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Augsburger Plärrer
Im letzten Zug von Augsburg nach Buchloe: Feiernde nach dem Plärrer
Für viele Feiernde, die nachts nach Hause wollen, ist der Bahnhof Buchloe Endstation. Im letzten Zug treffen zwei Welten aufeinander.
Matthias Kleber
 |  aktualisiert: 25.04.2024 02:49 Uhr

„Wahnsinn, warum schickst du mich in die Hölle?“, schallt es aus dem tragbaren Lautsprecher, den der junge Mann in Lederhose und Karohemd in seiner rechten Hand hält. Um ihn herum: eine handvoll weitere Menschen, in Tracht gekleidet. Sie stehen im Waggon, rufen „Hölle, Hölle, Hölle, Hölle“ und prosten sich gegenseitig zu. Ein paar Schritte weiter sitzt ein Mann im Anzug, er stopft sich Oropax in die Ohren, nimmt seine Aktentasche auf den Schoß und schüttelt den Kopf.

Endstation Buchloe: Plärrer-Besucher auf dem Weg ins Allgäu

Wenn der Augsburger Plärrer, das nach eigenen Angaben größte Volksfest Bayerisch-Schwabens, zu Ende geht, strömen die Menschenmassen zum Bahnhof. Ein jeder will einen Platz im Zug in die Heimat ergattern – am besten einen Sitzplatz. So auch am vergangenen Wochenende: Rappelvoll sind die Abteile im letzten Zug in die Gennachstadt, der kurz nach Mitternacht in Augsburg abfährt.

Zwischen die Feiernden haben sich auch zahlreiche andere Leute gemischt, manche mit viel Gepäck – Koffern, die über ihnen in der Gepäckablage liegen – andere in Radlermontur. „Wir sind mit dem Rad nach Augsburg gefahren und nehmen jetzt die Bahn nach Buchloe zurück“, verrät einer der Fahrgäste. Und dann gibt es da noch den Mann im dunklen Anzug, der gerade von einem der Plärrer-Gänger angelallt wird: Ob er auch „ein Bierchen“ wolle? Der Zug der Bayerischen Regiobahn (BRB) setzt sich in Bewegung.

Darf man im Zug Bier trinken und Döner essen?

Personen, „die unter Einfluss alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel“ stehen, sind von der Beförderung ausgeschlossen. So steht es in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen der BRB. In den Richtlinien zum richtigen Verhalten im Zug und am Bahnhof heißt es weiter: „Bitte geruchsintensive Speisen wie Döner, Leberkäs-Semmel und Hendl außerhalb des Zuges essen“ und „kein zu lautes Musikhören, Musizieren und Telefonieren“. Weder an das eine noch an das andere hält sich so mancher Fahrgast an diesem Abend.

Eine junge Frau im Dirndl beißt genüsslich in einen Burger aus einer bekannten Fastfood-Kette, während der Mann mit dem Lautsprecher, aus dem ein Wolfgang Petry-Hit nach dem anderen dröhnt, gerade mit einem seiner Kollegen eine weitere Flasche Bier öffnet. Die Korken ploppen, das Bier schäumt über und tropft auf den Boden.

Auch die Fahrkarten von Schlafenden werden kontrolliert

Zwischenhalt in Bobingen, ein Mann, der trotz des wummerndes Petry-Basses bislang zu schlafen schien, schreckt auf. Eilig greift er seinen Rucksack und versucht, sein Fahrrad nach draußen zu bugsieren. Doch zu spät: Die Türen schließen sich, der Zug nimmt wieder Fahrt auf. „Aber ich muss raus“, sagt er verschlafen zum Schaffner, der gerade Fahrkarten kontrolliert. Der zuckt mit den Schultern: „Dann musst du in Schwabmünchen aussteigen und zurück radeln.“ Resigniert setzt sich der Mann auf seinen Platz.

Und tatsächlich: In Schwabmünchen steigt er aus, setzt sich auf sein Drahtesel und tritt in die Pedale. Währenddessen breitet sich die Bierpfütze langsam aber sicher in Richtung des Mannes mit der Aktentasche aus, fast schon hat sie seine Schuhe erreicht. Er blickt nach draußen ins Dunkle.

„Fahrkarte, bitte“, sagt der Schaffner, als er einen der Fahrgäste, der soeben noch etwas auf seinem Mobiltelefon getippt hat und sich nun schlafend stellt, mit der Hand auf die Schulter tippt. Weiterhin hält der Mann die Augen geschlossen – obwohl der Zug bereits in Buchloe einfährt. Die jungen Frauen und Männer in Tracht steigen aus, doch weit kommen sie nicht. Als wäre es ein Schaufenster, haben sich einige von ihnen vor dem Zugfenster platziert, um die Szene zu beobachten, ehe der Schaffner die Gruppe lautstark zum Weitergehen auffordert.

Auch der Mann im Anzug – und der Autor – haben es nach Buchloe geschafft und sind raus aus der „Hölle, Hölle, Hölle, Hölle“.

 
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