Nur noch vier Tage pro Woche zum Arbeiten gehen und dennoch volles Gehalt einstreichen? Was für viele utopisch klingen mag, startet eine Firma in Kempten als halbjährigen Versuch. Ab Januar gilt in der Werbeagentur Werbewind die Vier-Tage-Woche. Freitag bis Sonntag gehören den Beschäftigten. Man hofft auf einen Wettbewerbsvorteil im Ringen um qualifizierte Arbeitskräfte. „Kunden wie Mitarbeitende werden von dem neuen Arbeitszeitmodell profitieren“, ist sich Geschäftsführer Sascha Duffner, zugleich Gemeinderat im Kleinwalsertal, sicher.
Das Problem Arbeitnehmermangel sei bei Kunden in Tourismus, Vermietung und Gastronomie schon lange bekannt, sagt Duffner. Mittlerweile habe es sich auf nahezu alle Branchen ausgeweitet. Ihm sei immer mehr bewusst geworden, wie wichtig es ist, dass sich Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Unternehmen wohlfühlen.
Ab Januar arbeitet das Team täglich 30 Minuten länger: Firma verzichtet auf sechs Stunden
Duffner verfolgt „das Experiment Vier-Tage-Woche und die vielversprechenden Ergebnisse“ nach eigenen Worten schon länger. Arbeitnehmern sei eine gesicherte Work-Life-Balance wichtig. „Mit einem Tag mehr zur Regeneration wird der Start in eine neue Arbeitswoche umso erholter und motivierter sein“, hofft der Chef. Zudem ließen sich Energieverbrauch und Fahrzeugkosten der Beschäftigten senken.
Ab Januar arbeitet das knapp 20-köpfige Team Montag bis Donnerstag täglich 30 Minuten länger (also 8,5 Stunden). Die Wochenarbeitszeit sinkt von 40 auf 34 Stunden. Dafür soll fokussierter und produktiver gearbeitet werden. Man solle zum Beispiel Meetings straffer halten und sich besser vorbereiten, sagt Mitarbeiterin Anna Keller. „Bei Zehn-Stunden-Tagen wäre wohl keiner produktiv.“ Ziel ist volle Produktivität bei 85 Prozent Arbeitszeit.
Das sagen andere Branchen zur Vier-Tage-Woche in Kempten
Und andere Branchen?
- Thomas Kappler, Betriebsleiter der Kemptener Verkehrsbetriebe, findet Vier-Tage–Wochen eine Überlegung wert, um attraktive Arbeitsplätze zu bieten. Dafür bräuchte es aber genug Busfahrer, „und da beißt sich die Katze in den Schwanz“.
- Die IT-Firma Idkom hat die 40-Stunden-Woche mit Schichtmodell und dem „Flex-Friday“ – die Möglichkeit, am Freitag mittags zu gehen. Oder an einem anderen Tag, sagt Vorstandsassistent Thomas Hug. Der Unternehmensverbund Connexta taste sich auch ans Thema Vier-Tage-Woche ran, weil es vielleicht gegen den Fachkräftemangel helfen könne. Hug ist aber skeptisch, ob das bei vollem Gehalt funktioniert. Man müsse den Kundensupport sicherstellen.
- 3M Technical Ceramics (Keramiktarif, 38 Wochenstunden) biete unter dem Motto „work your way“ (arbeite auf Deine Weise) flexible Möglichkeiten und Homeoffice, sagt Produktionsleiter Albert Killich. Das bedeutet: Beschäftigte sagen, wie sie am effektivsten arbeiten; Vorgesetzte geben den Rahmen vor. Killich hält eine Vier-Tage-Woche grundsätzlich für möglich, leichter aber außerhalb der produktionsnahen Bereiche, die teilweise an sieben Tage die Woche laufen. Im Schichtbetrieb sei vieles denkbar, aber es müssten dann alle Beschäftigten mitmachen.