Auch Kinder mit Behinderung wollen Regelschulen besuchen. Dafür benötigen sie oft einen Schulbegleiter. Der hilft ihnen zum Beispiel auf dem Schulweg, assistiert im Unterricht und unterstützt in der Pause. Finanziert werden die Schulbegleiter von den Sozialhilfeträgern. Die allerdings bewilligen oft nur Hilfskräfte ohne spezielle Ausbildung. Was bei den Sozialverbänden, die oft Arbeitgeber der Schulbegleiter sind, auf Kritik stößt. Wegen der unbefriedigenden Rahmenbedingungen sind einige Verbände inzwischen aus diesem Bereich ausgestiegen.
So hat zum Beispiel die Lebenshilfe Aschaffenburg beschlossen, kein Arbeitgeber von Schulbegleitern mehr zu sein. Den Ausschlag gab der Wechsel der Zuständigkeit für die ambulante Eingliederungshilfe: Seit 2008 sind hierfür die Bezirke verantwortlich. Früher waren es die Kommunen. Laut Lebenshilfe brachte der Wechsel eine Absenkung der Standards mit sich. Gerade geistig behinderte Kinder bräuchten Schulbegleiter mit „pädagogischem Feeling“. „Es geht nicht nur darum, die Kinder im Rollstuhl herumzuschieben“, sagt Leiter Bernhard Germer.
Stark steigender Bedarf
Schulbegleiter müssten zum Beispiel einschätzen können, wann ein Kind unter- oder überfordert ist. Dies könnten unausgebildete Kräfte nicht. Schwierig ist nach Ansicht der Aschaffenburger Lebenshilfe auch, dass die Schulbegleiter nur einen geringen Lohn erhalten. Außerdem seien nur zehn Ausfalltage pro Kind vom Bezirk finanziert worden. Über alle Kinder hinweg wurden aber im Durchschnitt fast 20 Fehltage registriert. Inzwischen werden pro Schuljahr bis zu 15 Ausfalltage finanziert. Pro Schulbegleiter refinanziert der Bezirk 24,86 Euro pro Stunde.
Sind die Arbeitgeber nicht tarifgebunden oder stellen die Eltern die Schulbegleiter selbst an, werden 23,13 Euro gezahlt. „Die Bruttobeträge sind allerdings nicht identisch mit dem Lohn der Schulbegleiter“, heißt es vom Bezirk. Momentan trägt der Bezirk Unterfranken die Kosten für 614 Kinder, die in Schule oder Kita einen Begleiter benötigen. Die Zahl stieg in den vergangenen Jahren stark an. 2010 waren es 180 Schulbegleiter. Wie qualifiziert der Begleiter sein muss, hänge vom individuellen Bedarf ab, so der Bezirk: „In der Regel sind Hilfskräfte jedoch ausreichend.“
Bei seiner Entscheidung, wer welche Art von Schulbegleiter enthält, orientiert sich der Sozialhilfeträger an den Gemeinsamen Empfehlungen des Bayerischen Bezirketags und des Kultusministeriums. Auf dieser Basis erhalte allerdings längst nicht jedes Kind einen Schulbegleiter mit einer Qualifikation, die auch seinem individuellen Hilfe- und Assistenzbedarf entspricht, sagt Kevin Kaiser vom Dominikus-Ringeisen-Werk (DRW) in Ursberg im Landkreis Günzburg: „Nur in Einzelfällen werden Fachkräfte oder Mitarbeiter mit Teilqualifikation, also etwa Kinderpfleger, bewilligt.“
Zu den Sätzen, die der Bezirk Schwaben refinanziert, könnten gar keine Kräfte mit Berufserfahrung angestellt werden, sagt der Gesamtleiter für Ambulante und Offene Hilfen. Das DRW begleitet momentan rund 120 Kinder und Jugendliche in ihrem Schulalltag. „Sowohl an Förderzentren als auch in Regelschulen.“ Bezahlt werden die Integrationshelfer nach kirchlichem Tarifvertragswerk. Ist das Kind krank, dürfen in Schwaben 20 Tage abgerechnet werden. „Bei deutlichen Grenzüberschreitungen kann eine Einzelfalllösung beantragt werden“, erläutert Kaiser.
Kräfte ohne pädagogische Bildung
Bei der Lebenshilfe in Nürnberg kümmert sich Michael Dubno seit fünf Jahren um den Schulbegleiterdienst. „Damals hatten auch wir unheimlich viele Hilfskräfte“, berichtet er. Das wandelt sich seit etwa drei Jahren. Die Sachbearbeiter des mittelfränkischen Bezirks kämen vor Ort zu Hospitationen: „In den meisten Fällen bewilligen sie, was die Schule oder der Kindergarten fordert.“
Bei Kindern mit Autismus würden teils sogar höhere Qualifikationen zugestanden. Wobei es auch in Nürnberg Kinder gibt, die nur Quereinsteiger ohne pädagogischen Hintergrund erhalten.
Vergangenes Schuljahr kümmerte sich Dubnos Team um bis zu 35 Kinder, die Nachfrage sei aber weit größer. Das abzudecken sei wegen der schwierigen Rahmenbedingungen nicht möglich. Das liege vor allem an der Krankheitstage-Regelung. In Mittelfranken würden nur zehn Krankheitstage refinanziert. Ist das zu begleitende Kind länger krank, zahlt der Sozialhilfeträger nicht mehr – der Arbeitgeber aber muss seine Angestellten weiter entlohnen.