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MÜNCHEN
Aufregung um das Münchner Amerika Haus
Heiß begehrt: In den Räumen des Amerika Hauses in München befindet sich derzeit der Verein „Bayerisch-Amerikanisches Zentrum“. Nun soll die Akademie der Technikwissenschaften einziehen.
Foto: amerika haus | Heiß begehrt: In den Räumen des Amerika Hauses in München befindet sich derzeit der Verein „Bayerisch-Amerikanisches Zentrum“. Nun soll die Akademie der Technikwissenschaften einziehen.
Von unserer Mitarbeiterin Catrin Weykopf
 |  aktualisiert: 13.01.2016 11:07 Uhr

Sie hat sich im Wind verheddert. Deshalb muss Raimund Lammersdorf die US-Flagge am Eingang zum Münchner Amerika Haus wieder zurechtfriemeln. Lammersdorf ist Geschäftsführer des Vereins, der in dem Gebäude seine Räume hat. Gut möglich, dass Lammersdorf die Fahne schon bald nicht mehr zurechtfriemeln wird. Sondern für immer einholen.

Denn das Amerika Haus sorgt für mächtig Ärger in der bayerischen Politik: Lammersdorf und sein Verein wollen nicht ausziehen. Genau das aber hat das bayerische Kabinett beschlossen. Doch es geht um viel mehr. Es geht um ein von der Regierung hausgemachtes Problem, das quer durch die politischen Lager Unverständnis und Wut hervorruft. Und es geht um Macht und politischen Druck.

Das Haus am Karolinenplatz ist längst keine US-Einrichtung mehr. Seit 14 Jahren ist es ein bayerischer Verein, der von dort aus wirkt: das Bayerisch-Amerikanische Zentrum. Finanziert wird es vom Freistaat, auch das Gebäude gehört dem Land. Errichtet wurde es Anfang der 1950er Jahre als offenes, transatlantisches und demokratisches Kulturzentrum. Das Haus sollte ein Gegenentwurf zu den nationalsozialistischen Bauten sein, die die angrenzenden Straßen prägen. Der neue Nutzer würde das Gebäude „enthistorisieren, zweckentfremden und damit ad absurdum führen“, sagt Lammersdorf.

Der neue Nutzer, das ist die Akademie der Technikwissenschaften (Acatech). So hat es das Seehofer-Kabinett beschlossen. In ihrer Führungsriege finden sich wichtige Namen: Bernd Pischetsrieder, Ex-Vorstand von VW. Oder Wolfgang Mayrhofer, Ex-Lufthansa-Chef. Der Gründungspräsident heißt Joachim Milberg, Aufsichtsratschef bei BMW. Die Acatech ist eine Akademie, hinter der die deutsche Industrie steht – mit ihrer ganzen Macht. Warum aber das Amerika Haus ihre neue Wirkungsstätte werden muss, bleibt unklar.

„Wir wollen auf jeden Fall in diesem Haus bleiben“, sagt Lammersdorf. Mit seiner Forderung ist er nicht allein: Grüne, Freie Wähler und SPD stehen im Landtag auf seiner Seite. Auch Münchens Altbürgermeister Hans-Jochen Vogel oder die „Grande Dame“ der FDP, Hildegard Hamm-Brücher. Selbst Ex-US–Präsident Bill Clinton schrieb einen Brief. Sie kämpfen, weil ein „steingewordenes Symbol“ aufgegeben wird, wie es in einem Schreiben an Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) heißt.

Im Januar 1946 eröffnete die US-Militärbehörde in München einen Lesesaal. Dort konnte man in von den Nazis verbotener Literatur schmökern. 1948 zog man in den ehemaligen „Führerbau“. Bei den Münchnern hieß diese Einrichtung bald „Amerika Haus“. Zu den Büchern kamen Platten, Filme und Ausstellungen. 1957 zog die Einrichtung in das heutige Amerika Haus. Architekt Franz Simm sagt, es sei nicht nur um ein Gebäude gegangen. „Es ging uns um ein Denkmal für Freiheit und Demokratie, die uns die Amerikaner gebracht hatten.“

Mitte der 1990er Jahre strich der amerikanische Kongress die Finanzierung. Seither trägt der Freistaat den größten Teil des Unterhalts. Und es gab einen Richtungswechsel: „Nicht mehr die amerikanischen Interessen stehen seitdem im Vordergrund der transatlantischen Beziehungen, sondern die bayerischen“, sagt Lammersdorf. Der Fokus liegt jetzt auf der Bildung. Gut 3000 Lehrer und Schüler aus Bayern besuchten das Haus im Jahr 2011.

In eineinhalb Jahren, Ende 2013, soll der Verein das Haus nun räumen. Dann geht zu Ende, was die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Margarete Bause, im Landtag ein „Schmierentheater“ und „elendes Geschacher“ genannt hat. Denn wie die Technik-Akademie zu ihrer neuen Unterkunft kam, darüber gibt es mehrere Versionen.

Eine geht so: BMW-Aufsichtsratschef Milberg soll Ministerpräsident Seehofer gesagt haben, dass die Acatech entweder einen repräsentativen Sitz bekommt oder München verlässt. Auch das Wort „Amerika Haus“ soll gefallen sein. Hat der BMW-Mann Seehofer unter Druck gesetzt?

Davon könne keine Rede sein, sagt Thomas Kreuzer (CSU), Chef von Seehofers Staatskanzlei. In den bisherigen Räumen der Acatech in der Münchner Residenz sei es schlicht zu eng geworden. Deswegen habe man der Akademie neue Räume angeboten, auch das Amerika Haus. „Die Alternative wäre gewesen, wir verlieren die Akademie“, so Kreuzer. Also doch Druck? „Ich empfinde das nicht als Drohung. Das ist die Macht des Faktischen“, sagt der Staatskanzleichef.

Die Acatech selbst äußerte sich lange gar nicht. Im Frühjahr hieß es dann, man habe das Amerika Haus nicht zur Bedingung gemacht, um in München zu bleiben. Dass man das Haus nun bekomme, dagegen habe man allerdings auch keine Einwände, sagt eine Sprecherin. Ohnehin sei die Akademie in der Angelegenheit nicht in der Position, etwas zu fordern: „Die Vergabe der Immobilien ist Sache der Staatskanzlei.“

Damit hat Seehofers Regierungszentrale den Schwarzen Peter auf der Hand. Und der Kabinettsbeschluss steht, obwohl sich die Begehrlichkeiten doch scheinbar geändert haben – und allen Protesten zum Trotz. Lässt die Akademie im Hintergrund weiter die Muskeln spielen? Verwunderlich findet man im Amerika Haus jedenfalls, dass auch die US-Diplomatie die Seiten gewechselt hat: Während Botschafter Phil Murphy ursprünglich die „besondere Bedeutung“ des Hauses für die USA betonte, heißt es jetzt aus dem Konsulat, das Ganze habe auch „positives Potenzial“.

Im Landtag indes stehen nicht einmal die Abgeordneten von CSU und FDP geschlossen hinter dem Kurs ihrer eigenen Regierung. Es rumort so stark, dass 17 CSU-Abgeordnete einen Dringlichkeitsantrag gestellt haben. Sie verlangen zumindest mehr Transparenz. Zum Beispiel bei der Frage, wo der Amerika-Verein denn künftig untergebracht wird.

Angebote hat man Lammersdorf bereits gemacht. Ein Objekt liegt gegenüber, in der staatlichen Lotterieverwaltung. Für Lammersdorf keine Alternative. Vor allem wegen der Geschichte des Gebäudes: Während der Nazi-Jahre war an diesem Ort das NSDAP-Parteigericht. Auch dort hat eine Fahne geweht. Keine Fahne der Freiheit. Seine Fahne, findet Lammersdorf, gehört nicht dorthin.

 
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