Der Borkenkäfer ist bekanntlich ein umstrittenes Insekt. Vor zwei Jahrzehnten hatte der Käfer im Bayerischen Wald für erbitterten Zwist zwischen Waldbesitzern und Umweltverbänden gesorgt. Die Fresskolonnen hatten die Fichtenmonokulturen befallen, die vor der Erhebung zum Nationalpark gepflanzt worden waren. Die Leiter des Parks schauten dem Treiben des gefräßigen Schädlings zu und weigerten sich einzugreifen – zum Entsetzen der Waldbesitzer.
Heute ist der Fichtenwald auf großer Fläche abgestorben, stattdessen wächst und gedeiht neuer Mischwald. Doch im Nordteil des Nationalparks beharren viele Unternehmen noch immer darauf, dass ein Wald, der nicht bewirtschaftet werden kann, nichts wert sei, sagt Regionalforscher Hubert Job. Ein Vorurteil, wie die Studie zeigt, die er über den Bayerischen Wald erstellte.
Laut Jobs Untersuchung wünscht sich noch immer ein Drittel der befragten Unternehmer der Region einen aufgeräumten Wald. Totholz und Borkenkäfer schaden dem Tourismus, ist ihre Sorge. Die Befragung von rund 2000 Besuchern ergab das Gegenteil. Nur drei Prozent der Touristen stören sich an kreuz und quer übereinanderliegenden Stämmen und Baumskeletten. Jeder zweite Besucher würde gar nicht kommen, wenn es ein ganz gewöhnlicher grüner Kulturwald wäre. „Für sie ist der Nationalpark mit den liegenden, vermoosten Stämmen die Hauptattraktion“, sagt Job.
In der Wildnis das natürliche Werden und Vergehen beobachten zu können lockt an. Doch dieses Alleinstellungsmerkmal des ältesten deutschen Urwalds werde deutlich unter Wert gehandelt und schlecht verkauft, sagt der Raum- und Umweltwissenschaftler. „Die Gastgeber leben ihren Gästen den Nationalpark viel zu wenig vor.“
Gut für die heimische Wirtschaft
Der 50-Jährige, der seit diesem Frühjahr an der Uni Würzburg den Lehrstuhl für Geographie und Regionalforschung leitet, erforscht unter anderem die regionalökonomischen Effekte von Naturparks und Biosphärenreservaten. In den Landkreisen Freyung-Grafenau und Regen ist das Schutzgebiet eindeutig die größte Attraktion. Mit erfreulichen Folgen für die heimische Wirtschaft: Die jährlich 760 000 Besucher lassen nämlich mehr als doppelt so viel Geld in der Region, als der Staat in den Park investiert, hat Job berechnet. 27,8 Millionen Euro macht der Jahresumsatz aus.
Ähnlich positive Effekte könne auch ein Nationalpark Steigerwald haben, vermutet der Professor. Die heftigen Debatten um das Projekt Steigerwald-Park erinnern ihn stark an die Diskussionen, die in Niederbayern vor Jahrzehnten geführt wurden. Vor allem die Erweiterung des Nationalparks 1997 war bei den Anwohnern umstritten. Dort, so die Studie, wisse man das Potenzial „Urwald“ vor lauter Skepsis und Ablehnung noch immer nicht zu nutzen. Im älteren Teil des Schutzgebiets sei man dem ungewöhnlichen Waldbild gegenüber inzwischen positiver eingestellt.
Wer den Borkenkäfer gewähren lässt, gefährde damit nicht automatisch die Entwicklung einer Region, sagt Job. Nur brauche es eben ein Bewusstsein für den Wert der Wildnis. Die Touristen im Bayerischen Wald haben es schon, die Einheimischen könnten mehr gebrauchen.