Selten ist das Ergebnis einer Wahl so irrelevant wie an diesem Sonntag in Russland: Dass Wladimir Putin weiter Präsident bleiben wird, steht schon lange fest, nicht umsonst gilt die Wahl als undemokratisch und Russland als Diktatur. Andreas Jurca und Ulrich Singer, zwei schwäbische AfD-Abgeordnete im Bayerischen Landtag, widersprechen da nicht einmal. Dennoch sind sie zur Wahl nach Russland gereist – und müssen sich jetzt mit dem Vorwurf auseinandersetzen, der Herrschaft Putins damit einen legitimen Anstrich zu geben. Es ist nicht der einzige Kritikpunkt, mit dem sie konfrontiert werden.
Ulrich Singer, der die AfD für den Landkreis Dillingen in München vertritt und in Donauwörth wohnt, ist bereits seit vergangenem Sonntag in Russland – und somit eine Woche vor der Wahl eingetroffen. Eine entsprechende Auskunft, die Singers Frau unserer Redaktion am Sonntag gegeben hatte, bestätigte Singer inzwischen auf Nachfrage. Bei der Länge des Aufenthalts habe seine Frau "etwas übertrieben": Anders als zuerst angenommen sei er nicht für drei, sondern "etwas mehr als zwei Wochen" in Russland.
AfD-Politiker aus Augsburg und Donauwörth zur Wahl in Russland
Vom 13. bis 19. März habe der "Bürgerrat der Russischen Föderation" ein Programm geplant. Der Rat soll das Parlament beraten, gilt aber als machtlos und nicht unabhängig. Dass die Reise bereits mehrere Tage davor beginnt und erst bedeutend später endet, begründet Singer damit, dass er sich vor Ort einen eigenen Eindruck machen will.
Kritik für die Reise gab es auch aus den eigenen Reihen: Schon der Bundesvorstand der AfD soll sich kritisch geäußert haben. In einer Stellungnahme gegenüber unserer Redaktion folgte auch die bayerische Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner dieser Ansicht. Die Abgeordneten seien nicht als Repräsentanten der Fraktion in Russland. "Nach Auffassung der Fraktionsführung sollen sich bayerische Abgeordnete daher um die Probleme und die Sorgen bayerischer Bürger kümmern."
Singer sieht sich, Jurca und die mittelfränkische Abgeordnete Elena Roon in Russland allerdings eben doch unterwegs im Auftrag der bayerischen Bevölkerung. Die Kritik ist wohl Folge einer "unbegründeten Sorge", dass sie einseitiger "Putin-Propaganda" auf den Leim gehen, wie Singer mitteilt. "Doch wir haben das eigene und kritische Denken nicht aufgegeben", hält er dagegen. Jurca hatte bereits am Wochenende klargestellt, dass er nicht als Wahlbeobachter nach Russland reise, sondern den "von der AfD geforderten 'diplomatischen Dialog'" forcieren wolle.
Russland-Reise von Politikern aus Schwaben und die Frage nach der Finanzierung
"Wir sind fest davon überzeugt, dass die Bayern und die deutsche Bevölkerung kein Interesse an einer weiteren Zuspitzung des Konflikts mit Russland haben", argumentiert Singer. Man wolle lieber "Politiker und Diplomaten anstelle von Taurus-Raketen" nach Russland schicken. Er sieht sich also offenbar als Vermittler im geopolitisch zentralen Konflikt zwischen Russland und dem Westen – ein Ansinnen, dass es für ihn offenbar auch rechtfertigt, über einen halben Monat außer Landes zu sein und weder Termine im Wahlkreis noch im Parlament wahrzunehmen.
Die Reise nach Russland haben die drei selbst finanziert, um "etwaige Bedenken zu entkräften", wie Singer und Jurca mitteilen. Fraktionschefin Ebner-Steiner hatte am Sonntag in ihrer Stellungnahme an unsere Redaktion noch mitgeteilt: "Die Finanzierung der Reise durch den sogenannten 'Bürgerrat der Russischen Föderation' bewerten wir als unangemessen." Auf Nachfrage teilte die Pressestelle nun mit, dass diese Stellungnahme bereits formuliert worden sei, als "die Option einer Finanzierung der Reise durch den Bürgerrat noch im Raum" stand. "Die drei Abgeordneten haben sich dann entschieden, die Reise selbst zu finanzieren."
Der Augsburger Abgeordnete Jurca hatte zur Lage in Russland bereits am Wochenende mitgeteilt: "Dass es in der Russischen Föderation eklatante Demokratiedefizite gibt, zumindest von außen betrachtet, ist sicher kein Geheimnis." Dass er und seine Kollegen damit Präsident Putin und dessen Gewaltherrschaft mitlegitimieren könnten, daran glaubt er nicht. Das sei "in Anbetracht der derzeitigen Lage" auch kein Ansinnen, an dass die russische Regierung ernsthaft glaube. Er nehme eine "Standardaufgabe" wahr.