
Mit den traditionellen Funkenfeuern, die im Allgäu am ersten Sonntag der Fastenzeit entzündet werden, hat das nichts mehr zu tun: In der Nacht zum Montag brannten im Ober- und Ostallgäu Heuballen und Autoreifen an zwölf Kreisverkehren. Die Polizei ermittelt wegen Sachbeschädigung durch Brandlegung. Die Ermittler gehen davon aus, dass es Protestaktionen waren, da auch eine Ampel an einem Galgen oder ein Sarg in der Nähe der Feuer gefunden wurden – Symbole, wie sie zuletzt bei Protesten der Landwirte aufgetaucht sind.
Je größer die Bewegung wird, desto aggressiver werden die Proteste
Längst geht es dabei nicht mehr nur um die geplante Abschaffung der Agrardiesel-Behilfe. Den Protesten haben sich auch andere Berufsgruppen angeschlossen wie Handwerker und Spediteure. Von Mittelstandsdemos ist inzwischen die Rede. Doch je größer die Bewegung wird, desto aggressiver werden auch die Proteste.
Im baden-württembergischen Biberach, eine halbe Autostunde von Neu-Ulm entfernt, hat sich das am Aschermittwoch gezeigt. Dort kam es bei Protesten von Landwirten zu gewaltsamen Ausschreitungen vor der Stadthalle, die Grünen sagten daraufhin die Veranstaltung ab. Für Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist "eine rote Linie überschritten". Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) sagte, die Bauern hätten ihrer Sache "einen Bärendienst erwiesen". Spricht man mit Landwirten, die vor Ort demonstriert haben, ist die Rede von Polizisten, die ohne Ankündigung Pfefferspray eingesetzt hätten, von Teilnehmern, die unvermittelt tätlich angegriffen worden sein sollen. "Ich habe keinen einzigen gewaltbereiten Landwirt gesehen", sagt einer, der dabei war. Der Vorfall ist zum Politikum geworden.
Der Bauernverband hat sich klar von den Vorfällen in Biberach distanziert. Dennoch mehren sich die Stimmen, dass der mächtigen Lobbyorganisation die Proteste zunehmend entgleiten. Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbands, winkt ab: "Da entgleitet gar nichts." Der Verband habe keine Kenntnis von der Aktion in Biberach gehabt, erst recht habe man keinen Einfluss auf einzelne Landwirte. Felßner betont: "Wir brauchen jetzt keine drakonischen Bilder. Wir brauchen Aktionen, die uns die Sympathie der Menschen erhalten."
Bauernverband distanziert sich von gewaltsamen Aktionen
Im Bauernverband ärgern sich viele in diesen Tagen über die Bilder brennender Kreisverkehre oder über Vorkommnisse wie in Fischen, beim Politischen Aschermittwoch der Oberallgäuer Grünen. Zuerst diskutierten Landwirte dort noch mit Katharina Schulze, der Fraktionsvorsitzenden im Landtag, später standen Demonstranten an den Fenstern des Kurhauses, läuteten mit Schellen, rüttelten an den Jalousien. Die Polizei verhinderte Schlimmeres.
Andreas Hummel, Kreisobmann im Oberallgäu, distanziert sich klar von solchen Aktionen. "Das ist nicht der Stil des Bauernverbands. Und in der Sache ist das kontraproduktiv." Der 42-Jährige räumt aber auch ein, dass sich der Verband "verdammt schwer" tue, die Proteste überhaupt noch in Bahnen zu lenken. Aktionen könne auch jeder Einzelne anmelden. Und über Whatsapp-Gruppen formierten sich Protestwillige binnen kürzester Zeit. "Das haben wir nicht unter Kontrolle. Es gibt immer ein paar Heißsporne, denen es zu langsam geht." Auch Christian Hartmann von "Landwirtschaft verbindet Bayern" (LSV) betont: "Wir sind für solche Aktionen nicht zu haben. Das bringt uns nicht weiter."
Hört man sich bei den Landwirten um, gehen die Meinungen weit auseinander. Da gibt es die, die ratlos sind, weil sich die Bundesregierung nicht bewegt, weil nun sogar neue Auflagen drohen – ein baldiges Verbot der Anbindehaltung für Rinder etwa. Andere sind überzeugt, dass man mit den Bürgerinnen und Bürgern im Gespräch bleiben muss, dass Aufklärungsarbeit nötig ist, um etwas zu erreichen. Und dann gibt es die, die schärfere Protestformen fordern – ganz nach dem Vorbild der französischen Landwirte, die zuletzt Autobahnen mit Traktoren und Heuballen blockiert hatten. Sowohl der Bauernverband als auch der LSV, der vor allem jüngere Landwirte über Whatsapp mobilisiert, haben wiederholt betont, dass sie das nicht wollen.
Es knirscht zwischen Bauernverband und LSV
Trotzdem knirscht es immer wieder zwischen dem Bauernverband, dem nach wie vor die meisten Landwirte angehören, und dem LSV. Beim Bauernverband ärgert man sich über unangemeldete und angemessene Aktionen, beim LSV, dass sich der Bauernverband immer wieder anmaße, solche Proteste zu kritisieren. Und: Viele sind vom deutschen Bauernpräsidenten Joachim Rukwied enttäuscht, der zuerst betont hatte, es werde beim Agrardiesel keinen Kompromiss geben, und jetzt gar nichts mehr sage. Sein Kollege Felßner betont, im Moment würden viele Gespräche geführt. Er setzt noch immer darauf, dass der Bundesrat die Agrardiesel-Entscheidung der Bundesregierung kippt. "Die Chance ist gegeben."