Wenige Tage vor Beginn des Mordprozesses gegen Beate Zschäpe und vier weitere mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der rechtsextremen Terrorgruppe NSU hat Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) die Entschlossenheit bayerischer Sicherheitsbehörden im Kampf gegen Rechtsextremismus bekräftigt. Bei der Vorlage des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2012 räumte Herrmann ein, dass die Bereitschaft zu terroristischer Gewalt von Rechts im vergangenen Jahrzehnt „insgesamt unterschätzt worden ist“.
Konsequenzen in Bayern hat Herrmann schon gezogen. Hier gab es zwar, wie mehrfach berichtetet, keine derart eklatanten Ermittlungspannen wie in anderen Bundesländern. Eine Anfrage der Kriminalpolizei beim Verfassungsschutz im Zusammenhang mit den fünf NSU-Morden in München und Nürnberg aber war nur sehr zögerlich und aus Sicht der Kripo unbefriedigend beantwortet worden.
Mehr rechte und linke Gewalt
Deshalb wurde, um die Arbeit von Polizei und Verfassungsschutz besser zu verzahnen, im Ministerium eine Abteilung Verfassungsschutz eingerichtet. Sie soll ein Scharnier bilden zwischen den beiden Behörden, deren Aufgabenfelder laut Gesetz scharf abgegrenzt sind. „Ich lege größten Wert auf intensivste und vorbehaltlose Zusammenarbeit zwischen Polizei und Verfassungsschutz“, sagte Herrmann. Das „Trennungsgebot“ werde dabei beachtet, aber „Informationen sind kein Selbstzweck“.
Gleichzeitig ist beim Landesamt für Verfassungsschutz ein separates Sachgebiet Rechtsextremismus eingerichtet worden, um zukünftig die Beobachtung der rechten Szene zu verstärken. Personell aufgestockt worden ist auch die „Bayerische Informationsstelle gegen Extremismus“ (BIGE). Sie bietet Vorträge und Informationsmaterial für Schulen an und berät Kommunen, die mit rechtsextremistischen Aktivitäten konfrontiert sind.
Die nackten Zahlen über das Treiben von Rechtsextremisten in Bayern sprechen auf den ersten Blick nicht unbedingt für erhöhten Handlungsbedarf. Nach Erkenntnissen der Verfassungsschützer ist die Zahl der Rechtsextremisten in Bayern im Vergleich zum Vorjahr von 2450 auf 2200 gesunken, davon gelten rund 1000 als gewaltbereit. Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten erhöhte sich von 57 im Jahr 2011 auf 65 im Jahr 2012.
Zum Vergleich: Der linksextremistischen Szene rechnet der Verfassungsschutz rund 5000 Personen zu, von denen etwa 700 als gewaltbereit gelten. 99 linksextremistisch motivierte Gewalttaten, vor allem bei Demonstrationen, wurden vergangenes Jahr registriert. Das sind fast doppelt so viele wie 2011.
Dennoch musste laut Herrmann, die Aufmerksamkeit stärker auf den Rechtsextremismus gelegt werden. Dies sei aus zwei Gründen nötig: Zum einen wegen des bisher unterschätzten Potenzials zu terroristischer Gewalt, zum anderen, weil Rechtsextremisten und rechtsradikale Parteien immer mehr versuchen, „in der Mitte der Gesellschaft Fuß zu fassen“. Sie gründeten zum Beispiel Bürgerinitiativen, um mit Themen wie der Euro-Krise zu punkten, oder nutzen die Diskussion über den Bau von Moscheen, um Vorurteile zu wecken. Zudem versuchten sie, „im Zusammenhang mit der Einrichtung neuer Asylbewerberunterkünfte Ängste vor Überfremdung und Ausländerkriminalität zu schüren“.
Lob von den Grünen
Die Reaktionen auf diese Vorschläge im Landtag waren am Freitag geteilt. Die Grünen lobten Herrmann. Neue Akzente zu setzen, sei längst schon „überfällig“ gewesen. Kritik kam dagegen von der SPD. Sie gesteht Herrmann zwar „einzelne Einsichten“ zu, wirft ihm aber „Fehleinschätzungen und Verharmlosungen“ bei der Einordnung rechter und linker Gruppen insgesamt vor.