170 Fahrgäste sind im Rahmen einer großen Übung der Allgäuer BergwachtbereitschaftenSonthofen, Oberstdorf und Kempten am Samstag innerhalb von drei Stunden aus den Kleinkabinen der BergbahnGunzesried (Oberallgäu) geborgen worden. Die Freiwilligen waren aus dem gesamten süddeutschen Raum nach einem Facebook-Aufruf angereist.
Bergwacht-Großübung bei Gunzesried im Oberallgäu
Dabei wurde die vorgeschriebene Rettungszeit von dreieinhalb Stunden um eine halbe Stunde unterschritten – mit dem Ergebnis ist Übungsleiter Thomas Lange zufrieden. Wir sitzen gegen 9 Uhr in einer Kleinkabine der Gunzesrieder Bahn, mit dabei ist der Sonthofer Jochen Jankowsky, 75 Jahre alt und bis zu seinem 60. Lebensjahr 43 Jahre lang in der Bergwacht aktiv. Neben ihm sitzt Michael Fracaro, Geschäftsführer des Alpenvereins in Immenstadt, und sein siebenjähriger Sohn Jonas.
15 Minuten später bleibt die Bahn plötzlich stehen. „Bitte bewahren Sie Ruhe, es besteht keine Gefahr“, tönt eine Stimme aus den Lautsprechern an den Seilbahn-Masten. Rettungstrupps seien unterwegs, werden die 170 Teilnehmenden der Übung informiert. Darunter ist auch Michael Guggenmos aus Sonthofen, der im Rollstuhl sitzt. Auch drei Hunde warten jetzt mit ihren Frauchen und Herrchen in den Kabinen.
Zu Übungszwecken werden die Gondeln einer Bergbahn evakuiert
Dass die Evakuierung einer Bahn in einem derart großen Umfang trainiert wird, sei im Allgäu bisher einzigartig, sagt Bernd Zehetleitner von der BergwachtSonthofen. Für die Insassen der Gondeln, heißt es jetzt abzuwarten, bis Rettung kommt. Das dauert in unserem Fall etwa eineinhalb Stunden. Der kleine Jonas übt sich in Geduld, Gummibärchen helfen dabei.
Währenddessen sind zwölf Bergwacht-Teams mit jeweils zwei bis drei Einsatzkräften und einem 25 Kilogramm schweren Rettungsrucksack zu Fuß am Berg unterwegs und beginnen mit der Evakuierung. Das funktioniert, vereinfacht gesagt, so: Zwei Bergwachtler steigen die Seilbahn-Masten hinauf und einer macht sich in der Luft hängend mit einem speziellen Seilfahrgerät nach unten auf den Weg zur nächsten Kabine. Gebremst wird er von einer Einsatzkraft auf dem Masten mit einem Bergseil. Dann öffnet er von außen die Kabinentüre und tritt ein. „Servus, ich bin der Schorsch“, kommt Bergwachtler Georg Kammermeier jetzt in unsere Gondel.
Er erklärt uns, dass wir zum Boden abgeseilt werden und legt einem nach dem anderen die „Rettungswindel“ an. Das ist so etwas wie ein stabiles Sitztuch, an zwei Schlaufen wird es über Karabiner mit dem Seil verbunden. Dann geht alles ruck, zuck: Erstklässler Jonas fasst Mut und klettert – am Seil gesichert - als erster über die Türschwelle. Schorsch lässt ihn ab, indem er gefühlvoll Seil nachgibt. Nach wenigen Sekunden steht der Siebenjährige unten und wird von Bergwachtlern in Empfang genommen. Alles gut, „cool“ war´s, sagt er.
Bei der Übung im Oberallgäu sind mehrere Bergwacht-Teams im Einsatz
Frank Stockhorst nimmt ihn in Empfang und führt so wie Bergwachtlerin Anja Feuerstein-Hölzle eine Liste mit den Personalien der Geretteten. So werden nach und nach von den Rettungsteams alle Bahn-Insassen wieder heil auf den Boden gebracht und dann von Bergwachtlern zum nächstgelegenen Weg geleitet oder mit dem Auto nach unten gefahren. Gegen 12 Uhr ist die Evakuierungsübung weitgehend abgeschlossen, zur Belohnung hat die Bergbahn für die 50 Bergwachtfrauen und -männer sowie die Komparsen eine Brotzeit bereitgestellt.
Alles habe bestens geklappt, zeigen sich der Sonthofer Bergwacht-Einsatzleiter Markus Zacher genauso wie Übungsleiter Thomas Lange zufrieden. „Als Betriebsleiter ist es gut zu wissen, dass das klappt“, sagt auch Kilian Baumgartner, der bei der Bahn für die technischen Abläufe zuständig ist. Nach Angaben von Bergbahn-Geschäftsführer Thomas Dusch hat es in Gunzesried noch nie einen Totalausfall gegeben, wie er jetzt das Szenario war.
Bergwacht-Großübung bei Gunzesried gelingt
Und bei einem Stromausfall? „Dann können wir immer noch auf unser Notstromaggregat zurückgreifen.“ Ursache eines totalen Stillstands der Anlage könnte höchstens ein schwerer technischer Defekt sein, schildert Betriebsleiter Baumgartner– beispielsweise ein Getriebeschaden. Doch laut Statistik komme ein Totalausfall einer ganzen Bergbahn in Bayern nur etwa alle drei Jahre vor. Dennoch sei jedes Unternehmen verpflichtet, sich für einen solchen Ernstfall zu wappnen.
Ganz begeistert vom Ablauf der Übung ist Rollstuhlfahrer Michael Guggenmos, der mit Ehefrau Claudia mitgemacht hat. „Am liebsten würde ich mich gleich nochmal retten lassen“, sagt er lachend und hat sich vorgenommen: „Nächstes mal bin ich wieder dabei.“