München (dpa/lby) - Der bayerische Verfassungsschutz darf die AfD wegen des Verdachts auf verfassungswidrige Bestrebungen in der Partei beobachten. Das Verwaltungsgericht München wies eine Klage der AfD gegen die bereits 2022 bekanntgegebene Beobachtung mit seinem heute gesprochenen Urteil als unbegründet ab. Das Gericht habe in der dreitägigen mündlichen Verhandlung tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der AfD festgestellt.
So lägen Äußerungen vor, die auf „einem ethnisch-biologischen Volksverständnis basieren”, teilte das Gericht zur Begründung mit. Mit Blick auf Menschen muslimischen Glaubens soll demnach ein Bedrohungs- und Schreckensszenario aufgebaut, Deutsche mit Migrationshintergrund sollen demnach Menschenwürde-verletzend ausgegrenzt werden. Ein Teil der Äußerungen gehe über die für eine Oppositionspartei zulässige Kritik an der Regierung hinaus.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wertete das Urteil als Bestätigung für den Umgang des Verfassungsschutzes mit der AfD. „Nun gilt es, die Entwicklung der AfD weiter genau zu beobachten. Der Freistaat Bayern hat auch zur Verstärkung der Beobachtung von Rechts- und Linksextremisten sowie Islamisten das Personal des Verfassungsschutzes weiter verstärkt”, sagte der CSU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in München. Verfassungsfeindliche Bestrebungen könnten in einem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat nicht stillschweigend hingenommen werden.
Keine einzelnen verbalen Entgleisungen
Der AfD-Landesvorsitzende Stephan Protschka hatte zu Beginn der Verhandlung angekündigt, den vollen Instanzenweg ausschöpfen zu wollen. Das Gericht ließ allerdings zunächst keine Berufung zu. Eine Zulassung müsste die AfD über den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof beantragen. Heute sagte Protschka: „Dieses Urteil werden wir genau analysieren und alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen, um gegen diese Entscheidung vorzugehen.” Die politische Meinungsfreiheit werde durch das Urteil eingeschränkt.
Die Anhaltspunkte für eine einen Verdacht auf rechtsextremistische Tendenzen seien hinreichend und derart gewichtig, dass auch die Öffentlichkeit über die Beobachtung informiert werden könne, sagte der Vorsitzende der 30. Kammer am Verwaltungsgericht München, Michael Kumetz. „Eine Beobachtung nur einzelner Kreisverbände würde zu kurz greifen”, sagte Kumetz.„Die gewürdigten Äußerungen von Vertretern der AfD stellen sich nicht nur als einzelne verbale Entgleisungen dar.”
Die AfD hatte argumentiert, die Partei könne nicht verhindern, dass einzelne Mitglieder sich entsprechend äußern. Was in der Parteiführung bekanntwerde, könne auch sanktioniert werden - etwa durch Parteiordnungsverfahren und Ämtersperren. Auch Vertreter anderer Parteien äußerten sich bisweilen in einer Weise, die der jeweiligen Parteiführung nicht zupass komme, sagte der stellvertretende Landesvorsitzende Tobias Teich.
Urteil findet Zuspruch bei anderen Parteien
Die Beobachtung der AfD durch das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte bereits das Oberverwaltungsgericht Münster für rechtens erklärt. „Es ist gerade die Aufgabe des Verfassungsschutzes als demokratisches Frühwarnsystem, solche Bestrebungen frühzeitig in den Blick zu nehmen und die Bevölkerung darüber zu informieren. Mit der vorliegenden Entscheidung wird diese Aufgabe als wesentlicher Teil der wehrhaften Demokratie weiter bestätigt und gestärkt”, betonte Herrmann.
In der bayerischen Landespolitik wurde das Urteil der Münchner Richter auch von Vertretern anderer Parteien begrüßt. Damit sei klar: „Die AfD gefährdet unsere Demokratie”, sagte der SPD-Fraktionschef im Landtag, Florian von Brunn.
CSU-Generalsekretär Martin Huber betonte: „Ein Gericht bestätigt einmal mehr das Offensichtliche: Die AfD ist eine Bedrohung für unsere Verfassung und unser Land. Sie will raus aus der EU und würde Deutschland Putin auf dem Silbertablett servieren.” Er bezeichnete die AfD als einen „Hort für Verfassungsfeinde”.
AfD verlor bereits in zwei Instanzen
Der bayerische Verfassungsschutz hatte im Jahr 2022 bekanntgegeben, die AfD als Gesamtpartei mit nachrichtendienstlichen Mitteln zu beobachten, weil Anhaltspunkte für verfassungswidrige Bestrebungen bestünden. Dagegen hatte die AfD zunächst im Eilverfahren geklagt und in zwei Instanzen verloren. Am Verwaltungsgericht wurde in der Hauptsache verhandelt.
Der Verfassungsschutz hatte erklärt, auf nachrichtendienstliche Mittel wie etwa den Einsatz von V-Leuten bis zur gerichtlichen Klärung zu verzichten und bisher nur öffentlich zugängliche Quellen genutzt. Ob und wann ein Einsatz von V-Leuten geplant ist, ist offen.