Die eigene Wohnung ohne wichtigen Grund verlassen, allein auf einer Parkbank sitzen und ein Buch lesen – zu Beginn der Corona-Pandemie im April 2020 war dies in Bayern verboten. Zu Unrecht, wie vor gut drei Wochen das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in letzter Instanz entschied. Das bayerische Verbot, alleine oder mit Mitgliedern des eigenen Hausstands einfach so im Freien zu verweilen, sei zu weitreichend und unverhältnismäßig gewesen, urteilten die Bundesrichter.
Der grundlose Aufenthalt im Freien war aber damals nicht nur verboten – es drohte auch ein Bußgeld: Im Zeitraum vom 1. bis 19. April 2020, in dem die nun höchstrichterlich beanstandete Klausel galt, wurden in Bayern wegen Verstößen gegen die Ausgangsbeschränkungen laut Gesundheitsministerium knapp 30.000 Bußgeldverfahren eingeleitet, davon exakt 2024 in Unterfranken.
Gut 22.000 fragliche Bußgelder in ganz Bayern, davon 1499 in Unterfranken
In gut 22.000 dieser Fälle wurde bayernweit schließlich auch ein Bußgeld verhängt – in der Regel bis zu 150 Euro. In Unterfranken gab es damals laut Statistik genau 1499 Geldbußen, darunter 221 im Landkreis Kitzingen, 169 in der Stadt Würzburg, 167 in der Stadt Schweinfurt, 169 im Landkreis Rhön-Grabfeld, 107 im Landkreis Haßberge, 97 im Landkreis Würzburg, 77 im Landkreis Schweinfurt und 35 im Landkreis Bad Kissingen.
"In Fällen, in denen das mit dem Bußgeld geahndete Verhalten nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte nicht hätte untersagt werden dürfen, sollte grundsätzlich ein Bußgeld auch zurückgezahlt werden können", erklärte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) kurz nach dem Urteil Ende November. Eine Regelung, wie diese Rückzahlung abgewickelt werden kann, sei bereits in Arbeit, hieß es damals.
Noch immer keine Rückzahlung: Ministerium verweist auf das Bundesgericht
Doch gut drei Wochen später gibt es dazu noch immer keine Klarheit. Das Gesundheitsministerium verweist zur Begründung auf das Gericht: Dieses hatte am 22. November zwar das Urteil mündlich verkündet. Mit der schriftlichen Urteilsbegründung sei aber "voraussichtlich nicht mehr in diesem Jahr zu rechnen", teilt das Ministerium mit.
Diese Begründung sei aber notwendig, um abschließend klären zu können, welche der vielen Bußgeldbescheide tatsächlich unrechtmäßig verhängt wurden. Denn bei den gut 22.000 Geldbußen wegen Verstößen gegen die Ausgangsbeschränkung handle es sich "nicht nur um Verhalten, das nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht hätte untersagt werden dürfen", erklärt eine Ministeriumssprecherin auf Nachfrage dieser Redaktion.
Welche Geldbußen aus dem April 2020 waren unrechtmäßig und welche nicht?
In der Tat bezieht sich das Urteil nur auf den Paragrafen 4 Absatz 2 und 3 der damaligen Corona-Verordnung. Darin wurde das Verlassen der eigenen Wohnung an "triftige Gründe" wie Berufsausübung, Einkäufe, Arztbesuche oder auch "Gassigehen mit dem Hund" geknüpft. Alle weiteren damaligen Corona-Einschränkungen wurden vom Gericht nicht beanstandet – weshalb auch mit diesen Verboten verbundene Bußgelder weiter rechtskräftig sind.
Klar scheint bisher nur, dass mögliche unrechtmäßige Geldbußen nur auf Antrag und nach einer Einzelfallprüfung durch die Kommunen vor Ort zurückerstattet werden sollen. Ab wann dies möglich sein könnte, lässt das Ministerium jedoch weiter offen: "Konkrete Hinweise zur Umsetzung werden derzeit erarbeitet und sodann an die zuständigen Behörden versandt", heißt es dort nur.