
Bayerns Polizeibeamte haben die Grenze ihrer Belastbarkeit „weit überschritten“. Das sagt Peter Schall, Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Bayern, die 12 000 aktive bayerische Beamte vertritt.
Seit Beginn der Flüchtlingskrise, so Schall, seien Bayerns Beamte nicht nur die üblichen 40 Wochenstunden im Dienst, sondern arbeiteten pro Woche oftmals 60 bis 70 Stunden. Das hielten auch junge, leistungsstarke Beamte nicht ewig durch. „Ich habe mit einzelnen Leuten gesprochen, die überlegen, ob sie nicht aufhören“, sagt Schall. Manche Beamte hätten wegen der Dauereinsätze an der Grenze ihre Familien und Freunde seit Wochen nicht gesehen.
Die Mehrarbeit hat laut Gewerkschaft der Polizei dazu geführt, dass Bayerns Beamte Hunderte von Überstunden angehäuft haben. „Dabei soll laut Innenministerium der einzelne Beamte die Zahl von 25 Überstunden nicht überschreiten“, sagt Schall. Im vergangenen Jahr sei es der bayerischen Polizei möglich gewesen, diesem Richtwert nahezukommen – man habe pro Person 31 Überstunden gezählt. In diesem Jahr aber hätten sich die Überstunden vervielfacht. Wie viele es sind, belegt Schall am Beispiel einer Einsatzeinheit der Würzburger Bereitschaftspolizei.
Zahlreiche Würzburger Beamte hätten schon im Juni zur Sicherung des G7-Gipfeltreffens im oberbayerischen Elmau Einsätze geschoben. „Nach dem G7-Gipfel hatten die Beamten im Schnitt schon 118 Überstunden pro Person angehäuft.“ Diese hätten die Beamten im Juli und August abbauen wollen – dann aber seien die Flüchtlinge und damit viele Extra-Einsätze gekommen. Die Beamten der Würzburger Einsatzeinheit seien an die bayerisch-österreichische Grenze abkommandiert worden. Außerdem hätten sie Pegida-Demos sichern müssen. „Mitte Oktober hatten Beamte dieser Einheit dann im Schnitt pro Kopf 230 Überstunden“, so Schall. Der Sprecher der Würzburger Bereitschaftspolizei (Bepo), Uwe Hückmann, bestätigt im Wesentlichen diese Angaben. Man habe auch „ganz wenige Einzelne, die sich um die 300 Stunden bewegen“. Der Münchner GdP-Sprecher Schall will sogar von Würzburger Polizisten mit 600 Überstunden wissen; das jedoch hält Hückmann für „absolut überhöht“.
Auf die Frage, wie die Beamten die Überstunden jemals abbauen könnten, weiß weder der Sprecher der Würzburger Bereitschaftspolizei noch der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei in Bayern eine Antwort. Polizeikräfte aus anderen Bundesländern, die die Bayern entlasten könnten, seien derzeit nicht zu kriegen, heißt es. Und auch auf den Nachwuchs könne man derzeit noch nicht setzen: 500 neue Polizistenstellen habe der bayerische Staat zwar gerade genehmigt – doch die jungen Kollegen müssten ja erst ausgebildet werden und seien frühestens in zweieinhalb bis drei Jahren einsatzbereit.
Was als einzige Option aus Sicht beider Polizeisprecher bleibt, ist eine grundsätzliche Verringerung der polizeilichen Aufgabenlast. So könnte aus Sicht der GdP die Begleitung von Schwertransporten Privatfirmen übertragen werden. Außerdem könnte die Zahl der Beamten, die Fußballspiele sichern, reduziert werden. Laut Schall sollte man sogar erwägen, Ermittlungen bei Verkehrsdelikten und leichten Verkehrsunfällen weniger aufwendig zu gestalten. Der GdP-Sprecher fordert zur Bewältigung der Krise bei der Polizei zudem die Einstellung vieler neuer Verwaltungskräfte, die den Beamten Schreib- und Dokumentationsarbeiten abnehmen könnten.
Bei der nächsten Sitzung des Innenausschusses des Bayerischen Landtags sollen diese Vorschläge diskutiert werden. Ende November verlangt das Innenministerium die Überstundenliste der Polizei. „Da wird es krachen“, sagt Schall.