Mehr als 30 Jahre lang wurden deutschlandweit Postkarten verschickt, auf denen mit Briefbomben gedroht wurde. Nun ist die Polizei dem mutmaßlichen Täter auf die Schliche gekommen. Und zwar im Allgäu. Hier soll er zuletzt einem Hotel im Oberallgäu und einem Lebensmittelhersteller im Ostallgäu gedroht haben. Die Polizei Hannover hatte schon viele Jahre in diesem Fall ermittelt, denn der mutmaßliche Täter kommt aus der niedersächsischen Stadt oder deren Umgebung. Den Durchbruch aber schafften die Ermittler aus dem Allgäu. Davon berichtete die Polizei am Donnerstag während einer Pressekonferenz.
Nach über 30 Jahren: Allgäuer Polizei gelingt Durchbruch bei Ermittlungen
Die Ermittler nennen ihn den Postkartenerpresser. Denn der mutmaßliche Täter, heute 70 Jahre alt, ehemaliger Lagerist, soll immer zunächst Postkarten verschickt haben. Darauf soll er gedroht haben, eine Briefbombe hinterherzuschicken, falls ein von ihm geforderter Geldbetrag nicht bezahlt wird. Im April erhielten auch die beiden Allgäuer Unternehmen solche Postkarten. Darauf wurden jeweils 500.000 Euro gefordert. Hotel und Lebensmittelhersteller erstatteten Anzeige. Die Ermittlungen begannen. Innerhalb eines Tages sei klar gewesen, dass diese Fälle mit der bundesweiten Tatserie zu tun haben müssen, sagte Josef Ischwang, Leiter der Kriminalpolizeiinspektion Kempten. Dabei wurden deutschlandweit seit 1992 mindestens 360 Postkarten verschickt. Einige gingen auch nach Österreich und in die Schweiz. Im Allgäu hatte es früher bereits fünf dieser Fälle gegeben, das sei bereits mehr als 20 Jahre her.
Das droht dem mutmaßlichen Postkartenerpresser
Wie die Polizei dem mutmaßlichen Täter auf die Schliche gekommen ist, erklärte Ischwang: Die Postkarten waren immer im Raum Hannover aufgegeben worden. Alle per Hand geschrieben. Empfänger waren meist Lebensmittel- und Arzneimittelhersteller. Im Absenderfeld standen immer mehrere Autokennzeichen. Diese Kennzeichen ließen aber keinen Rückschluss auf den Täter zu, sagt Ischwang. Doch zwei Aspekte waren dabei immer gleich: Es handelte sich um Autos, die sich einmal im Raum Hannover bewegt haben und die überwiegend von Premiummarken stammten. Bis heute sei noch nicht klar, was der mutmaßliche Täter mit den Kennzeichen bezwecken wollte. Der Verdächtige äußere sich bisher nicht zu den Vorwürfen.
Die Ermittlungen gingen weiter: So wurden auf den Droh-Postkarten, die der Polizei vorliegen, DNA-Spuren genommen. Sie wurden mit Daten aus dem Polizeisystem abgeglichen. Doch einem bereits bekannten Täter konnten sie nicht zugeordnet werden. So griffen die Beamten zu einer anderen Methode, einer wesentlich aufwendigeren: Sie hofften, dass der Täter weitere Post verschickt, die mit der Tatserie nichts zu tun hat. Mit Genehmigung des Gerichts wurden bei der Post in Hannover die äußeren Daten aller Sendungen wie Empfänger- und Absenderadressen digitalisiert. Diese Daten wurden dann systematisch ausgewertet. Vor allem wurde dabei geschaut, ob die Handschrift des Täters auf weiteren Sendungen zu finden ist. Und ob Briefmarken, die auch auf den Droh-Postkarten genutzt wurden, auftauchen. "So konnten tatsächlich einzelne Sendungen identifiziert werden, die gleiche Merkmale aufwiesen", sagte Ischwang. Diese Spur führte zu dem 70-Jährigen.
Warum der Mann die Postkarten verschickt haben soll, ist bislang nicht klar
Die Polizei Hannover durchsuchte daraufhin dessen Wohnung. Sie fand mehrere Postkarten, Briefmarkenbögen und Blöcke, die zu den Erpresserschreiben passten. Auf einem Notizzettel standen mehrere Auto-Kennzeichen. Der Mann sei kooperativ gewesen, schweige aber zu den Vorwürfen, sagte Kripo-Beamter Martin Werobel während der Pressekonferenz. Der Senior habe eine DNA-Probe abgegeben. Damit können ihm laut Polizei bisher eindeutig 70 der 360 Fälle zur Last gelegt werden, in denen er eine Droh-Postkarte verschickt haben soll. In Untersuchungshaft sitzt der 70-Jährige nicht. Er sei zwar dringend tatverdächtig, jedoch bestehe keine Fluchtgefahr.
Warum der Mann die Postkarten verschickt haben soll, ist bislang nicht klar. Es sei ein kurioser Fall, sagte Josef Ischwang. Auch, weil sämtlichen Drohungen niemals weitere Taten folgten. So sei nie eine Briefbombe verschickt worden. Auch habe der Täter auf den Postkarten nie weitere Bedingungen genannt, etwa, wo und wie das Geld übergeben werden soll. Gegen den 70-Jährigen werde nun wegen des Verdachts der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung ermittelt, sagt Thomas Hörmann, Oberstaatsanwalt und Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Kempten. Dafür könne ein Täter zu einer Haftstrafe von fünf bis 15 Jahren verurteilt werden.