Der Bürgermeister der Ostallgäuer Gemeinde Seeg, Markus Berktold (CSU), muss für 5 Jahre und 6 Monate ins Gefängnis. Die Kammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth hat am Donnerstagnachmittag das Urteil im Betrugsskandal gesprochen. Der Mitangeklagte Ex-Leiter einer Pflegeeinrichtung muss für 3 Jahre und elf Monate hinter Gittern. Das Urteil bildet den Abschluss eines sehr komplexen Falles. Zuvor fielen noch die letzten Worte, eine Möglichkeit für die Angeklagten vor Gericht, sich nochmal zu äußern.
Durchsuchungen in Pflegeheim in Seeg geschahen exakt vor einem Jahr
Vor exakt einem Jahr, am 11. Januar 2023, durchsuchten Polizeibeamte das Rathaus und eine Pflegeeinrichtung in Seeg. Der Bürgermeister wurde festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Auch der ehemalige Leiter einer Pflegeeinrichtung und eines Pflegedienstes wurde eingesperrt. Die Staatsanwaltschaft wirft den beiden Männern gewerbsmäßigen Betrug in Millionenhöhe vor. Sie sollen mit Hilfe von gefälschten Rechnungen Geld aus dem Corona-Pflegerettungsschirm erschlichen haben. Außerdem geht es um Untreue.
Im Zentrum der Ermittler stand eine Pflegeeinrichtung, die zuerst stationär, später ambulant betrieben wurde. Rund um diese Einrichtung gibt es einen Verein und mehrere Gesellschaften, die von Berktold beherrscht wurden. Der Bürgermeister soll laut Staatsanwaltschaft zum Beispiel 500.000 Euro vom Konto des Vereins über sein Privatkonto auf ein Konto einer der Gesellschaften transferiert haben, um damit eine Immobilie in Seeg zu finanzieren. Vor Gericht wurde immer wieder betont: In die eigene Tasche habe Berktold nicht gewirtschaftet. Das Geld kam der Pflege zugute.
Betrugsfall in Seeg: 42-jähriger Mitangeklagter gestand die Taten
Der 42-jährige Mitangeklagte hatte die Taten am Tag seiner Festnahme gestanden. Dabei belastete er den Bürgermeister schwer. Dieser wiederum schwieg größtenteils zu den Vorwürfen. Sein Anwalt, Robert Chasklowicz, wies die Vorwürfe größtenteils zurück, räumte aber am zweiten Verhandlungstag des Prozesses Fehler seines Mandanten ein. Er habe in bester Absicht und altruistisch gehandelt. Dabei sei er aber intransparent vorgegangen. Mehrmals betonte er: „Herr Berktold ist kein Krimineller.“
Anders sah das Oberstaatsanwalt Torsten Haase: Er forderte in seinem Plädoyer eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren für den Gemeindechef. Er zeichnete nochmal die Vorgeschichte nach, sprach von einer kleinen Gemeinde im Voralpenland, in der es um ein stationäres Pflegeheim geht, das nicht wirtschaftlich zu betreiben war. Rund um einen Trägerverein sei immer wieder von „Leichen im Keller“ die Rede gewesen.
Oberstaatsanwalt glaubt den Aussagen des Mitangeklagten
Ein neuer Verein wurde deshalb ins Leben gerufen, Berktold wurde dessen Vorsitzender. Um die Pflege neu aufzustellen, wurden ein neues Konzept aufgestellt sowie Firmen gegründet. Von allen war Berktold Gesellschafter. Im Rahmen dieser Neuaufstellung kam auch der Mitangeklagte ins Spiel. Er wurde Mitarbeiter und Leiter der Einrichtung und eines Pflegedienstes.
Dann soll die Idee aufgekommen sein, den Pflege-Rettungsschirm auszunutzen. Unter anderem ging es um eine Schließanlage, die als coronabedingte Mehraufwendungen abgerechnet worden sein soll. Das gleiche habe man auch mit einer Schneefräse gemacht. Oberstaatsanwalt Haase in seinem Plädoyer: „Darauf muss man erstmal kommen, dass eine Schneefräße im Allgäu etwas mit der Coronapandemie zu tun hat.“
Anklage: Bürgermeister Berktold habe von den Scheinrechnungen gewusst
Haase glaubte den Ausführungen des Mitangeklagten, der für vier Jahre ins Gefängnis soll. Berktold habe von den Scheinrechnungen gewusst und bei dem Betrug mitgemacht. Schließlich hätten die Männer den Pflegekassen vorgegaukelt, dass das Pflegeheim weiter ein stationäres gewesen sei, obwohl es bereits ambulant betrieben wurde. „Die Mitarbeiter der zuständigen Pflegekassen wurden getäuscht.“
Mit Blick auf die Vorstandsarbeit Berktolds und den Untreuevorwürfen sagte Haase: Der Bürgermeister sei die einzige Informationsquelle gegenüber anderen Vereinsmitgliedern gewesen und hätte nur die Informationen herausgegeben, die er selbst rausgeben wollte. „Berktold war der Herr des Wissens.“ Er sei derjenige im Ort gewesen, der alles in der Hand gehabt hätte. Er sollte einen alten Verein auflösen, dabei habe man zum Beispiel eine Satzung abgeändert, damit das Geld in die vom Bürgermeister beherrschten Pflegeunternehmen fließen kann. Das Problem: Pflichten seien dabei verletzt worden, Geld ist über ein Privatkonto geflossen. „Das verstehe ich unter Verschiebung von Vereinsgeldern“, sagte Haase.
Verteidiger des Bürgermeister widerspricht: "Herr Berktold ist kein Krimineller"
Anders sieht das der Anwalt des Bürgermeisters, Robert Chasklowicz. Er bezeichnete den bereits vorbestraften Mitangeklagten als Lügner. Er habe bereits einen ehemaligen Arbeitgeber um zigtausend Euro betrogen. „Sie sind ein Krimineller“, sagte Chasklowicz an den 42-Jährigen gerichtet. Herr Berktold sei hingegen ein bis dato unbescholtener Bürger, der nur das Beste für die Gemeinde wollte.
Ebenfalls für Schlagzeilen sorgte während der elf Verhandlungstage die Nachricht, dass Berktold während seiner Zeit in der Untersuchungshaft versucht haben soll, nachträglich Dokumente aufzusetzen, die ihn entlasten sollen. Über einen Mithäftling hätten diese nach außen dringen sollen. Soweit kam es aber nicht: Die Zelle wurde durchsucht und die Dokumente sichergestellt.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Verteidigung hat nun eine Woche Zeit, es anzunehmen oder zu entscheiden, ob sie in Revision gehen möchte.