Bis heute fehlt in Bayern eine amtliche Statistik über Wohnungslosigkeit. Das hat anlässlich des Tags der Wohnungslosen am 11. September der Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in Bayern (AWO), Thomas Beyer, in Erinnerung gerufen. Beyer fordert in einer Pressemitteilung „eine ehrliche Wohnungslosenstatistik“ sowie flächendeckend Fachstellen zur Verhinderung von Obdachlosigkeit. „Versäumnisse der Politik kommen teuer zu stehen“, warnt der AWO-Chef.
Als wohnungslos gelten Menschen, die nicht über eigenen Wohnraum verfügen, die vorübergehend in Unterkünften oder unterstützenden Einrichtungen untergebracht sind oder auf der Straße leben. Das bayerische Sozialministerium schätzt ihre Zahl im Freistaat auf 20 000 bis 25 000, etwa drei Viertel sind Männer.
Auch im reichen Freistaat kann das Schicksal Wohnungslosigkeit fast jeden treffen, schreibt Thomas Beyer. Rentner und Rentnerinnen, die ihre alte Wohnung nicht mehr bezahlen können, aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters aber keine neue Wohnung bekommen. Vierköpfige Familien, in denen beide Elternteile Vollzeit arbeiten, das Geld jedoch nicht für eine angemessene Bleibe reicht. Menschen, die wegen körperlicher oder psychischer Probleme ihre Arbeit verlieren und auf der Straße landen.
AWO-Chef Beyer kritisiert, die Politik in Bayern habe bislang nichts unternommen, um Beratungsstellen zur Verhinderung von Obdachlosigkeit flächendeckend zu etablieren. Ein Versäumnis, das die Betroffenen, aber auch die Kommunen im doppelten Sinne des Wortes teuer zu stehen kommt, so Beyer. Denn nur dort, wo es geschultes Personal gebe, könne es Wohnungslosen aus ihrer Notlage helfen, persönliches Leid und Existenzängste reduzieren und Folgekosten für Mieter, Vermieter und Kommune vermeiden.
Erstes positives Signal
Dass die Staatsregierung in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Statistik und den Verbänden eine Stichtagserhebung zur Zahl der Wohnungslosen durchgeführt hat, deren Veröffentlichung anstehe, wertet Beyer „als ein erstes positives Signal“. Allerdings müsse dieses Instrument ausgebaut werden in eine ehrliche, im Sinne von ständiger und detaillierter Wohnungslosenstatistik, an der Maßnahmen – nicht zuletzt präventiv – gegen Wohnungslosigkeit ausgerichtet werden können“. Als Maßnahmen listet der AWO-Chef auf: Unterkünfte müssten regelmäßig fachlich betreut werden, Wohnungsnotfallhilfen flächendeckend eingeführt werden. Es müssten mehr Sozialwohnungen gebaut werden, auch die Kommunen müssten eigene Wohnungsbauprogramme auflegen.
Dass die Wohnungsnot „riesig“ ist, stellt auch Günther Purlein fest, Geschäftsführer der gemeinnützigen, von der Caritas und der Diakonie getragenen Christophorus-Gesellschaft in Würzburg, bei der Wohnungslose seit 40 Jahren Hilfe erhalten. Bei einer Veranstaltung der Christophorus-Gesellschaft im Juli äußerte sich auch Innenstaatssekretär Gerhard Eck. Die Staatsregierung habe erkannt, dass in puncto Wohnung dringend gehandelt werden müsse. „Wir haben uns das ehrgeizige Ziel gesteckt, dass wir bis 2020 in Bayern wieder pro Jahr um die 70 000 Wohnungen neu bauen werden“, so Eck.