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Begleitetes Fahren
Der Führerschein mit 17 ist ein Erfolg
Vor 20 Jahren startete der umstrittene Modellversuch. Die Unfallzahlen sind seither deutlich gesunken. Trotzdem entscheiden sich immer weniger Jugendliche dafür.
20. Jahrestag - «Führerschein mit 17» in Niedersachsen       -  Erst Fahrschule und dann? Seit 20 Jahren können Fahranfänger in Deutschland in Begleitung eines Erwachsenen Erfahrungen sammeln.
Foto: Lars Penning, dpa | Erst Fahrschule und dann? Seit 20 Jahren können Fahranfänger in Deutschland in Begleitung eines Erwachsenen Erfahrungen sammeln.
Sonja Dürr
 |  aktualisiert: 25.04.2024 02:49 Uhr

Mit 17 Jahren schon am Steuer sitzen – das Konzept aus Niedersachsen löste 2004 einen Proteststurm aus. Das Bundesverkehrsministerium argumentierte, das Haftungsrisiko sei zu groß, zudem fehle eine rechtliche Grundlage. Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe versuchte gar, ein geplantes Modellprojekt zu stoppen. Ähnlich klang das beim ADAC, der die Verkehrssicherheit in Deutschland ernsthaft gefährdet sah. In Hannover aber hielt man an dem Modellversuch fest, allen Widerständen zum Trotz. Die Idee: Bereits mit 17 Jahren dürfen junge Menschen nach bestandener Führerscheinprüfung Auto fahren – aber nicht allein, sondern in Begleitung eines Erziehungsberechtigten. Am 19. April startete das Projekt in 18 Landkreisen und kreisfreien Städten. Ein Jahr später zog dann auch der Freistaat Bayern nach, 2008 gab es in allen Bundesländern die Möglichkeit.

Heute sind sich Experten einig: Das begleitete Fahren ist ein Erfolgsmodell. Das betont man bei der Deutschen Verkehrswacht. Und das bestätigen Erhebungen des Bundesamts für Straßenwesens. Danach waren junge Menschen, die vorher begleitet fuhren, in den ersten Jahren des Alleinfahrens 19 Prozent seltener an Unfällen beteiligt und begingen 18 Prozent weniger Verkehrsverstöße. Auch die Unfallzahlen von Fahranfängern insgesamt sind deutlich zurückgegangen. Verunglückten im Jahr 2000 noch 112.889 Autofahrerinnen und Autofahrer zwischen 18 bis 24 Jahren, sank die Zahl bis zum Jahr 2022 auf 53.703. Und während im Jahr 2008 nach Angaben des ADAC mehr als jeder dritte Unfall von einem Fahranfänger verursacht wurde, war es 2019 nur noch jeder Fünfte.

Im Schnitt sind 17-Jährige 1400 Kilometer in Begleitung am Steuer

Die Kritik, die es vor 20 Jahren noch am begleiteten Fahren gab, ist längst verstummt. Auch beim ADAC ist man heute voll des Lobes. "Der Führerschein mit 17 war und ist ein Gewinn", sagt Verkehrsexperte Alexander Kreipl vom ADAC Südbayern und betont vor allem das Plus an Sicherheit: "In der Regel sind die Fahranfänger 1400 Kilometer zusammen mit Eltern, Großeltern oder anderen Begleitpersonen unterwegs. In dieser Zeit sammeln sie extrem wertvolle Fahrpraxis." Zum Vergleich: In der Fahrschule sitzen sie vorher etwa 500 Kilometer am Steuer. 

Trotzdem verliert der Führerschein mit 17 zunehmend an Bedeutung. Ablesbar ist das schon an den Zahlen der Jugendlichen, die in diesem Alter die Fahrprüfung ablegen. 2011 machten noch gut 371.000 Männer und Frauen unter 18 Jahren den Autoführerschein. 2022 waren es nur noch 241.000. Nach Daten des ADAC nutzen derzeit weniger als die Hälfte der Führerscheinanwärter die Möglichkeit zum begleiteten Fahren ab 17 Jahren. 2009 waren es fast drei Viertel der Zielgruppe. 

Die Ursachen dafür liegen auf der Hand. Die Zeiten, als man pünktlich zum 18. Geburtstag auch den Führerschein auf der Zulassungsstelle abholen wollte, scheinen vorbei zu sein. Auto fahren ist jungen Menschen heute nicht mehr so wichtig, häufig wird der Führerschein erst später gemacht, betonen Verkehrsexperten. ADAC-Mann Kreipl schränkt aber ein: Gerade auf dem Land sei der Trend zum frühen Führerschein ungebrochen. "Und je ländlicher die Region, desto wertvoller ist das begleitete Fahren." 

Die Begleitperson muss mindestens 30 Jahre alt sein, seit fünf Jahren im Besitz der Fahrerlaubnis Klasse B sein und darf höchstens einen Punkt in Flensburg haben. Ein solch positives Beispiel neben sich zu haben, senke das Gefahrenpotenzial, betonen Experten. In Begleitung verhielten sich Fahranfänger anders, sagt ADAC-Mann Kreipl. Sie seien besonnener und aufmerksamer unterwegs, überholten vielleicht nicht an einer Stelle, an der sie es allein tun würden. 

Im Schnitt wird nur sieben Monate lang in Begleitung gefahren

Das Problem ist nur: Der Erfolg des Führerscheins mit 17 lebt von einer möglichst langen Begleitphase. Und viele schaffen es gar nicht, ein ganzes Jahr lang unter Aufsicht zu fahren – weil sie zu spät mit der Fahrschule beginnen oder die Ausbildung einfach dauert. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft hat ermittelt, dass das begleitete Fahren im Schnitt nur sieben Monate in Anspruch genommen wird. Der Verband setzt sich, ebenso wie der Verkehrssicherheitsrat und der ADAC dafür ein, das begleitete Fahren schon ab 16 Jahren zu ermöglichen. Ein Vorhaben, das sich auch die Ampelregierung in ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben. Doch daraus wird erst einmal nichts. Das europäische Recht lasse das derzeit nicht zu, heißt es aus dem Bundesverkehrsministerium. 

Dabei wollte Niedersachsen bereits vor sechs Jahren einen Vorstoß unternehmen, damit sich 16-Jährige unter Aufsicht ans Steuer setzen dürfen. Schon wieder Niedersachsen.

 
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