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WÜRZBURG
Bauernverband: "Erdkabel sind kein Allheilmittel"
Claudia Kneifel
 |  aktualisiert: 08.11.2015 03:39 Uhr

Der Bayerische Bauernverband befürchtet Nachteile durch die von der Bundesregierung verstärkt geplante Erdverkabelung von Stromtrassen. Die Landwirte haben Sorge, dass dadurch gravierende Eingriffe in den Boden und seine Struktur zu erwarten seien. „Das Gleichstromkabel in der Erde führt zu einer Erwärmung des Bodens. Diese Eingriffe können zu dauerhaften Produktionseinbußen auf landwirtschaftlichen Flächen führen“, sagte Wilhelm Böhmer, Direktor des Bayerischen Bauernverbands für Ober- und Unterfranken.

Zudem sei mit einem hohen Flächenverbrauch für Übergangswerke zu rechnen. Der Bauernverband stellte sich damit gegen den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Horst Seehofer, der in Verhandlungen mit dem Bund auf Erdkabel gedrängt hatte. Den Vorrang von Erdkabeln vor Freileitungen bei den umstrittenen Stromautobahnen Suedlink und der Gleichstrompassage Süd-Ost verbucht die CSU als großen Erfolg. „Er wird zu einer höheren Akzeptanz der Bürger beim Netzausbau führen, der wichtig ist für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende“, sagte die CSU-Bundestagsabgeordnete Anja Weisgerber.

Auch Naturschützer sehen ihre Forderungen erhört: „Erdkabel stellen an vielen Stellen die wichtigste technische Alternative zu raumgreifenden Freileitungen dar. Durch sie werden etwa Vogelkollisionen mit Leitungen verhindert und unsere Landschaften geschont“, erklärt Eric Neuling, Referent Stromnetze beim Naturschutz Bund (NABU).

Die Netzbetreiber jedenfalls müssen nach diesem Beschluss ihre Planungen ziemlich von vorne anfangen. Denn für Erdkabel gelten ganz andere Vorgaben als für Freileitungen, besonders beim Naturschutz. Bei Freileitungen spiele der Vogelschutz eine zentrale Rolle. Bei Erdkabeln dagegen sind es Moore, Flusstäler, Wälder und andere besondere Gebiete. Robert Herold, parteiloser Bürgermeister im Markt Burgsinn (Lkr. Main-Spessart), befürchtet, dass „wir jetzt mehr Probleme haben als vorher“. So soll der Strom über Korridore unterirdisch durch den Kreis Main-Spessart nach Grafenrheinfeld geleitet werden. „Betroffen wäre nun der enge Sinngrund“, so Herold, der – wenn nötig – gegen die Trassen klagen wird.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Bernd Rützel hat aus vielen Gesprächen mit Bürgern ein deutliches Votum für Erdkabel bekommen. „Ein Allheilmittel sind Erdkabel nicht. Es muss für jeden einzelnen Trassenabschnitt die beste Lösung unter Abwägung der verschiedensten Interessen gefunden werden“, sagt Rützel. Das sei mit viel Aufwand verbunden, den der SPD-Politiker aber für „mehr als angemessen“ hält.

Die Neuplanungen bedeuten jedenfalls mindestens drei Jahre Zeitverlust, heißt es beim Netzbetreiber Tennet. „Horst Seehofer hat durch sein spätes Aufspringen auf den Proteststurm zu unnötigen Verzögerungen und Kehrtwenden beigetragen, die der Akzeptanz der Energiewende eher geschadet als gedient haben“, denkt NABU-Referent Neuling.

Erdkabel sind im Gegensatz zu Freileitungen eine Wohltat für das Landschaftsbild. Dennoch werden sich auch die Erdkabeltrassen laut Experten wie Schneisen durch das Land ziehen. „Eine Erdkabeltrasse ist je nach Übertragungskapazität etwa 20 bis 40 Meter breit und muss laut Betreiber komplett frei bleiben von tiefwurzelnden Pflanzen“, beschreibt Tennet-Pressesprecher Markus Lieberknecht. Ackerbau und Viehhaltung seien zwar möglich, aber mit Einschränkungen. Denn bei Störungen müssen Notfalltrupps die Trasse jederzeit aufgraben können.

Der Bayerische Bauernverband führt bereits erste Gespräche über Entschädigungsfragen: „Tennet tut alles, um Flurschäden zu vermeiden. Entstehen dennoch welche, müssen diese vom Vorhabenträger wiederhergestellt oder monetär entschädigt werden. Ernteausfälle im Zuge der Baumaßnahmen müssen auch entschädigt werden“, sagt der Unternehmenssprecher weiter.

Fakt ist, dass der Bau einer unterirdischen Stromautobahn viel komplizierter ist, als der einer jeden Freileitung. Bei der Verlegung eines Erdkabels muss in vielen Fällen der Boden komplett ausgetauscht werden, um Halt und Stabilität der Leitungen zu gewährleisten. „Bisher fehlen die nötigen Erfahrungen über die Auswirkungen der Erdverkabelung im Höchstspannungsbereich bei Gleichstrom“, gibt Böhmer vom Bauernverband zu bedenken. „Die Verlegung der Kabel erfordert eine ökologische Baubegleitung“, fordert NABU-Experte Eric Neuling.

 
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  • H. E.
    Ein Großteil unsrer Landwirte sind subventionierte Geldgesteuerte.

    Für sinnlose Windräder, incl. Bodenversiegelung stellen sie ihre Flächen zu Verfügung, stecken die Kohle ein, ohne mal drüber nachzudenken für was!

    Bin mal gespannt wie es mit dem Aufräumen, Haftungskosten mit dem sinnlosen undurchdachten Spargelsalat aussieht.

    Vorschlag: die Bodenflächen für Erdverkablung sollten ebenfalls mit Pachtzahlungen subventioniert werden, dann gäbs auch hier keine Probleme.
    Wir hätten Erdverkabelung-, Trassenbauflächen zur Verfügung ohne Ende.

    Ergebnis: die Subventionsgeldgier wäre auf Kosten der Normalbürger gestillt.
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  • A. H.
    Ausgerechnet der Bauernverband - wobei eh erst mal zu fragen wäre, ob unsere paar verbliebenen und industriemäßig arbeitenden Landwirte sich überhaupt noch als Bauern im eigentlichen Sinn des Wortes bezeichnen dürfen - dessen Mitglieder jahrzehntelang durch Überdüngung und übermäßigen Pestizid-Verbrauch Böden und Wasser verseucht haben, durch Monokultur eine Verarmung der Landschaft geschaffen haben, die Flur durch Bereinigungen ausgeräumt haben und mit 'ihrem "Wirtschaften" viele heimische Tiere und Pflanzen an den Rand des Aussterbens gebracht oder gar schon ausgerottet haben warnt vor Eingriffen???!!!
    Doch, einer Tierart haben sie auch geholfen: Mit ihren ansonsten lebensfeindlichen und verarmten Maisäckern haben sie die Wildschweine geradezu herangezüchtet!
    Mir sagte vor einigen Jahren mal ein forscher Junglandwirt, der damals überwiegend Getreide für Energie-Zwecke anbaute: "Ich erzeuge jetzt keine Lebensmittel mehr für Leute wie Sie, ich bin jetzt Energiewirt".
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