Rahel hatte einen Wunsch frei. Sie hätte eine neues Zimmer bekommen können. Vielleicht auch ein Baumhaus, einen Rundflug oder einen Tag als Prinzessin. Auf Ansinnen wie diese hatten sich die ehrenamtlichen Wünscheerfüller der Organisation „Make a Wish“ für schwerkranke Kinder eingestellt. Doch nach reiflicher Überlegung entschied sich die herzkranke Siebenjährige aus Dietmannsried (Kreis Oberallgäu) ganz anders. Sie wollte nach Berlin. Um jenen Mann, zu besuchen, der ihr als Säugling bei mehreren Operationen das Leben gerettet hatte: Prof. Joachim Photiadis, Direktor am Deutschen Herzzentrum der Charité. „Ich wollte ihn kennenlernen und bei seiner Arbeit begleiten“, erzählt die fröhliche Zweitklässlerin.
Vor Kurzem war es dann so weit: Gemeinsam mit ihrer Mutter Ramona Krenz, 34, besuchte Rahel das Herzzentrum in Berlin, wo die neue „Kinder-Ärztin“ rührend in Empfang genommen wurde. „Alle haben sich super um mich gekümmert“, erzählt sie. Prof. Photiadis nahm sich viel Zeit, zeigte Rahel die Klinik, ließ sich von seiner künftigen Kollegin sogar per Ultraschall das Herz checken und lud sie zum Abendessen ein. Obendrein besuchte Rahel mit den Berliner Zoo. „Pizza, Pommes, Panda-Bären: Das waren zwei perfekte Tage“, erzählt Rahel mit einem strahlenden Lächeln. Vor allem genoss sie es, ihrem Lebensretter Joachim Photiadis nahe zu sein. „Ich hab ihm zuvor schon Briefe geschrieben“, verrät sie und fügt stolz hinzu: „Unsere Freundschaft hält also schon über Jahre.“ Es ist eine rührende Freundschaft. Eine, die von Herzen kommt und zu Herzen geht.
Diagnose noch im Mutterleib: "Die Chance, dass sie die ersten Tage überlebt, bezifferten alle ähnlich: mit fünf Prozent"
Dass Rahel heute lebt und lacht, gilt als ein medizinisches Wunder. Noch im Mutterleib wird bei ihr ein „Hypolastisches Linksherzsyndrom“ diagnostiziert. Vereinfacht gesagt, fehlt ihr das halbe Herz. Zusätzliche Fehlbildungen führen zu einer düsteren Prognose: „Wir haben in meiner Schwangerschaft Spezialisten in München, Gießen und St. Augustin aufgesucht. Die Chance, dass sie die ersten Tage überlebt, bezifferten alle ähnlich: mit fünf Prozent“, erzählt Ramona Krenz. Zusammen mit ihrem Mann Roland, 35, will sie dennoch alles erdenkliche tun, um diese Chane zu nutzen und vereinbart einen Termin am Berliner Herzzentrum. Als aber die Wehen mehrere Wochen verfrüht einsetzen, gibt es so gut wie keine Hoffnung mehr.
Völlig verzweifelt ruft Roland Krenz an einem Samstag im Herzzentrum in Berlin an. Obwohl er einen freien Tag hat, meldet sich Prof. Photiadis sofort zurück. „Rahel hat eine Chance verdient“, sagt der Mediziner am Telefon. „Wir organisieren einen Helikopter.“
Stunden später trifft die Familie in Berlin ein. Zwei Tage später kommt Rahel auf die Welt. Kurz nach der Geburt wird sie zum ersten Mal operiert. Drei weitere höchst komplizierte Eingriffe folgen in den folgenden vier Jahren. Rahel übersteht sie alle.
Rahel aus Dietmannsried will Ärztin werden
Das zarte, aber starke Mädchen wird heute von einem Kinderkardiologen betreut und ist auf Medikamente angewiesen. Für sie ist das normal. So wie zur Schule gehen. Rahel schwimmt und radelt gerne, sie verschlingt Connie-Bücher und spielt am liebsten mit ihren drei Geschwistern Noemi (5), Eliah (3) und Talitha (1). „Für uns ist Rahel ein Wunder. Wir genießen jeden neuen Tag mit ihr. Und das dürfen wir nun schon seit sieben Jahren“, sagen ihre Eltern gerührt.
Rahel selbst hat viel vor: Sie will Ärztin werden. „Am besten in Teilzeit“, sagt ihre Mutter lächelnd. Einen ganzen Arbeitstag mit mehrstündigen Operationen, wie sie ihr Lebensretter Joachim Photiadis bestreitet, kann sie sich kaum vorstellen: „Ich will nämlich so viel Zeit wie möglich mit meiner Familie verbringen“, sagt das tapfere Mädchen.