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Bayern
Auf Samtpfoten zurück
Wildkatze: In Bayern einst ausgerottet, ist der Waldbewohner wieder da. Doch selbst im Hauptgebiet Unterfranken wird man dem Räuber selten begegnen.
Wildkatzen
Foto: Caroline Seidel (dpa)
Daniela Arndt
Daniela Arndt
 |  aktualisiert: 08.09.2017 03:23 Uhr

Getigertes Fell in grau oder cremefarben, ein buschiger Schwanz mit schwarzen Ringen und schwarzem Ende und die Größe eines normalen Stubentigers – optisch ist die Wildkatze von so mancher Hauskatze kaum zu unterscheiden. Doch während es der Hauskatze in Deutschland sehr gut geht, ist die Wildkatze bedroht. Noch immer, und besonders in Bayern.

Dabei ist sie hier eigentlich heimisch. „Die Wildkatze ist eine echte Europäerin“, erklärt Jürgen Thein, Biologe aus Haßfurt und Spezialist für die „wilde Schöne“, wie sie genannt wird. Vermutlich habe es sie schon vor 300 000 Jahren in unseren Breitengraden gegeben. Doch Anfang des 20. Jahrhunderts verschwand das Tier aus den bayerischen Wäldern – ausgerottet durch die Menschen. Erst mit einem langjährigen Projekt des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), begonnen 1984, kam sie zurück in den Freistaat. „Der BUND hat damals beschlossen, die Wildkatze hier wieder anzusiedeln“, sagt Ulrike Geise, Sprecherin des Arbeitskreises Artenschutz des BUND in Prosselsheim.

Das Projekt war eine bundesweite Besonderheit – und Notwendigkeit. Denn in anderen Teilen Deutschlands war die Wildkatze nie ausgerottet worden. So wurden in den 1980er Jahren Wildkatzen in Zoos gezüchtet, um sie in den bayerischen Wäldern auszuwildern. Schwerpunktregion dafür war der Spessart, wo auch die ersten Erfolge erzielt wurden. Insgesamt 600 Tiere wurden bis 2009 im Freistaat freigelassen. „Im Spessart und in der Rhön gibt es auch heute noch Tiere, die genetisch den damals freigelassenen entsprechen“, sagt Thein. Das Projekt sei also zumindest ein Teilerfolg gewesen.

Heute ist die Wildkatze zurück in Bayern. Ihr Hauptgebiet im Freistaat: Unterfranken, besonders Spessart, Rhön und die Haßberge. Dort gibt es etablierte Bestände. Was das bedeutet? „Die Tiere leben nicht nur hier, sie pflanzen sich auch fort“, meint Thein. So konnte der Würzburger Professor Jörg Müller vom Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie Anfang August drei junge Wildkatzen im Steigerwald beobachten. Bisher sei dies aber ein nordbayerisches Phänomen, so Thein.

Dennoch, die Wildkatze ist dabei, den Freistaat zurückzuerobern. Das ergaben die Untersuchungen des Projekts „Wildkatzensprung“ des BUND, bei dem ab 2011 zehn Bundesländer zusammen erforschten, wo in Deutschland Wildkatzen vorkommen, welche genetischen Teilpopulationen es gibt und wie man die Tiere unterstützen kann. Anders als in anderen Bundesländern lag der Projektschwerpunkt in Bayern darauf, festzustellen, wie weit sich die Wildkatze schon ausgebreitet hat. Dafür wurden sogenannte Lockstöcke aufgestellt. Dadurch konnten Genproben gesammelt werden.

Jürgen Thein hat diese Methode, mit der die Daten für das Projekt gesammelt wurden, mitentwickelt. Dabei wird eine sägeraue Dachlatte in einem möglichen Gebiet, zum Beispiel im Wald, aufgestellt und mit Baldrian besprüht. Das lockt die Katzen an. Die Tiere versuchen dann, den Stock zu markieren, indem sie sich daran reiben. Ihre Haare bleiben an dem rauen Holz hängen. „So kann man einem Wildtier ganz einfach eine DNA-Probe abluchsen“, sagt Geise. Wenn die Haare noch eine Haarwurzel haben, kann eine Genanalyse gemacht werden.

Das Ergebnis dieses „Lockstockmonitorings“ ist eine Wildkatzendatenbank, die mit Daten aus ganz Deutschland gefüttert wird. Dadurch konnten in den Haßbergen 23 individuelle Tiere ermittelt werden. In der Rhön waren es 19, im Spessart ebenfalls 23. Insgesamt wurden bayernweit 620 unterschiedliche Wildkatzen durch Lockstöcke identifiziert. Aufgestellt wurden die Holzlatten durch etwa 700 Freiwillige, berichtet Geise. Viele haben auch angeboten, das Projekt weiter fortzusetzen. „Das war richtig überwältigend“, findet die Sprecherin der Arbeitsgruppe Artenschutz des BUND. Immerhin mussten die Freiwilligen den Lockstock im Winter aufstellen und dann zehn Wochen lang einmal pro Woche nach ihm sehen und Katzenhaare einsammeln.

Außerhalb Bayerns wurden beim Projekt „Wildkatzensprung“ vor allem sogenannte grüne Korridore angelegt. Das sind Verbindungen zwischen einzelnen Wäldern, die aus Hecken, Bäumen und Büschen bestehen. „Wildkatzen haben große Lebensraumansprüche“, erklärt Jürgen Thein. In Deutschland seien die geeigneten Lebensräume aber oft kleinflächig und zerschnitten, er spricht von einem „Flickenteppich“.

Viele Wälder sind durch Straßen getrennt, landwirtschaftliche Flächen ziehen Schneisen durch das Grün. „Die häufigste Todesursache bei Wildkatzen sind Autounfälle“, so Thein. Die grünen Korridore sollen dabei helfen, dass die Katzen neue Gebiete erschließen können, um sich so auf natürlichem Weg weiter auszubreiten.

So geschehen bereits in den Haßbergen. Die Wildkatzen, die dort vorkommen, gleichen genetisch denen aus Thüringen und Nordhessen. „Wenn Jungtiere älter werden, ist für sie nicht immer Platz im Revier der Eltern. Dann wandern sie weiter, um neue Gebiete zu erschließen“, sagt Thein. Je nach Beschaffenheit des Lebensraums ist das Revier einer Wildkatze zwischen zwei und neun Quadratkilometer groß.

Insgesamt leben in Deutschland momentan schätzungsweise 7000 Wildkatzen. Bestimmt wird die Anzahl in den einzelnen Gebieten nach der Dichte von Tieren, also nach der Frage: Wie viele Tiere leben auf 100 Quadratkilometern? Die höchste „Wildkatzen–Dichte“ Bayerns verzeichnet man in den Haßbergen. Dort leben zwei bis neun Tiere auf 100 Quadratkilometern. „Dabei sind wir aber noch bei Weitem nicht bei den Dichten in etablierten Populationen“, so Ulrike Geise.

In Hessen beispielsweise kommen auf die gleiche Fläche 35 bis 44 Tiere. Das Ziel sei laut Thein, die Wildkatze jetzt auch wieder in Bayern dauerhaft zu etablieren.

Dafür werden weiterhin Projekte wie „Wildkatzensprung“ gefahren, das diesen August nach sechs Jahren zum Abschluss kam. Insgesamt 3,85 Millionen Euro hat das Bundesamt für Naturschutz aus Mitteln des Bundesumweltministeriums dafür zugeschossen.

Für Ulrike Geise war das Projekt auf jeden Fall erfolgreich. „Dadurch haben wir vor allem das Interesse an dem Thema geweckt“, sagt sie. Auch deswegen haben die Wildkatze und ihre Rückkehr nach Bayern vor allem eine naturschutzpolitische Bedeutung, wie Jürgen Thein findet. „Sie ist unsere Flaggschiff-Art, um auf das Lebensraumproblem aufmerksam zu machen“, sagt er. Denn wenn daran gearbeitet werde, könne man auch für viele andere Tierarten wieder mehr Raum schaffen.

Foto: Thomas Stephan, BUND

Die Wildkatze – Felis silvestris

Die Wildkatze stammt ursprünglich aus Europa und war früher über den ganzen Kontinent verbreitet. Heute gibt es sie nur noch in Spanien, Portugal, Schottland, Italien, auf dem Balkan, in Ostfrankreich bis Belgien und in Teilen West- und Mitteldeutschlands. Ihr Lebensraum sind große, alte und strukturreiche Misch- oder Laubwälder mit ruhigen, heckenreichen Waldsäumen. Optisch ähnelt sie stark der Hauskatze, jedoch ist ihr Fell länger, wodurch sie kompakter wirkt. Sie hat Grau-cremegelb getigertes Fell mit einem hellen Kehlfleck und einem buschigen Schwanz mit dunklen Ringen und schwarzem Ende. Die Katzen bringen bis zu vier Kilo auf die Waage, die Kater wiegen etwa fünf Kilogramm. In Mitteleuropa ernähren sich die Wildkatzen vor allem von Mäusen, selten fressen sie auch Kaninchen, Eidechsen, Frösche, Insekten und Kleinvögel. Jungtiere werden meist im April geboren. Dabei umfasst ein Wurf zwei bis vier Kätzchen, maximal aber sechs. In freier Wildbahn werden die Katzen bis zu zehn Jahre alt, in Gefangenschaft bringen sie es auf bis zu 15 Jahre.

Quelle: BUND

 
 
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