In zwei Dörfern im Landkreis Ansbach hat am Freitag ein Mann zwei Menschen umgebracht. An einer Tankstelle wurde er von zwei Mechanikern überwältigt.
Es gibt magische Momente, in denen Angsthasen zu Heldenhaftem fähig werden: Am Freitag kurz vor Mittag ist das die schlotternde Frau an der Kasse der Esso-Tankstelle in Bad Windsheim: Sie hat den Mann im silbernen Mercedes Mercedes Cabrio vorfahren sehen, vor dem die Radio-Durchsage warnte: „Der Fahrer ist bewaffnet und macht rücksichtslos von der Schusswaffe Gebrauch“.
Der hagere Mann im weißen Shirt parkt direkt vor der Werkstatt-Einfahrt, stiefelt in die Tankstelle, eine Schusswaffe in der Hand. Mit der hat er zuvor zwei Menschen erschossen und zwei nur knapp verfehlt. Bernd G. stiefelt ein wenig ziellos durch die Tankstelle, bedroht zwei Männer mit der Waffe. Einige flüchten, „Achtung, ein Überfall,“ ruft einer noch. Dann legt der Amokschütze von Ansbach vor der Frau an der Kasse die Waffe nieder, wie ihre Kollegen später schildern. Beherzt greift sie nach der Pistole, rennt ins Klo und schließt sich dort ein.
Der 47-Jährige – plötzlich unbewaffnet - stutzt. Er will zurück in sein Auto, wo die zweite Waffe liegt. Doch mehrere handfeste Mechaniker und Mitarbeiter der Tankstelle überwältigen den Mann.
Der tritt wild um sich. „Hat ihm aber nix genützt,“ sagt einer der Beteiligten später grinsend: „Wir haben ihn an Armen und Beinen festgehalten und mit Kabelbinder gefesselt.“ So beenden nach zwei Stunden eine reaktionsschnelle Kassiererin und ein paar Mechaniker ein Horrorszenario, das wie aus dem brutalen Selbstjustiz-Streifen „Ein Mann sieht rot“ entnommen schien.
Polizeibeamte übernehmen Bernd G., Spurensicherer lassen die Tankstelle ebenso abriegeln wie die anderen vier Tatorte. Noch am Mittag kreisen Polizeihubschrauber über Bad Windsheim. Erst allmählich beruhigte sich die Situation.
Am Nachmittag eilte Innenminister Joachim Herrmann nach Ansbach. Er erinnert daran, dass vor sechs Jahren schon einmal ein Amoklauf Ansbach in Angst und Schrecken versetzt hatte: Damals hatte ein Schüler im Gymnasium etwa ein Dutzend Menschen verletzt. „Umso entsetzter bin ich, dass es erneut einen Amoklauf gab.“ Herrmann dankt dem Tankstellenpersonal für sein „beherztes Eingreifen“, das die Festnahme möglich gemacht und schlimmeres verhindert habe. Hermann sagte „eine hässliche Tat aus heiterem Himmel“ habe die Opfer getroffen.
Um kurz nach 10 hatten erste Alarmanrufe die Polizei in Ansbach alarmiert. Zuerst hieß es, ein Mann habe seine Frau erschossen – was sich später als falsch herausstellte. Dann kam den Polizeikräften auch noch ein gleichzeitiger Banküberfall in die Quere. Inzwischen weiß die Kripo: Es gibt keine erkennbare Beziehung zwischen dem Schützen und den Opfern.
Scheinbar völlig willkürlich schoss Bernd G. gegen 10.02 Uhr im Leutershausener Stadtteil Tiefenthal (Lkr. Ansbach) aus einem silbernen Mercedes Cabrio auf eine 82-Jährige Frau vor ihrem Haus. Die Frau starb an Ort und Stelle.
Kurze Zeit später wird im fünf Kilometer entfernten Ortsteil Rammersdorf auf einen 72-jährigen Fahrradfahrer geschossen, der ebenfalls am Tatort stirbt. Die Polizei geht fest davon aus, dass es sich bei diesem Vorfall um den gleichen Täter wie in Tiefenthal gehandelt habe.
Gegen 10.30 Uhr taucht der silberne Mercedes in Colmberg auf. Ein Landwirt wird bedroht, aber nicht beschossen. Er kann eine Beschreibung liefern und sogar das Kennzeichen erkennen. Nun warnt die Polizei per Radiodurchsage, alarmierte Polizeieinheiten intensivieren die Suche. Dann schießt der Mann wieder – bei Flachslanden. Bernd G. trifft nicht, der Mann wird nur von „Glassplittern leicht verletzt", wie die Polizei erklärt.
Indessen ist fast die ganze mittelfränkische Polizei im Einsatz. Lehrer behalten in einem Gymnasium die Schüler in den Klassenräumen, bis die Gefahr vorüber ist. Ansbach steht auch am Nachmittag unter Schock. „Unser Mitgefühl gilt den Angehörigen der Opfer und allen Betroffenen“, sagt Oberbürgermeisterin Carda Seidel.
Wegen des Amoklaufes will Seidel auf einen geplanten Kirchweihzug und den Bieranstich verzichten. Stattdessen gibt es eine Gedenkminute für die Opfer.
Der Bürgermeister von Leutershausen, Siegfried Hess, zeigte sich entsetzt von der Tat. „In einem Ort mit 5500 Einwohnern, in dem wir immer beschaulich gelebt haben, kannte man solche Situationen nur aus dem Fernsehen“, sagte Hess. Er sei „fassungslos und von den Socken“.
In so einem ländlichen Gebiet könne man sich so etwas gar nicht vorstellen. „Und dann passiert so etwas vor der Haustür.“ Der Ort sei zutiefst verstört über die Amokfahrt des 47-jährigen Ansbachers, versicherte der Bürgermeister Medienvertretern.
Die 82-jährige Frau, auf die Bernd G. zuerst schoss, stand vor ihrem 50. Hochzeitstag. Der Bürgermeister kannte sie „von Familien- und Geburtstagsfeiern“. Bernd G. soll vor ihrem Haus angehalten und sie etwas gefragt haben. Als sie sich zum Haus umdrehte, habe er geschossen, heißt es in Ermittlerkreisen.
Erschüttert reagierte Landtagspräsidentin Barbara Stamm auf den Amoklauf. „Ich bin entsetzt und fassungslos über diese Tat eines Menschen, der mit erschreckender Gewaltbereitschaft so viel Leid über die Familien der Opfer gebracht hat. Solch eine schreckliche Tat wird für uns immer unverständlich bleiben.“ Stamm trauert mit den Angehörigen und Freunden der Opfer und ist in Gedanken bei ihnen, hieß es aus ihrem Büro.
Indessen wird Bernd G., der angeblich in einer Klinik in Bad Windsheim gearbeitet hat, von der Polizei vernommen. Es hatte keine Ankündigung oder Drohung vor der Tat gegeben.
Kriminalpolizeilich war Bernd G. bisher nicht auffällig, sagt der Leitende Oberstaatsanwalt Gerhard Neuhof. Bei seiner Festnahme habe der Verdächtige psychische Auffälligkeiten gezeigt. Deswegen sei ein Psychiater hinzugezogen worden, der ihn noch am Freitag begutachten sollte.
Vom Ergebnis der Untersuchungen wird abhängen, ob ein Haftbefehl erlassen oder die Unterbringung in der Psychiatrie angeordnet wird. „Verwertbare Angaben“ waren nicht dabei, weiß Chefermittler Hermann Lennert.
Der 47-jährige G. war laut Polizei Sportschütze. Das heißt: Er durfte einen Revolver und eine Pistole besitzen, aber nicht öffentlich mit sich herumtragen. Merkwürdig ist: Die zwei Ansbacher Schützenvereine haben nach einigen Telefonaten am Nachmittag herausgefunden, dass Bernd G. kein Mitglied war. Möglicherweise hat er die Erlaubnis früher anderswo erworben. Später wird nicht mehr überprüft, wenn man sie einmal hat.
Indessen sucht die Polizei Zeugen, die G. auf der Amokfahrt gesehen haben – und vielleicht ebenfalls bedroht wurden. Dafür hat die Polizei ein Telefon geschaltet, Zeugen sollen sich unter Telefon (0800) 77 66 310 melden.
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