Bis zu 41 Meter hoch und insgesamt 1150 Meter lang ist der neue Baumwipfelpfad auf dem Radstein an der Bezirksgrenze zwischen Ober- und Unterfranken bei Ebrach geworden. Als „Leuchtturmprojekt“ soll er künftig im Paket mit dem Steigerwald-Zentrum im nahen Handthal von dem 435 Meter hohen Bergrücken am Westtrauf des Steigerwalds weit über die Region hinausstrahlen und jährlich über 150 000 Besucher anziehen. An die neun Millionen Euro lässt sich der Freistaat die Attraktion kosten.
Die Eröffnung nimmt Bayerns Landwirtschafts- und Forstminister Helmut Brunner an diesem Samstag, 19. März, zusammen mit dem Vorstandsvorsitzenden der Bayerischen Staatsforsten, Martin Neumeyer, vor. „Wir wollen das Lernen im Wald mit Erlebnis und Erholung kombinieren und damit für Kinder und Erwachsene noch attraktiver machen“, hat Brunner mehrfach betont.
Hauptattraktion auf dem Radstein ist der sich kelchförmig nach oben öffnende, über 40 Meter hohe Aussichtsturm aus Holz. Ihn erreichen die Wanderer nach rund zwei Dritteln der Länge des Pfades, dessen Stege bis zu 26 Meter über dem Boden durch den Wald führen. Die Auf- und Abstiegsrampe windet sich als Besonderheit über 640 Meter an der Außenseite des Turmes herum zur obersten Ebene mit dem kreisförmigen Umgang hinauf. Von dieser Plattform aus bietet sich ein Rundumblick in die waldreiche Landschaft des Steigerwaldes und sein Vorland.
Selbst Förster begeistert
Speziell der Blick in die Baumkronen des Laubmischwaldes ringsum begeistert schon jetzt selbst Förster, wie erste Begehungen zeigten. Schließlich sehen sie ansonsten die Baumwipfel allenfalls von der Arbeitsbühne eines Hubsteiger-Fahrzeugs von oben. Hier am Radstein hat man künftig das ganze Jahr über und zu den unterschiedlichsten Jahreszeiten die Gelegenheit.
Die im Bereich des barrierefreien Baumwipfelpfades anzutreffende Fauna und Flora wird auf dem ganzen Gelände zusätzlich an verschiedenen Spiel- und Informationsstationen vorgestellt und erklärt. Eine Wipfel-App für mobile Endgeräte darf im Zeitalter moderner Kommunikationsmittel natürlich auch nicht fehlen. Sie ergänzt die Informationen auf den Schautafeln mit interaktiven Elementen.
Holz überwiegend aus dem bayerischen Wald
Die auf dem Pfad verbauten 1430 Kubikmeter Douglasien- und Lärchenholz kommen überwiegend aus dem Bayerischen Wald, zum Teil auch aus Österreich. 260 Tonnen Stahl sorgen für die nötige Verbindung und Standsicherheit, wovon allein 180 auf den Turm entfallen.
Dessen 40 Meter lange Stützpfeiler waren mit Sondertransporten aus dem Werk in Österreich über die Autobahn A 3 bis zur Anschlussstelle bei Rüdenhausen und weiter über die B 286 bis Neuses am Sand und die B 22 auf den engkurvigen Radstein gebracht worden. Das denkmalgeschützte Ebracher Tor in Ebrach hatte eine Anlieferung über die B 22 aus Richtung Osten verhindert.
Dem für Besucher mit Rollstühlen und Kinderwagen geeigneten Pfad mit einer maximalen Steigung von sechs Prozent sind ein Spielplatz sowie das vorgelagerte Gastronomie- und Verwaltungsgebäude mit großer Außenbewirtschaftung im Sommer am Waldeingang angegliedert. Der neu errichtete, bei Bedarf erweiterbare und mit eigener Linksabbiegespur und einer Bushaltestelle versehene Besucher- und Wanderparkplatz an der auf dem Weg von Würzburg nach Bamberg vorbeiführenden B22 bietet 350 Personenwagen und zehn Bussen Platz. Für die Bewirtung der Besucher und Gäste in Selbstbedienung haben sich die Bayerischen Staatsforsten das Markt- und Service-Integrationsunternehmen (MSI) der Lebenshilfe Schweinfurt als Betreiber der Ausflugsgaststätte ins Boot geholt.
Das Tochterunternehmen der Lebenshilfe stellt auch das Personal für den Kassenbereich am im Wald gelegenen Eingang des Baumwipfelpfades und in dem in die Gaststätte integrierten Shop mit Souvenirs und regionaltypischen Produkten. Unter dem Strich kommen hier zehn Vollzeitstellen für Menschen mit und ohne Behinderung zusammen.
Geleitet wird der Pfad von Miriam Langenbucher. Ihre Stellvertreterin und zugleich Frau fürs Marketing ist Stefanie Hofmann. Komplettiert wird das hauptberufliche Team der Staatsforsten auf dem Radstein von einem Hausmeister, dem Teamleiter der Pfadführer, und zwei sogenannten „Startlern“, die das Start-Programm der Bayerischen Staatsforsten durchlaufen, bevor sie als Förster ihr eigenes Revier übernehmen. Zu diesen sechs Vollzeitkräften gesellen sich zwei Teilzeitkräfte im Büro und die Pfadführer als 450-Euro-Kräfte.
Ergänzung zum Steigerwald-Zentrum
Der Baumwipfelpfad ergänzt das Steigerwald-Zentrum im benachbarten, auf einem Verbindungsweg durch den Wald erreichbaren unterfränkischen Handthal. In der Informations- und Bildungsstätte am Waldrand geht es um das Thema Nachhaltigkeit in der Waldbewirtschaftung. Durch die Verbindung von Waldpädagogik, Erholung und Erlebnis sollen beiden Einrichtungen im Paket einen wichtigen Baustein des Gesamtkonzepts „Zentrum-Nachhaltigkeit-Wald“ im Steigerwald bilden und wesentliche Aspekte einer nachhaltigen Forstwirtschaft aufbereiten und veranschaulichen.
Der Weg zum Baumwipfelpfad Steigerwald war indes lange holprig. Mehrfach drohte das Projekt ins Wanken zu geraten. Die Euphorie und der Optimismus waren dabei anfangs so groß, dass man schon an eine Eröffnung im Jahr 2013 glaubte. Zuvor hatte man sich seitens der Bayerischen Staatsforsten im Januar 2012 per Blick vom Hubsteiger den Standort zwischen den Ballungszentren Würzburg, Schweinfurt, Bamberg und Nürnberg bei Ebrach ausgeguckt.
Ein privater Investor sollte es richten und war auch bald gefunden. Von den zwei Interessenten erhielt dabei der aus Unterfranken den Vorzug und Zuschlag. Er überzeugte die Verantwortlichen mit seinem auf die Region zugeschnittenen Konzept. Die Vertragsverhandlungen waren schon weit fortgeschritten, als der vorgesehene Betreiber im August 2012 ohne nähere Begründung per E-Mail mitteilte, dass er das Projekt nicht weiter verfolgen werde. Ihm war ganz offenbar der finanzielle Boden zu heiß geworden.
So wurden wieder die Verhandlungen mit dem zweiten Bewerber aufgenommen. Die Erlebnis Akademie AG aus Bad Kötzting als nationaler Marktführer in Sachen Baumwipfelpfad, hatte sich zunächst im Wesentlichen mit einer „Kopie“ ihrer Anlage im Bayerischen Wald beworben und war deshalb zunächst nur zweite Wahl. Nun schnitt sie ihr Konzept auf den Steigerwald zu.
Genehmigungen "durchgepeitscht"
Diesmal sollte es im Frühsommer 2014 mit dem Baumwipfelpfadbetrieb im Steigerwald losgehen. Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, war von der kleinen Gemeindeverwaltung und dem Gemeinderat in Ebrach die rechtskräftige Bauleitplanung als Voraussetzung für die Genehmigung des Bauantrags regelrecht „durchgepeitscht“ worden. Sogar die Sitzungsferien des Gemeinderats waren für die erforderlichen Sondersitzungen im Sommer 2013 gestrichen worden.
Am Ende hatten sich Gemeinde, Landratsamt und Ingenieurbüro umsonst gestresst. Zwar hatte noch im März die Erlebnis Akademie dieser Redaktion gegenüber Befürchtungen als völlig unbegründet zurückgewiesen, wonach der Baumwipfelpfad Steigerwald zugunsten eines Baumwipfelpfades im attraktiveren Nationalpark Schwarzwald auf der Strecke bleiben könnte. Doch im Mai folgte dann auf das klare Dementi über Nacht trotz der weit gediehenen Planungen auf der Zielgeraden der endgültige Ausstieg aus dem Projekt.
Die Beschaffung der Finanzmittel bei Banken und Kapitalanlegern für das Vorhaben im Steigerwald war endgültig gescheitert. Der Investor aus dem Bayerischen Wald verabschiedete sich stattdessen in den Nationalpark Schwarzwald und eröffnete dort nach nur dreieinhalbmonatiger Bauzeit noch 2014 bei Bad Wildbach den nächsten Pfad.
Die Gegner eines Nationalparks vom Verein Unser Steigerwald als auch die Befürworter vom Verein Nationalpark Nordsteigerwald haben angekündigt, die Veranstaltung zur Eröffnung des Baumwipfelpfades am Samstag zum Anlass zu nehmen, um für die von ihnen vertretenen Positionen zu demonstrieren. So kommt es zu einem erneuten Schlagabtausch beider Lager in dem seit über acht Jahren verbittert geführten Streit um einen Nationalpark auf Staatswaldgebiet im Steigerwald, wie zuletzt am 1. März bei einem Besuch von Minister Markus Söder in Gerolzhofen.
Der Baumwipfelpfad wird den Konflikt nicht lösen. Man kann aber davon ausgehen, dass er der Steigerwald-Region einen Bekanntheits- und Besucherschub verleihen wird, weil er die Schönheit der Laubmischwald-Landschaft aus einer neuen Perspektive zeigt.
Baumwipfelpfad im Steigerwald
Nach dem Festakt zur offiziellen Eröffnung am Samstag, 19. März, ist der Baumwipfelpfad Steigerwald für alle Interessierten bei freiem Eintritt von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Ebenso gilt am Sonntag, 20. März, beim Familientag von 10 bis 16 Uhr freier Eintritt. Danach muss ab Montag, 21. März, regulärer Eintritt gezahlt werden.
Geöffnet ist der Baumwipfelpfad der Bayerischen Staatsforsten auf dem Radstein bei Ebrach bis 31. Oktober täglich von 9 bis 18 Uhr, danach in den Wintermonaten vom 1. November bis 31. März 2017 von 10 bis 16 Uhr.
Erwachsene zahlen für die Tageskarte neun, Kinder von sechs bis 16 Jahren sechs Euro Eintritt. Ermäßigungen gibt es für Menschen mit Handicap, Schüler ab 15 Jahre, Studenten, Auszubildende und Senioren sowie Kinder- und Erwachsenengruppen. Auch an Familien und erwachsene Singles mit Kindern wurde preislich gedacht. Zudem besteht die Möglichkeit zum Erwerb entsprechender Jahreskarten.
Kontakt: Baumwipfelpfad Steigerwald, Tel. (0 95 53)-989-80102, E-Mail: info-baumwipfelpfad@baysf.de