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Ausbildung
Der älteste Azubi Bayerns: Heinz Waldenmaier ist 67 und will Metzger werden
Im Hotel, in der Justiz, beim Grenzschutz: Heinz Waldenmaier hatte schon viele Berufe. Mit 67 Jahren startet er ein neues Kapitel - und ist nun Metzgerlehrling.
Paula Binz
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:47 Uhr

Die Mitarbeitenden im Finanzamt dürften nicht schlecht gestaunt haben, als sie Heinz Waldenmaiers Unterlagen auf dem Tisch liegen hatten. Der 67-Jährige hat nicht nur Anspruch auf seine wohlverdiente Rente - sondern bezieht auch ein Gehalt als Auszubildender. Seit September absolviert Waldenmaier eine Metzgerlehre in Rottach-Egern, Landkreis Miesbach. 

Dort hat sich die Nachricht wie ein Lauffeuer verbreitet, nach und nach wurden Zeitungen und Fernsehsender auf Waldenmaiers ungewöhnliche Entscheidung aufmerksam. "Bayerns ältester Azubi" lautet der Titel, den der 67-Jährige in vielen Berichten verliehen bekommt, in manchen wird er sogar als ältester Lehrling Deutschlands bezeichnet - was stimmt denn nun? "Das ist mir vollkommen wurscht, ich hab' einfach nur Freude an dem, was ich tue", sagt der Oberbayer nüchtern. 

Waldenmaier betreibt auch ein Gästehaus und ein Hotel am Tegernsee

Waldenmaier ist wohl so etwas wie der Inbegriff des blühenden Lebens. An diesem Mittag hat er bereits ein straffes Programm hinter sich. "Ich stehe um halb fünf auf und kümmere mich dann zuerst um das Frühstück für unsere Gäste", erzählt Waldenmaier im Telefonat. Seit Jahrzehnten betreibt der 67-Jährige, gemeinsam mit seiner Frau, ein Gästehaus in Rottach-Egern und ein Hotel am Tegernsee. Den Gästebetrieb aufgrund der Lehre aufzugeben, kommt für Waldenmaier nicht in Frage.

Wenn das Frühstück bereit steht, geht es weiter in den Ausbildungsbetrieb, eine Rottacher Metzgerei. "Heute habe ich das erste Mal Gelbwurst abgebunden", berichtet Waldenmaier mit einem Funken Stolz in der Stimme. Kuttern, also Brät machen, beherrsche er bereits. Nach seiner Arbeit in der Metzgerei kümmert sich Waldenmaier um organisatorische Aufgaben im Gästehaus. "Das Ganze unter einen Hut zu bekommen, ist schon sportlich, aber ich fühle mich nach wie vor fit", sagt der gelernte Hotelkaufmann.

"Ich mache aus einem Tier ein Mittel zum Leben"

Die Metzgerlehre ist Waldenmaiers vierte Ausbildung. 30 Jahre lang war er Beamter - erst in der Justizverwaltung, dann beim Grenzschutz. "Ich habe bislang viel mit Papier und Akten gearbeitet, da ist die Metzgerlehre eine ganz andere Erfahrung", sagt Waldenmaier. "Ich genieße es sehr, dass ich mit meinen Händen etwas herstelle, das anderen Menschen zugute kommt." Seine Fleisch- und Wurstwaren bezeichnet der Lehrling bewusst nicht als Lebensmittel, sondern als "Mittel zum Leben". Die Intention: Mehr Bewusstsein und Wertschätzung dafür zu schaffen, dass es sich bei der Wurst auf dem Teller einmal um ein Tier gehandelt hat, das nun der menschlichen Ernährung dient. 

Als die Fleischindustrie vor etwa zwei Jahren von Skandalen erschüttert wurde, war das für Waldenmaier ein Wendepunkt: "Von da an wollte ich wissen, wie es wirklich in Schlachtbetrieben und Metzgereien zugeht." Kurzentschlossen meldet er sich für einen Schlachtkurs in Kulmbach an. "Das Bild des kaltblütigen Schlachters hat sich für mich nicht bestätigt", sagt Waldenmaier. "Gute Metzger wollen auch nicht, dass das Tier gestresst ist, weil sich das auf die Fleischkonsistenz auswirkt." Der Schlachtkurs hat Waldenmaiers Neugierde erst recht geweckt. Er geht einen Schritt weiter - und bewirbt sich als Lehrling beim letzten verbliebenen Metzger in Rottach-Egern.

Waldenmaier wünscht sich mehr Wertschätzung für den Metzgerberuf

Überall in Deutschland verschwinden Metzgereien aus den Ortsbildern - eine Entwicklung, die Waldenmaier sehr bedauert: "Es heißt zwar immer: Kauf' beim Metzger deines Vertrauens ein. Aber wenn es so weitergeht, wird es diese Metzger bald nicht mehr geben." Mit seinen Interviews möchte der 67-Jährige den aussterbenden Beruf sichtbarer machen. 

Wie wenige junge Menschen sich für eine Metzgerlehre entscheiden, zeichnet sich auch in der Berufsschule in Rosenheim ab. Mit nur etwa zehn anderen Lehrlingen lernt Waldenmaier dort einmal die Woche alles über Fleisch- und Wurstwaren. Die meisten seiner Klassenkameraden sind zwischen 15 und 18 Jahre jung. "Am Anfang waren die natürlich irritiert, was denn so ein älterer Herr bei ihnen im Klassenzimmer treibt", erinnert sich Waldenmaier und lacht. "Nach zwei, drei Wochen war dann aber klar, dass auch ich allen Blödsinn mitmache." 

"Ich möchte genauso behandelt werden wie ein 15-jähriger Lehrling auch"

Auch von seinen Lehrern und seinem Meister möchte der Rottacher so behandelt werden "wie ein 15-jähriger Lehrling" auch. "Ich schrubbe genauso jeden Tag den Boden", betont Waldenmaier. Eine Ausnahme gibt es für den 67-Jährigen dann aber doch: Er darf seine Lehre von drei auf zwei Jahre verkürzen. Waldenmaiers Traum vom Gesellenbrief soll also schon im nächsten Sommer in Erfüllung gehen.

 
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