Im mutmaßlichen Betrugsskandal in Seeg (Landkreis Ostallgäu) laufen die Ermittlungen nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft in Nürnberg„beschleunigt“ weiter. Wie berichtet, sitzen Bürgermeister Markus Berktold (CSU) sowie ein Einrichtungsleiter in Untersuchungshaft. „Es werden unter anderem Dokumente gesichtet und Zeugen befragt. Es ist derzeit nicht absehbar, wie lange die Ermittlungen dauern“, sagte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft auf Anfrage unserer Redaktion. Die beiden seien derzeit in unterschiedlichen Justizvollzugsanstalten untergebracht. Sobald die Ermittlungen abgeschlossen seien, werde sich zeigen, ob Anklage erhoben oder das Verfahren eingestellt wird.
Den Beschuldigten wird gemeinschaftlicher Betrug vorgeworfen. Sie sollen zwischen Mai 2020 und Juni 2022 wiederholt Scheinrechnungen gestellt haben. Damit hätten sie bei der Pflegekasse zu Unrecht Erstattungen für angebliche Mehraufwendungen in der Corona-Pandemie erhalten. Der Schaden soll sich auf 1,1 Millionen Euro belaufen. Der Einrichtungsleiter soll zudem mehr als 110.000 Euro durch Scheinrechnungen zu seinen Gunsten veruntreut haben.
In Seeg kommen auch andere Details ans Licht
Unabhängig von den juristischen Vorwürfen kommen auch andere Details ans Licht. So hatte der Seeger Pfarrer Wolfgang Schnabel vor einigen Wochen den in Seeg lebenden früheren Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) gebeten, im Streit um den Caritasverein und dessen Vorsitzenden Berktold zu vermitteln.
Hintergrund: Mehrere Seeger Bürger hatten Berktolds Verhalten scharf kritisiert; unter anderem wurde ihm unterstellt, sich wie ein „Alleinherrscher“ zu gebärden. Dabei ging es auch um eine von Berktold entworfene neue Vereinssatzung. Darin heißt es beispielsweise, dass der aus drei Personen bestehende Vorstand auch dann beschlussfähig sei, wenn nur zwei Vorstandsmitglieder anwesend sind. „Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Sitzungsleiters.“ Für Waigel ein Unding: „Die Satzung ist in meinen Augen sittenwidrig, rechtswidrig und teils geradezu inquisitorisch“, sagte er unserer Redaktion. Fördermitglied könne beispielsweise nur werden, wer über „ausreichendes konkret-persönliches kirchliches oder religiös-christliches Engagement verfügt“.
Ungewöhnlich sei zudem die Machtfülle gewesen, die Berktold als Bürgermeister, Vereinsvorsitzender und Geschäftsführer von drei GmbH (Pflege, Dienstleistungen und Wohnbau) innegehabt haben soll. „Das war ein undurchsichtiges Konstrukt.“ Zur Klärung habe es am Montag in Augsburg ein Gespräch mit Diözesan-Caritasdirektor Andreas Magg gegeben, an dem auch Berktold und Schnabel teilgenommen hätten. Dabei habe man sich laut Waigel auf eine „interne Revision“ geeinigt, um wieder Vertrauen in den Caritasverein herzustellen.
Zwei Tage später wurden Berktold und der Einrichtungsleiter dann aber festgenommen.