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Bildung
Schulleitung vergeblich gesucht: Familien bekommen Mangel zu spüren
An manchen Schularten müssen die Stellen im Rektorat oft mehrfach ausgeschrieben werden. Welche Folgen hat das? Ein Schulleiter erzählt.
DSC_3200       -  SchuleSchule / Corona / Grundschule / Wechselunterricht / Präsenzunterricht. Bild: Ulrich WagnerGrundschule Bobingen
Foto: Ulrich Wagner | SchuleSchule / Corona / Grundschule / Wechselunterricht / Präsenzunterricht. Bild: Ulrich WagnerGrundschule Bobingen
Sarah Ritschel
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:28 Uhr

Dem Schulleiter Torsten Bergmühl würden viele Kolleginnen und Kollegen einfallen, die er sich ohne weiteres an der Spitze einer Schule vorstellen könnte. "Absolut ganz ausgesprochen fantastische Kollegen" seien das, schwärmt der Rektor einer Grund- und Mittelschule im Landkreis München. Nur: Die meisten dieser Lehrkräfte wollen keine Schulleitungübernehmen. "Ich höre relativ oft, dass diese Lehrkräfte sagen: Ich habe Angst, dass ich als Schulleitung in Büroarbeit ertrinke. Dabei stehe ich doch am liebsten vor einer Klasse." 

Dass das Rektorat für Lehrkräfte kein erstrebenswertes Ziel ist, zeigen Zahlen aus einer Anfrage der Grünen im Landtag. Vor allem Stellen an der Spitze von Grund- und Mittelschulen sind unbeliebt. Für diese Schularten waren zum 1. August 2022 demnach 289 Leitungsstellen neu zu besetzen. Auf 137 davon gab es nur eine Bewerbung. 107 Stellen mussten sogar mehrmals ausgeschrieben werden. In der Regel übernehmen Konrektorin oder Konrektor, bis die Spitze wieder besetzt ist. An Gymnasien und Realschulen, wo sich die Leitungsaufgaben auf mehrere Menschen verteilen, sind die Chefposten begehrter, Mehrfachausschreibungen die Ausnahme.

In Schwaben sind 22 Rektorenstellen nicht besetzt

In Schwaben, das ergibt eine Nachfrage bei der Bezirksregierung, sind derzeit 22 von 638 Rektoren- und Konrektorenstellen an Grundschulen und Mittelschulen unbesetzt. Und: "Eine erneute Ausschreibung ist regelmäßig erforderlich", sagt ein Sprecher - etwa auch, weil Bewerberinnen und Bewerber das Anforderungsprofil der Stelle nicht erfüllen.

Torsten Bergmühl, 58 Jahre alt, seit etwa zehn Jahren Schulleiter und seit 2019 Rektor der Erich-Kästner-Schule in Höhenkirchen-Siegertsbrunn, überraschen die Zahlen aus Grund- und Mittelschulen "ganz und gar nicht". Verwaltungstätigkeiten und die planerische Arbeit am Stundenplan nähmen den Großteil seines Tages ein. Zusätzlich steht er pro Woche fünf Stunden im Klassenzimmer. An kleineren Schulen unterrichten die Chefs in der Woche sogar teils dreimal so viel. Die Leitungsaufgaben kommen obendrauf.

Als Familie in Bayern könnte man jetzt sagen: Was kümmert uns der Arbeitsaufwand von Schulleitungen? Und doch hängen der Einsatz der Führungskraft und die Qualität der Bildung dort unmittelbar zusammen. Bergmühls Einrichtung etwa ist Modellschule unter anderem im Programm "Digitale Schule der Zukunft", auch sonst läuft dort eine ganze Reihe an Projekten, die über den normalen Unterricht hinausgehen. "Aber sobald man als Schulleiter mit Herzblut dabei ist und sobald man irgendein Projekt übernimmt, ist das mit Mehrarbeit verbunden. Jedes kleine Bausteinchen verschlingt täglich Zeit." 

Auch der grüne Bildungsexperte Thomas Gehring aus dem Allgäu betont das: „Eine gute Schule gibt es nur mit einer guten Schulleitung. An Schulleitungen hängt das gesamte Schulmanagement, die Schulentwicklung und das pädagogische Profil einer Schule. Wenn es dafür nicht mehr genügend motivierte und engagierte Bewerberinnen und Bewerber gibt, dann leidet die Qualität der Grund- und Mittelschulen.“ Seine Partei fordert mehr Zeit für spezifische Schulleiter-Aufgaben und eine bessere Bezahlung der Posten. Bislang bekommt ein Konrektor monatlich nur rund 180 Euro mehr als eine erfahrene Lehrkraft, beim Rektor sind es je nach Dienstalter, Besoldungsstufe und Steuerklasse bis zu 400 Euro.

Rund 17 Prozent der Schulleitungen gehen in den nächsten fünf Jahren in Rente

Weniger Unterrichtsverpflichtung würde den Schulleitungen helfen. Nur - und daran zeigen sich wieder die Auswirkungen auf Schülerinnen und Schüler - herrscht an Bayerns Schulen Lehrkräftemangel. Ziehen sich die Chefinnen und Chefs ins Rektorat zurück, müssen deren Stunden irgendwie ersetzt werden.

In den kommenden fünf Jahren hört die Suche nach Führungskräften nicht auf. Bis dahin werden laut Kultusministerium rund 17 Prozent der bayerischen Schulleiterinnen und Schulleiter regulär in den Ruhestand gehen, weil sie dann 67 Jahre alt sind - also nicht ganz jeder fünfte. Hinzu kommen die, die freiwillig früher ausscheiden. Auch jetzt im Februar, zum Halbjahr, werden welche gehen.

Petition für bessere Arbeitsbedingen von Schulleitungen

Rektor Torsten Bergmühl aus Oberbayern hat das nicht vor. "Ich mache meinen Beruf mit großer Freude", sagt er trotz allem, "bin robust und fantasievoll." Weil aber nicht alle Kolleginnen und Kollegen so widerstandsfähig sind, hat der 58-Jährige vergangenes Jahr eine Petition gestartet, um die Lage der Schulleitungen zu verbessern. Mehr als 2400 Menschen haben sie unterschrieben, darunter etwa 70 Prozent Rektoren, schätzt Bergmühl. Die drei Top-Forderungen darin: zeitliche Entlastung durch weniger Unterrichtszeit, mehr Stunden für Verwaltungsangestellte in den Sekretariaten und eine Bezahlung wie an Förder- und Realschulen. Dort liegt der Lohn eine Tarifstufe höher als an einer großen Grund- und Mittelschule, was monatlich etwa 500 Euro brutto ausmacht. 

Einen Teil davon hat das Kultusministerium mittlerweile umgesetzt - nicht nur wegen der Petition, aber vielleicht auch ein klein wenig deshalb, jedenfalls hofft das ihr Initiator. Seit dem laufenden Schuljahr haben Chefs an Grund- und Mittelschulen pro Woche eine Stunde weniger Unterricht und damit eine Stunde mehr Zeit für andere Aufgaben. Bereits seit dem Schuljahr 2021/2022 bezahlt Bayern rund 100 zusätzliche Verwaltungsstellen für diese Schularten. Ob die Posten an der Spitze dadurch beliebter werden, muss die nächste Statistik zeigen.

 
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