Am 27. Mai 2008 nimmt das Leben von Werner Mazurek eine dramatische Wende. Er wohnt inzwischen im beschaulichen Ort Kappeln an der Schlei in Schleswig-Holstein. Auf einmal stehen Polizei und Staatsanwaltschaft vor seiner Tür und verhaften ihn. Er steht unter dem dringenden Verdacht, die kleine Ursula Herrmann am Ammersee entführt zu haben. Das Mädchen wurde auf dem Heimweg in einem Waldgebiet vom Rad gerissen, in eine eigens für diesen Zweck gebaute Gefängniskiste gesperrt und vergraben. Ursula starb. Das war im September 1981.
Erst 27 Jahre später also sind sich die Ermittler sicher, denn Täter gefunden zu haben. Doch Werner Mazurek bestreitet von Anfang an, etwas mit der Entführung zu tun zu haben. Dennoch verurteilt ihn das Augsburger Schwurgericht nach einem aufwendigen Indizienprozess im März 2010 zu lebenslanger Haft. In Deutschland bedeutet „lebenslänglich“ allerdings in eher seltenen Fällen, dass der Verurteilte tatsächlich sein ganzes Leben lang hinter Gittern bleibt.
Der Fall Ursula Herrmann: Eine vorzeitige Haftentlassung ist nach frühestens 15 Jahren möglich
Die durchschnittliche Haftdauer schwankt zwischen 18 und 22 Jahren. Viel hängt davon ab, ob eine besondere Schwere der Schuld festgestellt wird, dann sitzen die Inhaftierten automatisch länger. In welchem Bundesland der Täter oder die Täterin sitzt, spielt auch eine Rolle. In Bayern müssen die „Lebenslänglichen“ im Schnitt länger im Gefängnis bleiben. Grundsätzlich ist eine vorzeitige Haftentlassung bei einem Urteil „lebenslang“ nach frühestens 15 Jahren möglich.
Diese 15 Jahre sind bei Werner Mazurek am 28. Mai abgelaufen. Er sitzt seit vielen Jahren in der JVA Lübeck. Aber jetzt könnte es mit seiner Entlassung ganz schnell gehen. Am Donnerstag findet am dortigen Landgericht eine entscheidende Anhörung Mazureks vor der Strafvollstreckungskammer statt, bestätigt sein Augsburger AnwaltWalter Rubach.
Die Ausgangslage für den inzwischen 73 Jahre alten Mazurek ist günstig. Das Gefängnis befürwortet seine Entlassung. Er habe sich zuletzt beanstandungsfrei verhalten, auch sein Alter und sein angeschlagener Gesundheitszustand sprächen für eine Freilassung. Prognosen von psychologischen Sachverständigen stehen dem ebenfalls nicht im Wege. Nur die Augsburger Staatsanwaltschaft besteht auf der Anhörung. Verteidiger Rubach, der bei der Anhörung am 1. Juni in Lübeck dabei ist, geht fest davon aus, dass Mazurek in Kürze freikommt. Wann das Gericht genau entscheidet, ist unklar. Denkbar ist sogar, dass der Beschluss direkt nach der Anhörung getroffen wird. Dann könnte Mazurek das Gefängnis theoretisch sofort verlassen.
Selbst Ursula Herrmanns Bruder hat Zweifel am Urteil
Die Frage von Schuld oder Unschuld tritt dann in den Hintergrund. Eine Gruppe von Unterstützern glaubt nicht, dass Werner Mazurek der Entführer von Ursula Herrmann ist und verweist auf neue Indizien. Selbst Ursula Herrmanns Bruder hat Zweifel am Urteil des Augsburger Landgerichts. Die Unterstützer, die eine eigene Facebook-Seite betreiben, haben schon vor längerem berichtet, dass für Mazurek eine Wohnung bereitstehe. Wo die genau liegt, ist nicht bekannt.
Nach etlichen Film-Dokus und True-Crime-Formatenüber den Fall Ursula Herrmann und den verurteilten Entführer, beispielsweise auf Sky, soll nun nach Mazureks wahrscheinlicher Haftentlassung erneut ein Mehrteiler gedreht werden. Nach Informationen unserer Redaktion wurde Werner Mazurek für eine ARD-Serie exklusiv unter Vertrag genommen.