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MÜNCHEN
Behindertenpolitik: VdK ist enttäuscht
Henry Stern       -  Obermeier/ Henry Stern
Henry Stern
 |  aktualisiert: 12.08.2015 19:22 Uhr

Der Sozialverband VdK ist von der Behindertenpolitik in Bayern enttäuscht: Der Freistaat fühle sich ja gerne als „Musterland in Deutschland“, sagte die VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher in München: „In Sachen Inklusion und Barrierefreiheit ist es das eindeutig nicht.“

Mascher erinnerte an das „vollmundige Versprechen“, von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) im Jahr 2013, Bayern binnen zehn Jahren barrierefrei zu machen. Davon sei in der realen Politik nicht mehr viel übrig: „Der bayerische Löwe hat wohl etwas zu laut gebrüllt.“

Die Gleichstellung von Behinderten sei aber kein Gnadenakt der Politik. Schließlich gelte auch in Bayern die UN-Behindertenrechtskonvention, die Barrierefreiheit in allen Lebensbereichen einfordere. „Teilhabe ist ein Menschenrecht, das ist nicht verhandelbar“, kritisierte Mascher.

„Der bayerische Löwe hat wohl etwas zu laut gebrüllt.“
VdK-Landesvorsitzende Ulrike Mascher zu Seehofers Versprechen in der Behindertenpolitik

Auch sei Behindertenpolitik keine Minderheitenpolitik: „Wir reden hier von 1,5 Millionen Menschen oder fast zwölf Prozent der bayerischen Bevölkerung, deren rechtmäßige Bedürfnisse aus Haushaltsgründen hintenangestellt werden“, erklärt die VdK-Chefin. Es komme nicht von ungefähr, dass die Vereinten Nationen die Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung in Deutschland ein selbstbestimmtes Leben zu führen, als „nicht ausreichend“ bezeichnen. Dies gelte auch für Bayern.

So belege der Freistaat im Bundesländer-Vergleich sogar nur den drittletzten Platz, was die Inklusion von Behinderten in Regelschulen betreffe. Und obwohl Eltern und Lehrer, die bereits selbst Erfahrungen gesammelt haben, der Inklusion gute Noten geben, hätten sich in einer aktuellen Umfrage sogar 41 Prozent der Lehrkräfte gegen einen gemeinsamen Unterricht ausgesprochen.

Aber auch die bauliche Situation vieler Schulen sei wenig behindertenfreundlich: Nur rund ein Viertel der Schulgebäude in Bayern sei barrierefrei. Nur rund vierzig Prozent hätten einen Aufzug, sechzig Prozent eine behindertengerechte Toilette. „Da ist noch Luft nach oben“, findet Mascher.

Gleiches gelte für die bayerischen Bahnhöfe – hier liege der Freistaat in puncto Barrierefreiheit im Ländervergleich auf dem viertletzten Platz. Ob – wie von Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) versprochen – ab 2018 wirklich 90 Prozent der Fahrgäste barrierefrei in die Züge gelangen können, bezweifelt die VdK-Vorsitzende: „Wir werden die Staatsregierung aber gerne an dieses Versprechen erinnern.“

„Eine der größten Baustellen“ für Menschen mit Behinderung sei in Bayern das Arbeitsleben: Nur rund ein Drittel der Schwerbehinderten im erwerbsfähigen Alter gehe derzeit auch tatsächlich einer Beschäftigung nach. Damit seien stolze 9,2 Prozent aller Arbeitslosen in Bayern schwerbehindert. An der Qualifikation könne die Einstellung eigentlich nicht scheitern, findet Mascher: Immerhin 54 Prozent der arbeitslosen Schwerbehinderten hätten eine abgeschlossene Ausbildung, 4,4 Prozent gar einen Hochschulabschluss.

Zwar seien Betriebe mit mehr als zwanzig Mitarbeitern gesetzlich zur Einstellung Behinderter verpflichtet. 61 Prozent der betroffenen Unternehmen kauften sich aber von dieser Verpflichtung frei – durch Zahlung einer „Ausgleichsabgabe“ von derzeit 290 Euro pro Jahr und unbesetztem Arbeitsplatz. Offenbar habe die derzeitige Höhe dieser Strafzahlung „für viele Unternehmen keinerlei motivierende Wirkung“, kritisiert Mascher. Eine „deutliche Erhöhung“ sei deshalb politisch geboten.

 
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