
Immer weniger junge Menschen in Bayern wollen Lehrkräfte werden. Die Zahl der Studierenden, die sich für ein Lehramtsstudium entschieden haben, ist einer Statistik des Wissenschaftsministeriums zufolge innerhalb von fünf Jahren um fast 20 Prozent gesunken. Bundesweit ging die Zahl laut dem Statistischen Bundesamt um 17 Prozent zurück. Das ist besonders bedenklich, weil seit Jahren ein offenkundiger Lehrkräftemangel herrscht. Weil ausgebildete Kräfte zu Tausenden fehlen, ersetzen sie zunehmend Quereinsteigerinnen und -einsteiger, Studierende oder freiwillig in den Schuldienst zurückgekehrte Pensionäre.
Hatten sich im Jahr 2018 in Bayern noch gut 10.000 junge Menschen für ein Lehramtsstudium eingeschrieben, waren es 2022 lediglich 8058. Die einzige Ausnahme im Abwärtstrend war das Jahr 2020, als die Zahl der Erstsemester kurzzeitig auf 10.665 hochschnellte. Damals wurde die Zulassungsbeschränkung für das Grundschullehramt abgeschafft. Für das diesjährige Wintersemester, das eben erst begonnen hat, liegen noch keine bayernweiten Zahlen vor.
Schülerverhalten und Arbeitsbelastung sind größte Herausforderungen für Lehrkräfte
"Drei ganz wesentliche Punkte" für die sinkende Beliebtheit registriert Jonathan Zeller aus dem Vorstand der Abteilung für junge Lehrkräfte im Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband. "Natürlich schreckt die aktuelle Notsituation einen Teil der Studieninteressierten ab", sagt Zeller, der selbst an einer schwäbischen Mittelschule unterrichtet. "Jeder Praktikant, der hier an die Schule kommt, sieht, dass das Wesentliche – das Unterrichten –, weswegen wir uns für diesen Beruf entschieden haben, in den Hintergrund gerückt wurde. Stattdessen stehen vielerorts Bürokratie, schlecht funktionierende Ausstattung reparieren oder Vertretungen im Vordergrund." Das starre Bildungssystem entspreche ferner nicht dem, wie sich die Generation Z ihren Arbeitsalltag vorstellt. "Flexible Arbeitszeit, Homeoffice, Vier-Tage-Woche, all das ist in der freien Wirtschaft viel wahrscheinlicher." Hinzu komme ein "überholungsbedürftiges Studium. Wir brauchen ein flexibles Modell, in dem die Studierenden erst im höheren Semester entscheiden, an welcher Schulart sie unterrichten möchten."
Was bereits aktive Lehrkräfte in ihrem Beruf am meisten belastet, hat jüngst das Meinungsforschungsinstitut Forsa untersucht. Als größte Herausforderung nannte jeder und jede dritte Befragte das Verhalten ihrer Schülerinnen und Schüler – etwa Verhaltensauffälligkeiten, fehlenden Lernwillen und mangelnde Disziplin. An zweiter Stelle: hohe Arbeitsbelastung und Zeitmangel. Drei von vier Schulleitungen beklagten in einer vorausgegangenen Umfrage, wegen der Personalnot nicht allen Kindern gerecht werden zu können.
Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, nennt den Mangel an Studierenden "politisch mitverschuldet". Verbände fordern seit Jahren, "bei den Lehrkräften 30 Prozent über Bedarf einzustellen. Dann hätten wir jetzt kein Personalproblem. Aber das ist nicht passiert." Stattdessen habe man zeitweise ganze Jahrgänge nach dem Studium nicht verbeamtet.
Er kritisiert auch die fehlende Anerkennung der Gesellschaft für den Lehrerberuf. "Wie viel Geld ein Land in seine Lehrkräfte und Schulen investiert, hängt ja auch vom Wählerwillen ab", sagt Düll. Sein Eindruck sei, dass die Menschen in Bayern Steuergelder lieber in anderen Bereichen wie Straßenbau, innerer Sicherheit oder Krankenhäusern angelegt sehen wollen. Wer mehr Lehramtsstudierende wolle, müsse nicht in erster Linie am Studium etwas ändern, sondern an der Lage in den Schulen. "Man hört so viel Schlechtes aus den Schulen. Lehrer fehlen, die Gebäude stecken im Sanierungsstau. So bekommen potenziell neue Lehrkräfte natürlich nicht das Gefühl, dass Schule und der Lehrerberuf etwas wert sind." Düll ist dennoch der Überzeugung, "dass der Beruf es wert ist, ihn zu studieren".