzieren können. Und bei der CSU hofft Dorothee Bär, aktuell noch Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, auf eine Beförderung.

Direktmandate gehen vermutlich wieder an die CSU

Klar, die Spannung hält sich schon deshalb in Grenzen, weil die Christsozialen seit 1949 bei jeder Bundestagswahl sämtliche Direktmandate in Unterfranken gewonnen haben und es aller Voraussicht nach auch diesmal wieder so kommen wird. Schließlich stehen die amtierenden Abgeordneten allesamt wieder auf den Stimmzetteln. Dorothee Bär (39, Ebelsbach) vertritt den Wahlkreis Bad Kissingen schon seit 2002 im Bundestag, seit 2009 als direkt gewählte Abgeordnete. 2005 wurde Paul Lehrieder (58, Gaukönigshofen) im Wahlkreis Würzburg erstmals in den Bundestag gewählt, er war dort zuletzt Vorsitzender des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Seit einer Amtsperiode sind die Umwelt-Expertin Anja Weisgerber (41, Schwebheim) für den Wahlkreis Schweinfurt/Kitzingen, Alexander Hoffmann (42, Zellingen) für den Wahlkreis Main-Spessart und Andrea Lindholz (46, Goldbach) für den Wahlkreis Aschaffenburg in Berlin dabei. Drei der fünf unterfränkischen CSU-Abgeordneten sind Frauen: Eine Konstellation, die in der männerdominierten Partei landesweit heraussticht.

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Im Wahlkreis Bad Kissingen setzt derweil auch die Konkurrenz auf Frauenpower. Die SPD schickt wie 2013 die Gesundheitsexpertin Sabine Dittmar (53, Maßbach) ins Rennen. Die Ärztin gehört dem Parlament seit 2013 an, ihr Wiedereinzug über die Landesliste (Position zehn) gilt als sicher. Als Neuling mit guten Aussichten kandidiert Manuela Rottmann (45, Hammelburg) bei Bündnis 90/Die Grünen. Wobei Neuling eigentlich die falsche Beschreibung ist. Die Juristin ist eine erfahrene Berufspolitikerin. Sechs Jahre lang, von 2006 bis 2012, gehörte sie als Dezernentin für Gesundheit und Umwelt dem schwarz-grünen Magistrat der Stadt Frankfurt an. Dort erwarb sie sich Anerkennung über die Parteigrenzen hinweg. Zur Wahlkampf-Unterstützung kam denn auch die frühere CDU-Oberbürgermeisterin Petra Roth gleich für zwei Termine in die Rhön.

Grüne Kandidatin mit Regierungserfahrung

Rottmann belegt nach parteiinternen Abstimmungen den aussichtsreichen Platz sieben auf der Landesliste. Unter anderem ließ sie Grünen-Urgestein Margarete Bause hinter sich. Ob die Position am Ende für Berlin reicht, hängt vom Ergebnis der Grünen in Bayern ab. Sieben Prozent sollten es nach parteiinternen Berechnungen sein. Sollte der Hammelburgerin der Einzug in den Bundestag gelingen – und es dann zu Koalitionsverhandlungen zwischen Grünen und Union kommen, dann könnten die Erfahrungen in der schwarz-grünen Frankfurter Stadtregierung noch ein ganz großer Trumpf für die 45-Jährige werden.

Nicht ausgeschlossen also, dass Rottmann schon bald bei Koalitionsverhandlungen Seit an Seit mit Wahlkreis-Konkurrentin Dorothee Bär sitzt. Die Ebelsbacherin hat ihre Karriere in der CSU ehrgeizig vorangetrieben. Nach dem Abschied von Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt ist sie die Spitzenfrau der Partei in Berlin. Außerdem zählt sie, obwohl schon lange im Parlament dabei, zu den Jungen in der CSU. Auf der Landesliste folgt die 39-Jährige gleich hinter Joachim Herrmann und Alexander Dobrindt auf Rang drei. Wenn über mögliche künftige CSU-Minister gesprochen wird, fällt der Name Bär immer wieder. Parteichef Horst Seehofer nannte sie jedenfalls schon mal ein „heißes Eisen“, wenn es um die Vergabe von Posten geht.

Digitalisierungsministerin Dorothee Bär?

Digitalisierungsministerin, das wäre ein Job, der der Twitter- und Facebook-Königin unter den bayerischen Abgeordneten gut gefallen würde. Im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU heißt es, in der neuen Regierung solle die Position eines „Staatsministers für Digitalpolitik“ im Bundeskanzleramt geschaffen werden. Das wäre dann zwar kein eigenes Ministerium, aber doch eine herausgehobene Stellung bei einem Zukunftsthema. Aufhorchen ließ, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Auftritt Ende August in Bad Kissingen das Thema Digitalisierung eigens ansprach. Dorothee Bär strahlte.

Vorrücken in der Partei-Hierarchie kann womöglich der SPD-Bundestagsabgeordnete Bernd Rützel (48, Gemünden). Der unterfränkische Bezirksvorsitzende ist in der Sozialpolitik gut vernetzt, er tritt im Wahlkreis Main-Spessart an und belegt Platz sieben auf der bayerischen SPD-Liste, noch vor Sabine Dittmar. Beiden ist der Sitz im neuen Bundestag sicher. Als nächste Unterfränkin steht Eva Maria Linsenbreder (61, Kleinrinderfeld), die Kandidatin der Genossen in Würzburg, auf Platz 24. Für den Einzug ins Parlament dürfte das kaum reichen. Auf dem Höhepunkt der Martin-Schulz-

Euphorie zu Beginn dieses Jahres sah das noch ganz anders aus.

Linkspartei weiter mit Klaus Ernst

Weiter im Bundestag mitdiskutieren darf ganz sicher auch Klaus Ernst (62, Schweinfurt). Seit 2005 vertritt er die Linke im Bundestag, von 2010 bis 2012 war er auch Parteivorsitzender. Die bayerische Landesliste führt Ernst einmal mehr an. Als „Linken-Realo“ wäre der frühere Gewerkschaftssekretär auch einer für höhere Aufgaben in einer rot-rot-grünen Koalition. Nur, eine solche gibt – unabhängig von inhaltlichen Differenzen – keine Umfrage mehr her. Sollten die Linken in Bayern die Fünf-Prozent-Hürde schaffen, könnte auch Simone Barrientos (54, Ochsenfurt) einen Parlamentssitz ergattern. Die Verlegerin, die in der DDR groß geworden ist und im Wahlkreis Würzburg Direktkandidatin der Linken ist, steht auf Platz fünf der Landesliste.

Dass die Freien Demokraten in den Bundestag zurückkehren, ist sehr wahrscheinlich. Und die neue Fraktion wird eine starke mainfränkische Note haben. Daniel Föst, der FDP-Generalsekretär und Spitzenkandidat in Bayern, ist in Schweinfurt geboren und in Rhön-Grabfeld groß geworden, jetzt tritt er im Wahlkreis München–Nord an. Gleich hinter Föst folgt Karsten Klein (39, Aschaffenburg). Der FDP-Bezirksvorsitzende ist Spitzenkandidat für Unterfranken, als Direktkandidat steht er im Wahlkreis Aschaffenburg auf dem Stimmzettel. Klein gehört zu den wenigen liberalen Kandidaten, die bereits Parlamentserfahrung haben. Von 2008 bis 2013 war der Betriebswirt Abgeordneter im bayerischen Landtag. Dort hat er sich als Finanz- und Haushaltsexperte einen Namen gemacht, unter anderem auch bei der Aufklärung des Landesbank-Skandals um den Kauf der österreichischen Pleitebank Hypo Alpe Adria. Sollten die Liberalen also in einer künftigen Regierungskoalition in Berlin den Finanzminister stellen, dann käme womöglich sogar ein Staatssekretärposten für den 39-Jährigen infrage. Nicht reichen für Berlin dürfte es derweil für den nächsten Unterfranken auf der FDP-Bayern–Liste. Der Medizin-Professor Andrew Ullmann (54, Würzburg), der im Wahlkreis Würzburg antritt, belegt Platz zwölf.

AfD mit der Hochburg Main-Tauber-Kreis

Mit Spannung wird das Ergebnis der AfD erwartet. In Unterfranken kamen die Rechtspopulisten vor vier Jahren auf 3,7 Prozent, diesmal dürfte ihnen der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde auch zwischen Main, Steigerwald, Spessart und Rhön locker gelingen. In Unterfranken wird die AfD von Christian Klingen (52, Markt Einersheim) angeführt, er kandidiert im Wahlkreis Schweinfurt/Kitzingen, ist aber nicht über die Bayern-Liste abgesichert. Dort steht aus der Region allein Johannes Normann (49, Mömbris), der Direktkandidat in Aschaffenburg, allerdings auf dem aussichtslosen Platz 22. Mit größeren Wahlkampf-Aktivitäten hielt sich die AfD in Unterfranken weitgehend zurück, stattdessen traten nebenan in Tauberfranken zuletzt Björn Höcke und Alexander Gauland als Redner auf. Dort hatte die Partei bei der baden-württembergischen Landtagswahl 2016 mit 17,2 Prozent eine ihrer Hochburgen. Die seinerzeit gewählte Landtagsabgeordnete Christina Baum (61, Lauda-Königshofen) kandidiert nun für den Bundestag, ist allerdings nicht über die Landesliste abgesichert.

Den Spitzenplatz drei auf der CDU-Landesliste in Baden-Württemberg belegt Nina Warken (38, Tauberbischofsheim). Der Juristin, die seit 2013 in Berlin sitzt, dürfte der Wiedereinzug in den Bundestag ziemlich sicher sein. In Sachen Direktmandat wird sich im Wahlkreis Main-Tauber/Odenwald vermutlich wieder Alois Gerig (61, Höpfingen) durchsetzen. Er vertritt die CDU bereits seit 2009 in Berlin.

ÖDP in allen Wahlkreisen

Abseits der Parteien mit Aussichten, in den Bundestag einzuziehen, bewerben sich auch viele Kleinparteien. Bayernweit sind insgesamt 21 Gruppierungen zugelassen. Das Engagement der ÖDP sticht dabei hervor, sie hat in allen unterfränkischen Wahlkreisen Direktkandidaten aufgestellt. Das bekannteste Gesicht ist Raimund Binder (52, Würzburg), Mitglied im Stadtrat der Domstadt.

Lediglich im Wahlkreis Main-Spessart haben die bei Landtagswahlen so erfolgreichen Freien Wähler einen Bewerber aufgestellt – Robert Starosta (47, Würzburg). Die Bayernpartei und die Marxistisch-Leninistische Partei (MLPD) schicken in Schweinfurt Direktkandidaten ins Rennen, die Spaßpartei „Die Partei“, einst von Autoren des Satire-Magazins „Titanic“ gegründet, in Würzburg.

Andrea Kübert („mein Alter verrate ich nicht“), die eigenen Worten zufolge für eine „Bierpreisbremse“ und das „Recht auf Riesling“ eintritt, führt gar die bayerische Landesliste ihrer Partei an.

Barbara Rütting ist die älteste Bewerberin

Last but not least ist Unterfranken bei der V-Partei3 prominent vertreten, der Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer. Spitzenkandidatin und Listenführerin in Bayern ist die in Michelrieth, einem Stadtteil von Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart), lebende Barbara Rütting. Die Autorin und Schauspielerin feiert am 21. November ihren 90. Geburtstag. Sie ist die älteste aller 4828 Frauen und Männer, die sich am Sonntag um einen Sitz im Deutschen Bundestag bewerben. Rütting hat in den 50er Jahren große Kinoerfolge gefeiert, unter anderem in „Neues vom Hexer“ mit Klaus Kinski, „Operation Crossbow“ mit Sophia Loren, „Stadt ohne Mitleid“ mit Kirk Douglas sowie in der Hauptrolle als „Die Geierwally“.

Seit den 80er Jahren engagierte sich Rütting bei den Grünen, trat wegen der Zustimmung zum Kosovo-Krieg aus – und schließlich wieder ein. Die Grünen in Oberbayern, wo sie damals zu Hause war, nominierten sie 2003 für den Landtag. Rütting zog ins Parlament ein, wurde 2008 erneut gewählt, um 2009 zuerst als Abgeordnete zurückzutreten und kurz darauf auch noch die Partei wieder zu verlassen, nachdem Renate Künast in der Talkshow „Menschen bei Maischberger“ einen Fisch erschlagen hatte.

Für vegetarisches und veganes Leben streitet Rütting seit vielen Jahren in ihren Büchern, da kam ihr die Veganer-Partei gerade recht. Seit Ende 2016 ist sie dabei, im Fernsehspot der V-Partei3 spielt die 89-Jährige die Hauptrolle. Sie stehe für Frieden, gesunde Ernährung, Verbraucher- und Tierschutz, sagt sie im Gespräch mit dieser Redaktion. „Ich werde meinen Mund aufmachen, bis ich tot umfalle.“ 

Dorothee Bär
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  • N. K.
    @ Arcus: Das sind wir doch leider gewöhnt: Politiker*Innen auf Ministersesseln, zu denen ihnen jegliche fachliche Qualifikation fehlt.
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    @tagblatt_leser. Da haben Sie nicht ganz unrecht. Auch in der CSU gibt es Frauen, die Deutlich kompetenter als Bär sind. Scheinbar spielt aber in der CSU ein barbiepuppenhaftes Äusseres eine größere Rolle.
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    Da kann ich mich nur HeilHK anschließen. Bei Licht betrachtet schlägt die Grüne Frau Rottmann, die Murksmautstaatssekretärin um Längen. Nur weil die Bär nichtssagende, dümmliche Sprüche auf FB, Twotter &Co verbreitet, ist sie noch lange nicht als Digitalisierungsminister geeignet. Hätte sie da nur einen Hauch von Qualifikation, hätte sie in ihrem jetzigen Amt eine Menge bewegen können. Bär geht es nicht um die Bürger, Bär geht es ausschließlich um ihre Karriere. Dafür tut sie alles. Selbst für eine bürokratische Murksmaut ist sie sich nicht zu Schade. Wer auf den verschiedenen Wahlkampfveranstaltungen war, konnte feststellen, das es zum Problembär aus Ebelsbach deutlich bessere weibliche Alternativen gibt.
    Es gibt wohl in der Geschicjte der Bundesrepublik keine politische Spitze im Verkehrsminister, die so versagt hat wie das verkehrspolitische Geisterfahrergespann Dobrindt und seine unterfränkische Staatssekretärin Doro Bär.
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  • H. H.
    Jetzt malt den Teufel nicht an die Wand...
    Berlin hat nen Bär! Da muss nicht noch einer hin..
    Wieviel Doffbrind... verträgt Berlin bzw. das Land??
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