2006 war in Bayern der Bär los. "Problembär" Bruno hielt Politiker, Jäger sowie Bauern und Anwohner in Bayern und Tirol wochenlang auf Trab. Die Entscheidung, ob er in Ruhe gelassen, gefangen oder erschossen werden sollte, spaltete die Nation. In den Medien wurde der Braunbär zum umstrittenen Star. Selbst die New York Times berichtete über "Herr Bruno" und warnte, dass dieser kein Teddybär sei. 17 Jahre später ist Braunbär "JJ1", wie er offiziell hieß, wieder in aller Munde, da seine Schwester "JJ4" Anfang April einen Jogger in Norditalien tötete. Zudem wurden Mitte April spuren eines Bären in Oberbayern entdeckt. Und im Tiroler Lechtal tappte ein Braunbär unlängst in eine Fotofalle. Zeit, um auf die wohl am besten dokumentierte Bären-Reise aller Zeiten zurückzublicken:
2004 erblickt Braunbär "JJ1" im norditalienischen Naturpark Adamello-Brenta, das Licht der Welt, ganze 140 Kilometer entfernt von der deutsch-österreichischen Grenze. Benannt wird er nach seiner Mutter "Jurka" und seinem Vater "Joze".
Zwei Jahre später nähert sich der der junge Braunbär der deutschen Grenze. Am 10. Mai 2006 reißt er in Vorarlberg mehrere Schafe. In den folgenden Tagen kommt er der bayerischen Grenze immer näher. Im Tiroler Lechtal, unweit von Füssen, wird "JJ1" von einem Hüttenwirt entdeckt. Ihm gelingt es sogar, den Bären zu fotografieren. Seine Identität und Herkunft ist damals aber noch nicht bekannt.
Am 18. Mai 2006 verkündet der bayerische Umweltminister Werner Schnappauf: "Der Bär ist in Bayern willkommen." Lange hält die Willkommenskultur aber nicht an.
Denn am 20. Mai 2006 wird der Braunbär erstmals in Bayern gesichtet und zeigt wenig Menschenscheu. Im Grenzgebiet zu Österreich reißt er in den folgenden Wochen immer wieder Nutztiere. Über zwei Dutzend tote Schafe gehen auf das Konto der "braunen Gefahr", wie ihn die taz bezeichnet. Ministerpräsident Edmund Stoiber tauft "JJ1" den "Problembären". Die Bevölkerung in den betroffenen Gebieten soll in der Dunkelheit nicht mehr spazieren oder wandern.
Wenige Tage später wird das Tier zum Abschuss freigegeben. "Jetzt geht’s dem Bären ans Fell", titelt die Augsburger Allgemeine . Doch der mediale Hype um Bruno nimmt da gerade erst an Fahrt auf. Und der Bär selbst entwischt seinen Jägern immer und immer wieder, taucht mal bei Innsbruck auf, mal im Zillertal und immer wieder auch in Bayern.
Auch Brunos Mutter "Jurka" gilt als Problembärin
Am 29. Mai 2006 wird durch einen DNA-Abgleich klar, der Bär stammt aus Norditalien. Auch seine Mutter "Jurka" gilt als sogenannte Problembärin, zeigt also ein ungewöhnliches, für die Umgebung problematisches Beuteverhalten.
Am 1. Juni 2006 werden finnische Bärenjäger beauftragt, Bruno einzufangen. Mithilfe von fünf Spürhunden sollen sie das Raubtier ausfindig machen. Doch leichter gesagt als getan. "Immer wieder entwischt Meister Bruno", schreibt der Spiegel. In der Zwischenzeit ist eine Debatte darüber entbrannt, wie man dem "Problembären" Herr werden soll.
Die Süddeutsche Zeitung schreibt am 8. Juni 2006: "Das Vieh geht allen auf die Nerven: Es spaltet die Nation und kostet viel zu viel Geld." Für 4000 US-Dollar wird sogar eine eigens in Montana angefertigte Bärenfalle eingeflogen. Doch auch auf diese notdürftige List fällt Bruno nicht herein. Nach mehreren Wochen erfolgloser Spurensuche in den Alpen geben die finnischen Experten auf. Das Interesse an der unglaublichen Geschichte wird sogar so groß, dass die New York Timesauf Bruno aufmerksam wird.
Tierschützer schalten Todesanzeige in Münchner Tageszeitung
Erst über einen Monat nachdem zum ersten Mal seit über 170 Jahren wieder ein Braunbär in Bayern in freier Wildbahn entdeckt worden war, endet Brunos Streifzug jäh. In der Nähe des Spitzingsees in den oberbayerischen Alpenerlegen ihn am 26. Juni 2006 vier bis heute namentlich nicht bekannte Männer früh morgens. Anschließend wird das tote Raubtier in einer grünen Plane eingewickelt auf einem Anhänger nach München gebracht.
Die Kritik an der Bayerischen Staatsregierung ist groß. Im Münchner Merkur erschien gar eine Todesanzeige. Darin schreiben Tierschützer: "Bruno – an der Wahlurne rächen wir dich." An seiner Abschussstelle errichten Unbekannte Holzkreuze und Gedenktafeln. Und noch Wochen später trauern und demonstrieren zahlreiche Menschen in Schliersee. Der tote Braunbär hingegen wird in München erst tiefgefroren und später aufwendig präpariert.
Seit dem 26. März 2008 ist der ausgestopfte Bruno im Münchner Naturkundemuseum Mensch und Natur als Exponat in einem Glaskasten ausgestellt.