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Allgäu
Bürgermeister von Seeg offiziell angeklagt: Das droht Markus Berktold nun
Gewerbsmäßiger Betrug, Untreue, illegaler Waffenbesitz: Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen die Beschuldigten sind massiv. Nun gibt es neue Einzelheiten.
Felix Futschik, Benedikt Siegert
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:47 Uhr

Der Bürgermeister von Seeg, Markus Berktold, soll sich wegen gewerbsmäßigen Betrugs in Millionenhöhe, Untreue und illegalem Waffenbesitz vor Gericht verantworten. Die zuständige Bayerische Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) hat jetzt Anklage gegen den 49-jährigen CSU-Politiker erhoben. Neben Berktold sind ein weiterer Mann (41 Jahre) und dessen Ehefrau (31) angeklagt. Für alle drei Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

Betrugsskandal um den Seeger Bürgermeister: Es geht um zwei Millionen Euro

Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft wiegen schwer: Der Pflegekasse ist laut Anklageschrift ein Schaden von über 2,1 Millionen Euro entstanden. Zusätzlich sollen gut zwei Millionen Euro veruntreut worden sein. Im Zentrum des Falles stehen eine Pflegeeinrichtung und ein Verein – die Caritas-Stiftung Seeg.

Die Ermittler der ZKG gehen davon aus, dass sich der Bürgermeister ab Juli 2020 ein Firmengeflecht rund um diese Einrichtung als zusätzliche Einnahmequelle geschaffen hat. „Sein Ziel soll es gewesen sein, seine Unternehmen auch mit unlauteren Mitteln mit frischem Kapital zu versorgen“, heißt es in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft. Berktold und der ebenfalls angeklagte ehemalige Heimleiter sitzen seit über sechs Monaten wegen Fluchtgefahr in U-Haft.

Bürgermeister von Seeg im Allgäu bleibt weiter in Haft

Laut Anklageschrift sollen Berktold und der 41-Jährige von 2020 bis 2022 unrechtmäßig Coronahilfen in Höhe von 1,3 Millionen Euro aus dem Pflege-Rettungsschirm erhalten haben. Dabei ging es um angeblichen Mehraufwand, der durch die Pandemie entstanden sei. Die Hilfen sollen sie auch noch abgerufen haben, als sich die Struktur der Einrichtung veränderte und das stationäre Pflegeheim geschlossen wurde. Laut Staatsanwaltschaft seien Kosten für eine Schneefräse und eine elektronische Schließanlage erstattet worden – obwohl die Anlage damals noch nicht mal angeschafft gewesen sein soll. Die Beschuldigten haben Scheinrechnungen in Höhe von über 600.000 Euro vorgelegt, lautet der Vorwurf.

Gegenüber der Pflegekasse habe Berktold auf seine Stellung als Bürgermeister und die damit verbundene Vertrauenswürdigkeit verwiesen, „um schneller an das Geld zu kommen“, teilt die ZKG mit. Bei einem weiteren Betrag (800.000 Euro) wurde die Auszahlung gestoppt, weil der Schwindel aufgeflogen war. Die Liste der Vorwürfe wird noch länger. Es geht auch um Untreue. Der Bürgermeister soll knapp 1,4 Millionen Euro zum Nachteil der Caritas-Stiftung Seeg veruntreut haben, deren Vorsitzender er war. 500.000 Euro seien auf ein Privatkonto geflossen. 325.000 Euro gingen laut ZKG auf das Konto einer der Gesellschaften, die Berktold beherrschte. In der Anklageschrift ist von grundlosen Überweisungen die Rede. Bei weiteren Summen gehe es um nicht eingeforderte Pacht-Zahlungen. Insgesamt sollen zwei Millionen Euro veruntreut worden sein.

Nicht nur Betrug, nun geht es auch um Schusswaffen

Zudem wird ein weiteres brisantes Detail öffentlich: Als das Wohnhaus des Bürgermeisters durchsucht wurde, sollen die Beamten ein Gewehr, eine Pistole sowie Munition gefunden haben. Eine Erlaubnis für die Schusswaffen fehlt laut ZKG. Die weiteren Angeklagten, der Ex-Einrichtungsleiter und dessen Ehefrau, sollen sich von Firmenkonten unberechtigt etwa 125.000 Euro auf Privatkonten überwiesen und über einen neu gegründeten Pflegedienst 270.000 Euro Coronahilfen unrechtmäßig erhalten haben.

„Das Ehepaar zeigte sich hinsichtlich aller Vorwürfe geständig“, teilt die Staatsanwaltschaft mit. Sie hätten das Geld benötigt, um private Schulden zu tilgen. Der Bürgermeister äußerte sich dagegen nicht zu dem Tatvorwurf. Nun muss das Landgericht Nürnberg-Fürth entscheiden, ob die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet wird. Wann das sein wird, ist unklar.

Während der Bürgermeister in U-Haft sitzt, läuft in Seeg die Aufarbeitung des Skandals

In Seeg läuft derweil die Aufarbeitung des Pflegeskandals. Der Caritas-Dachverband in Augsburg unterstützt die Seeger. Zuständig ist Rechtsanwalt Dr. Stefan Kiefer. Der Verein sei massiv geschädigt worden und war handlungsunfähig, teilt er mit. Er sagt: Die Erkenntnisse der Staatsanwaltschaft werden „uns dabei helfen, dass der Verein seine Schäden gegenüber dem in U-Haft sitzenden Vereinsvorsitzenden geltend machen kann“.

Der Schaden für den Verein könne durchaus noch höher sein als die von der Staatsanwaltschaft genannten zwei Millionen Euro. Man werde sich intensiv mit den Erkenntnissen der Ermittler beschäftigen.

Landesanwaltschaft will Berktold vorläufig des Dienstes entheben

Neben der Gerichtsverhandlung und einer Verurteilung, droht dem Seeger Bürgermeister Markus Berktold nun auch der rasche Verlust seines Amtes.

Die Landesanwaltschaft strebt an, ihn vorläufig des Dienstes zu entheben. Dies teilte der stellvertretende Oberlandesanwalt Michael Pahlke unserer Redaktion mit. Außerdem sollen Berktold bis zu 50 Prozent seiner Bezüge als Bürgermeister gestrichen werden – bis zu einer möglichen Verurteilung.

Markus Berktold droht Verlust von Amt und Gehalt

Berktold sei am 11. August mit den „ausgedehnten Vorwürfen“ konfrontiert worden. Er habe nun noch Gelegenheit zur Stellungnahme. Klar ist damit: Sein Amt könnte der CSU-Mann schon vor einer Verurteilung verlieren. Voraussetzung: Es wird für wahrscheinlich erachtet, dass der bisherige Rathaus-Chef zu einer Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr verurteilt wird. Dies hält die Landesanwaltschaft offenbar für so gut wie sicher. Neuwahlen und damit einen politischen Neuanfang wird es in Seeg aber erst nach Abschluss des Disziplinarverfahrens und einem Richterspruch geben können.

Weil sich dieses Prozedere noch Monate hinziehen wird, hatte der Gemeinderat Berktold bereits im Juni einstimmig zum Rücktritt aufgefordert. Erfolglos. Derzeit führt der Zweiter Bürgermeister Lorenz Schnatterer die Amtsgeschäfte nebenher. Für eine Stellungnahme standen am Montag weder er noch die Hauptamtsleiterin Carolin Chilian zur Verfügung.

Landesanwaltschaft hat auch Räume des Landratsamtes Marktoberdorf durchsucht

Zuständig für disziplinarische Maßnahmen gegen Bürgermeister ist im Normalfall das Landratsamt. Wegen der „Schwere der Vorwürfe“ hatte die Ostallgäuer Behörde den Fall jedoch kurz nach Bekanntwerden an die Landesanwaltschaft abgetreten. Zwischenzeitlich waren auch Räume des Landratsamts in Marktoberdorf durchsucht worden, um belastendes Material gegen den Rathaus-Chef sicherzustellen.

Berktold ist seit 2014 Bürgermeister der Gemeinde Seeg. Für die CSU saß er bislang zudem im Kreistag – unter anderem im Rechnungsprüfungsausschuss.

 
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