Wer einen Berg erklimmt, begegnet ihnen fast immer: Gipfelkreuze geben den einen – ganz praktisch – Gewissheit, am Ziel angekommen zu sein. Für andere haben sie eine religiöse Bedeutung.
Gipfelkreuze in den Bergen: Diese Bedeutung haben sie für die katholischen Kirche
„Wie jedes Kreuz erinnert das Gipfelkreuz uns Christen daran, dass Christus sich aller Menschen annimmt, die ihn suchen, und sich bis in den Tod hinein mit ihnen und ihren Nöten solidarisiert“, schreibt Prof. Gerda Riedl, Leiterin der Hauptabteilung „Grundsatzfragen“ im Bischöflichen Ordinariat Augsburg. Für Gläubige stünden Gipfelkreuze „sicherlich in erster Linie für den Schutz, den sie sich erhoffen, und wohl auch für den Dank, wenn sie voller Begeisterung wohlbehalten ihr Ziel erreicht haben.“ In jüngster Zeit dienen sie zunehmend auch als Selfie-Kulisse für Wanderer, die damit ihre Leistung dokumentieren oder in sozialen Netzwerken zur Schau stellen.
Doch wer kümmert sich eigentlich um die Gipfelkreuze, von denen es Schätzungen zufolge im Alpenraum über 4000 geben soll? Einfache Antworten gibt es bezogen auf die Allgäuer Alpen auf diese Frage nicht. So existiert weder beim Bistum Augsburg noch beim Deutschen Alpenverein (DAV) ein Verzeichnis. Das Bistum hat laut einem Sprecher ohnehin keine Gipfelkreuze aufgestellt.
Und der DAV? „Wir haben nur einige wenige Patenschaften für Gipfelkreuze“, sagt Klaus Peter Wildburger, Vorsitzender der Sektion Allgäu-Kempten mit über 25.000 Mitgliedern. Der Großteil der Gipfelkreuze sei teils schon vor Jahrzehnten von Vereinen, Alpgenossenschaften oder Bergrettern aufgestellt worden, die bis heute die Pflege übernehmen.
Allgäuer DAV-Präsident: "Gipfelkreuze gehören einfach dazu"
Gleichwohl betont Wildburger ihre Bedeutung: „Für mich gehören sie einfach zu den Bergen dazu. Ganz egal, ob man darin ein religiöses Symbol sieht oder ein Merkmal für den höchsten Punkt.“
Anders sieht es Bergsteiger-Legende Reinhold Messner. Der Südtiroler bekräftigte seine kritische Haltung vor Kurzem im Interview mit der österreichischen Kirchenzeitung Der Sonntag. „Das Gipfelkreuz ist eine späte Erscheinung und nicht Teil unserer alpinen Kultur“, wird er zitiert.
Wildburger glaubt, dass sich der überwiegende Teil der Bergfreundinnen und Bergfreunde im DAV dieser Meinung nicht anschließt. „Die Gipfelkreuze haben Tradition. Wer sie erreicht, erlebt Glücksgefühle – egal ob aus spirituellen Gründen oder wegen der Bewegung. Warum sollte man an ihnen jetzt rütteln?“
Berge ohne Gipfelkreuze? "Für eine plurale Gesellschaft wäre es ein Verlust"
Ähnlich klingt es beim Bistum Augsburg: „Es wäre gerade in einer weltanschaulich pluralen Gesellschaft ein Verlust, diesen Verweis auf eine höhere Sphäre, der man sich in der freien Natur auf einem hohen Gipfel noch einmal in besonderer Weise verbunden fühlen kann, nicht wertzuschätzen und ihn nicht für nächste Generationen zu erhalten“, teilt Gerda Riedl mit.
Nicht immer stammen Errichter der Gipfelkreuze aus den jeweiligen Talgemeinden. Ein gutes Beispiel dafür ist die Geschichte des Gipfelkreuzes am 2247 Meter hoch gelegenen Gaishorn. Es wurde 1930 vom Skiclub Legau (Unterallgäu) aufgestellt. Unterstützt von der Kolpingsfamilie Legau. „Damals hat man vermutlich niemanden gefragt, wie man es heute tun müsste, sondern hat einfach gehandelt“, sagt Hans-Peter Bischof von der Kolpingfamilie.
Gipfelkreuz am Gaishorn: Ein Skiclub aus dem Unterallgäu und Bergretter aus Tirol packen gemeinsam an
Als das Kreuz 1966/67 einem Sturm zum Opfer fiel, errichtete diese ein neues. 2011 drohte Ungemach: Das mehrere Meter hohe Kreuz mit dem markanten schmiedeeisernen Strahlenkranz hatte einen Riss. „Das hätte gefährlich werden können.“ Diesmal schritten die Legauer grenzüberschreitend mit Bergrettern aus dem Tannheimer Tal (Tirol) zur Tat.
Da sich der Gipfelpunkt auf Tannheimer Flur befindet, wollten diese ebenfalls ihren Beitrag leisten. In monatelanger Vorarbeit wurde das Kreuz entworfen, erstellt und schließlich auf den Gipfel getragen, wo es bis heute thront. „Es ist für viele eines der schönsten der Allgäuer Alpen“, sagt Bischof über entsprechende Einträge im Gipfelbuch. Kuriosität am Rande: Der Strahlenkranz des alten Kreuzes wurde in das Kolpingkreuz nahe der Wallfahrtskirche Maria Schnee in Legau integriert. „So haben wir auch einen Hauch vom Gipfelglück“, sagt Bischof.
Gelegentlich kommen auch neue Gipfelkreuze hinzu. 2022 beispielsweise errichteten Sportler des TV Haldenwang ein über 100 Kilogramm schweres Gipfelkreuz auf dem Haldenwanger Eck, dem südlichsten Punkt der Republik auf Oberstdorfer Gemeindegebiet. Sie fühlen sich durch die - bis heute ungeklärte - Namensähnlichkeit dem Ort auf besondere Weise verbunden, obwohl die Gemeinde Haldenwang-Börwang rund 60 Kilometer von dem 1933 Meter hohen Gipfel entfernt liegt.