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Allgäu
Lange Haare, Piercings, Tattoos – was ist bei Trachtlern erlaubt?
In Oberbayern ist eine Familie aus einem Trachtenverein ausgetreten, weil die Frisuren der Söhne kritisiert wurden. Was sagen Allgäuer Trachtenvereine?
Redaktion
 |  aktualisiert: 20.04.2024 02:41 Uhr

Ein Fall im benachbarten Oberbayern sorgt für Diskussionen unter Trachtlern: Weil die Frisuren ihrer Söhne in einem Trachtenverein in Trostberg immer wieder kritisiert wurden, ist ein Ehepaar mit ihren Kindern ausgetreten. Doch wie gehen Allgäuer Trachten- und Musikvereine mit langen Haaren bei Männern oder Tätowierungen und Piercings ihrer Mitglieder um? 

„Leben und leben lassen. Dieses Motto gilt auch für die bayerischen Trachtenvereine“, sagt Günter Frey aus Sulzschneid (Ostallgäu). Er ist als Vorsitzender des Bayerischen Trachtenverbandes. Wer in einen Trachtenverein gehe, müsse allerdings auch bestimmte Regeln akzeptieren.

Aus diesem Grund achten Gebirgstrachtenvereine besonders auf Haarlänge

Das Thema der langen (oder kurzen) Haare betreffe vor allem die Gebirgstrachtenvereine, wo geplattelt wird und die Mitglieder an Preisplattler-Wettbewerben teilnehmen, sagt Frey. Die Haare müssen bei diesen Auftritten oberhalb des Kragens enden. „Sonst gibt es Punktabzug“, sagt Frey. Diese Regelung beziehe sich auf die Gründerzeit der Trachtenvereine, Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts. „Damals war die Haartracht kurz. Das ist so und daran lässt sich auch nicht rütteln“, sagt Frey. Jedoch mache der Verband den Vereinen keine Vorgaben. „Die Regeln legen die Trachtler in den Vereinen selbst vor Ort fest.“

Lange Haare im Trachtenverein: Auch für Frauen gibt es Regeln

Für den Vorsitzenden des Allgäuer Gauverbandes, Hubert Kolb, gehören lange Haare bei Männern nicht zum ordentlichen Erscheinungsbild eines Trachtlers. Bei Umzügen würden sie nicht gerne gesehen. „Wir werden natürlich niemanden vom Mitmachen ausschließen“, sagt er. Solange man die bei vielen jungen Leuten beliebten Tattoos oder Piercings unter der Tracht verstecken kann, stellten sie kein Problem dar. Die Mehrheit der Mitglieder käme mit diesen „Verhaltensregeln“ sehr gut zurecht. 

Auch Josef Häusler, Vorsitzender des Trachtenvereins D' Wertachtaler Kaufbeuren, zählt zu den Befürwortern der Regeln. Es gebe auch welche für Frauen: Sie müssten ihre Haare im Trachtenverein flechten. Haben sie zu kurzes Haar, werde das mit einem Haarteil kaschiert. Piercings und Tattoos werden laut Häusler nicht gerne gesehen - gerade im Gesicht. Lediglich Ohrringe toleriere man sowohl bei Frauen als auch Männern. Es gebe aber auch Wege, um die Regeln zu umschiffen. Sind die Arme tätowiert, kremple man eben die Hemdsärmel nicht hoch. Häusler sagt aber auch: „Wer in den Trachtenverein möchte, will sich auch damit beschäftigen und passt sich auch an.“

Trachtenstreit in Trostberg: Sollten Vereine lockerer mit Haarlängen und Tattoos umgehen?

Auch im Oberallgäu spielt die Frisur eine Rolle beim Wertungsplatteln. Hat ein Bub aus Sicht der Plattler eine unpassende Frisur, wird das laut dem Vorsitzenden der IG Tracht, Michael Haberstock, angemerkt. "Zu lange Haare sind nicht passend", findet der Chef des Dachverbands von 28 Trachtenvereinen im südlichen Oberallgäu. Die Haare der Buben dürften nicht am Hemdkragen aufstehen, erklärt er. Die Mädchen müssten eine Flechtfrisur tragen. Gefärbte Haare würden als unpassend angesehen. Das gelte auch für Piercings und Tattoos. Wenn jemand diese Regeln nicht befolgt, werde das beim Wertungsplatteln angemerkt. "Da steht dann einmal Haare in der Tabelle", sagt Haberstock. In die Wertung fließe das aber nur marginal ein. Er betont, dass bei den Vereinen der IG Tracht ohnehin kein Preisplatteln wie in Oberbayern stattfindet. Das habe man abgeschafft, um ein Konkurrenzdenken unter den Vereinen zu vermeiden, betont Haberstock.

Ob lange Haare bei Männern oder Tattoos bei Trachtlern allgemein nun passend sind oder nicht, sei eine sehr schwierige Frage, sagt Richard Hartmann, Vorsitzender des Trachtenvereins „D’Neuschwanstoaner Stamm Füssen“, der dem Oberen Lechgau Verband angehört. Hartmann findet, dass auch die Brauchtumsvereine heute lockerer mit ihren Vorschriften umgehen sollten. Sie müssten sich klar darüber sein, aus welcher Zeit die von ihnen gemachten Regeln stammen. Ähnlich sei das mit der Kleidung: „Tracht ist immer Mode.“

Blaue Haare, Tattoos oder keine: Das ist beim Musikverein Buchenberg egal

Egal ob rote oder blaue Haare, ob diese kurz oder lang sind, ob tätowierte Haut bis zu den Handgelenken oder nicht: All das spiele keine Rolle, solange die Kleiderordnung passt, also etwa Haferlschuhe, Trachtensocken, Allgäuer Lederhosen und Dirndl sitzen, heißt es beim Musikverein Buchenberg (Oberallgäu). Centa Theobald, die dort Klarinette spielt und stellvertretende Präsidentin des Allgäu-Schwäbischen Musikbundes ist, sagt: „Jeder darf in dieser Gemeinschaft musizieren, da darf Aussehen genauso wenig eine Rolle spielen, wie Herkunft, Hautfarbe oder Religion.“ .

Beim Memminger Trachtenverein sieht man keine Männer mit üppiger Haarpracht. Jedoch nicht wegen eines Verbotes. Gerd Reylaender, der Vorsitzende, sagt lachend: „Bei uns erledigt sich das Thema von selbst, weil wir alle zu alt sind.“ Gertrud Vollmar, zweite Vorsitzende des Trachtenvereins Ottobeuren sagt: „Lange, offene Haare zur Tracht, das passt nicht, finde ich persönlich.“ Sie erklärt: „Wenn in unserem Verein Männer lange Haare haben, stecken sie sie bei Auftritten hoch und verstecken sie unter dem Hut.“ Auch Piercings sollten abgenommen werden und Frauen sollten keinen Nagellack tragen. (AZ)

 
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