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Allgäu
Sehenswürdigkeiten unter der Lupe: Wie auf Instagram oder überbewertet?
Auf Instagram zeigt sich das Allgäu von seiner Schokoladenseite. Halten Schrecksee, Neuschwanstein und Co., was die Bilder in Sozialen Medien versprechen?
Anna Stepanek
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:36 Uhr

Malerische Landschaften, idyllische Naturszenen, Menschen, die scheinbar allein auf Gipfeln oder vor Wasserfällen posieren: Wer auf Instagram scrollt, bekommt das Allgäu von seinen besten Seiten zu sehen. Beliebte Ausflugsziele haben zehntausende Beiträge unter ihrem jeweiligen Hashtag – dazu kommen nochmal tausende unmarkierte Beiträge. Doch ist die Realität genauso wunderschön wie in sozialen Netzwerken? Wir haben ein paar der beliebtesten Touristen-Hotspots genauer unter die Lupe genommen.

#Schrecksee: 16.843 Instagram-Beiträge

Kaum ein Wander-Ziel hat in den letzten Jahren so einen Hype generiert wie der Schrecksee. Auf Instagram findet man Bilder von Influencern, die davor posieren oder Menschen, die zum Eisbaden ins kalte Wasser springen. Auch auf TikTok schafft es der See fast immer unter "Orte im Allgäu, die du auf keinen Fall verpassen solltest" und sorgt mit Video-Sequenzen von grünen Gräsern und türkisfarbenem Wasser für Aufmerksamkeit – vor allem international. Der Hype in den sozialen Medien sorgt für enorme Besucherzahlen.

Einen Fakt, den allerdings viele Beiträge vergessen zu erwähnen: Der Schrecksee ist ein Gebirgssee und liegt auf 1813 Metern Höhe oberhalb von Hinterstein. Um das perfekte Bild vor dem türkisgrünen Gewässer zu bekommen, muss man also eine ordentliche Wanderung auf sich nehmen. Und auch wenn die Tour zu dem beliebten See nicht unbedingt eine der anspruchsvollsten ist, so erfordert sie doch ein gewisses Maß an Kondition.

Außerdem ist man ein gutes Stück der Strecke der prallen Sonne ausgesetzt und eine bewirtete Hütte liegt auch nicht auf dem Weg. Das bedeutet, auf die Packliste gehören festes Schuhwerk, ausreichend Proviant und Sonnencreme. Ob Sonnencreme für die Berge nur Marketing ist, lesen Sie hier. Viele Touristen informieren sich nicht ausreichend und sind dementsprechend nicht vorbereitet, die insgesamt rund sechsstündige Tour hinter sich zu legen. So äußert sich eine Nutzerin auf TikTok: "Wir wussten nicht, dass der See hinter einem Berg liegt."

Ein weiterer Fakt: Der Schrecksee ist Teil des Naturschutzgebiets der Allgäuer Hochalpen. Campen und das Filmen mit Drohnen ist dort unter anderem nicht erlaubt. 2020 und 2021 wurden knapp 30 Bergsteiger beim Campen am Schrecksee erwischt, wie die Bad Hindelanger Bürgermeisterin Dr. Sabine Rödel unserer Redaktion mitteilte. Die Wildcamper verbringen dort nicht nur die Nacht, sie hinterlassen auch einen Haufen Müll. Seit 2019 wird der See von 19 Uhr bis 8 Uhr videoüberwacht.

#Neuschwanstein: 509.444 Instagram-Beiträge

Das Schloss Neuschwanstein ist wohl die bekannteste Sehenswürdigkeit im Allgäu. Für viele Touristen ist das Bauwerk der Inbegriff von Märchen und Fantasie. Kein Wunder: Es diente angeblich als Inspiration für Disneys berühmtes "Cinderella-Schloss". Das Schloss von König Ludwig II. zählt mit rund 1,4 Millionen Besuchern im Jahr zu den meistbesuchten Schlössern und Burgen Europas, wie die Bayrische Schlösserverwaltung mitteilt. Durchschnittlich 6000 Besucher werden am Tag durch die Räumlichkeiten geführt.

Ist der Besuch vor Ort also wirklich so märchenhaft, wie es auf Instagram scheint? Bilder von der Marienbrücke im Sommer könnten für viele das Gegenteil beweisen. Denn die hohen Besucherzahlen dort und im Schloss selbst bedeuten lange Wartezeiten und enge, überfüllte Wege. Laut der Bayrischen Schlösserverwaltung führt der hohe Andrang auch zu "erheblichen Belastungen für die wertvollen Möbel und Textilien, um deren Erhalt wir uns intensiv bemühen."

#Lechfall: 21.060 Instagram-Beiträge

Der Lechfall in Füssen ist besonders beliebt bei Ausflüglern. Acht Meter rauscht das Wasser über fünf steinerne Stufen in die Tiefe und verschwindet in der Lechschlucht. Auf TikTok wird der Wasserfall als "Must-see place to visit in Bavaria" angepriesen und auch außerhalb der sozialen Medien hat er bereits Anerkennung bekommen: Erst kürzlich hat das GEO-Magazin das Naturdenkmal unter die spektakulärsten Wasserfälle Deutschlands gewählt. Über den Maxsteg oder eine Besucherplattform können Besucher ihre Bilder schießen. Das Motiv sieht auf Instagram meist sehr ähnlich aus, nämlich so, wie auf diesem Beispiel:

Bevor man die Reise zum Lechfall auf sich nimmt, sollte man sich aber auch über den Wasserpegel des Flusses informieren. Die Sonne kann am Tag des Ausfluges noch so scheinen, drei Tage Regenwetter können das Bild des Lechfalls komplett verändern. So vergleicht eine Urlauberin auf TikTok ihre Erwartung mit der tatsächlichen Realität im April diesen Jahres:

Auch die Besucherzahlen solte man nicht unterschätzen. Laut der Lechfall-Website kommen jedes Jahr weit über 100.000 Besucher an den Wasserfall.

#Grünten: 32.182 Instagram-Beiträge

Als Hausberg und "Wächter des Allgäus" ist der Grünten durch seinen Ikonen-Charakter und seine markanten Denkmäler – wie das Jägerdenkmal oder der Sendemast – ein beliebtes Ziel für eine relativ schnelle Gipfelwanderung. Um den perfekten Sonnenaufgang am Jägerdenkmal in die Instagram-Story zu packen, machen sich Leute bereits in aller Frühe auf den Weg.

Mit dieser Idee sind sie allerdings oft nicht allein. Was man bedenken muss: Der Platz auf dem Gipfel fällt in Relation zu der Besucherzahl so früh am Morgen recht spärlich aus. Wer früh genug dran ist, um sich einen Platz am Jägerdenkmal zu ergattern, steht dort bald dicht an dicht mit vielen anderen Leuten. Der Rest muss mit einem Stein auf dem Weg vorliebnehmen.

Der kürzeste Aufstieg zum Denkmal dauert laut der Grünten-Website 2,5 Stunden. Der Schwierigkeitsgrad der Tour wird dort als "mittel" eingeschätzt, also für komplette Anfänger ebenfalls nicht zu unterschätzen.

Als die Allgäuer Investoren-Familie Hagenauer 2019 bekannt gab, 30 Millionen Euro in eine „Grünten Bergwelt“ stecken zu wollen, löste sie eine jahrelange Diskussion über die Folgen des Tourismus am Grünten aus. Die Initiative "Rettet den Grünten" formte sich, demonstrierte vor Ort und sammelte über 70.000 Unterschriften. Schließlich haben die Investoren ihr Vorhaben aufgegeben.

Stand: 5. September 2023

 
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