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ASCHAFFENBURG
40 Jahre nach Titelgewinn: Handball-Weltmeister wieder vereint
Empfang fuer 40 Jahre Handball-Weltmeister von 1978       -  40 Jahre nach dem Titelgewinn – die Weltmeister von 1978 vor dem Schloss Johannisburg in Aschaffenburg: (hinten von links) Co-Trainer Rudolf Spengler, Gerd Rosendahl, Arnulf Meffle, Männerspielwart Heinz Jakobsen, Kurt Klühspies, Trainer Vlado Stenzel, Manfred Hofmann, Richard Boczkowski, Horst Spengler, Heiner Brand, Claus Fey, Physiotherapeut Jürgen Söhngen, Manfred Freisler (verdeckt), Claus Hormel, Dieter Waltke und Joachim Deckarm (vorne Mitte).
Foto: Heiko Becker | 40 Jahre nach dem Titelgewinn – die Weltmeister von 1978 vor dem Schloss Johannisburg in Aschaffenburg: (hinten von links) Co-Trainer Rudolf Spengler, Gerd Rosendahl, Arnulf Meffle, Männerspielwart Heinz ...
Uli Sommerkorn
 |  aktualisiert: 17.02.2018 03:04 Uhr

Sonntag, 5. Februar 1978, kurz vor 17 Uhr, Kopenhagen, Brondby-Halle. Verschwitzte junge Männer in weißen Shirts hüpfen ausgelassen über das Spielfeld, ihr Trainer Vlado Stenzel wird mit einer Pappkrone auf dem Kopf durch die Halle getragen.

Die Mannschaft der Bundesrepublik Deutschland ist eben durch einen 20:19-Finalsieg über die Sowjetunion überraschend Handball-Weltmeister geworden. Heute gilt dieser Titelgewinn als Sportgeschichte, die Protagonisten der Partie sind hierzulande längst Handball-Legenden.

Exakt 40 Jahre später, Rathaus Aschaffenburg. Von den 16 Spielern des damaligen Weltmeisterteams sind bei einem Ehrungstermin von Oberbürgermeister Klaus Herzog zwölf anwesend, der ehemalige Gummersbacher Claus Fey ist sogar aus Kanada angereist, wohin er mittlerweile ausgewandert ist.

Auch Ex-Trainer Stenzel, mittlerweile 83 Jahre alt, ist da. Drei der Weltmeister von 1978 – die Torhüter Rudi Rauer und Rainer Niemeyer sowie Rückraumspieler Erhard Wunderlich – leben nicht mehr. Viele der ehemaligen Teamkollegen umarmen sich, unterhalten sich angeregt, trinken ein Glas Weißwein miteinander.

Kurt Klühspies als Organisator

„Das macht Spaß und ist ganz entspannt“, sagt Kurt Klühspies über die Zusammenkunft der Weltmeister. Der ehemalige Rückraumspieler, geboren 1952 in Würzburg, zunächst aufgewachsen im Stadtteil Heidingsfeld, hat das Treffen zum 40. Jubiläum organisiert. Als er acht Jahre alt war, zog die Familie an den bayerischen Untermain, weil sein Vater zunächst Bauleiter und später Hausmeister am Krankenhaus in Erlenbach war. Dort fiel das handballerische Talent von Kurt Klühspies auf, beim TV Großwallstadt wurde er deutscher Meister, Europapokalsieger und Nationalspieler. Und schließlich eines der Gesichter des WM-Triumphs von Kopenhagen.

Fotoserie

Neben Klühspies standen noch zwei weitere Handballer vom unterfränkischen Traditionsverein TV Großwallstadt, der gemeinsam mit dem VfL Gummersbach um Heiner Brand das Gerüst der Mannschaft stellte, im Team von Kopenhagen: Manfred Freisler, mittlerweile 60 Jahre und Sozialarbeiter in einer Justizvollzugsanstalt, und Torhüter Manfred Hofmann. Letzterer ist in der vergangenen Woche 70 Jahre alt geworden, wie Klühspies Rentner, aber immer noch aktiv im Handball. Seit einigen Monaten ist der frühere Keeper, dessen markanter Schnauzbart mittlerweile ergraut ist, sogar wieder Trainer des TV Großwallstadt in der Dritten Liga.

„Das ist schon so etwas wie ein Familientreffen“, sagt Hofmann, der im WM-Finale mit drei gehaltenen Siebenmetern großen Anteil am Titelgewinn hatte, über die Zusammenkunft.

Die Mannschaft hatte sich bereits am Tag vor der Ehrung im Rathaus in einem Hotel versammelt, um den 66. Geburtstag von Kurt Klühspies zu feiern. Und nach dem Termin beim OB ging's zu einem gemeinsamen Foto vor dem Aschaffenburger Schloss Johannisburg und zu einer Brauereibesichtigung. „Aschaffenburg ist ein guter Ort für ein solches Treffen, die Stadt hat die höchste Kneipendichte in ganz Bayern“, erklärt der damalige Kapitän Horst Spengler, ohne eine Quelle für die angeführte Statistik zu nennen.

Natürlich schweißt ein gemeinsamer sportlicher Triumph zusammen, doch ein tragisches Ereignis hat die Weltmeister von Kopenhagen vielleicht noch enger zusammengebracht. Ein Ereignis, das das Leben von Joachim Deckarm radikal veränderte.

Knapp 14 Monate nach dem Finale von Kopenhagen, in dem er mit sechs Treffern bester Werfer der Partie gewesen war, stieß der Rückraumspieler vom VfL Gummersbach bei einem Europapokalspiel im ungarischen Tatabanya mit einem Gegenspieler zusammen und schlug mit dem Kopf auf dem Hallenboden auf. Deckarm trug einen doppelten Schädelbasisbruch und Gehirnquetschungen davon, fiel für 131 Tage ins Koma. Als er erwachte, hatte er sein Sprachvermögen und seine motorischen Fähigkeiten verloren, wurde zum Pflegefall.

Ein Leben mit Therapien

Es folgte ein Leben mit Therapien, um zumindest Teile der verloren gegangenen Fähigkeiten wiederzuerlangen. „Wir wollten ihm es ermöglichen, dass er sein Leben so optimal, wie es irgend geht, leben kann“, erklärt Kurt Klühspies. Deshalb gründeten die Handballer einen Fonds, der Joachim Deckarm unterstützt, ihm zusätzliche Physiotherapie oder motorisches Training finanziert. Zudem unterhält die Organisation zwei Stellen im Bundesfreiwilligendienst, um für Joachim Deckarm auch in seiner Heimatstadt Saarbrücken Betreuung zu gewährleisten. Für den Fonds fungiert Kurt Klühspies als Botschafter. „Natürlich hat die Sache mit Joachim eine Rolle gespielt, dass wir auch nach unserer aktiven Zeit miteinander zu tun hatten“, sagt Manfred Hofmann.

Die Hilfe geht weiter

Jahrelang hatten die Mitglieder des Teams landauf, landab Benefizspiele bestritten, um den Fonds mit Geld zu füllen. „Mittlerweile ist das aber wegen unserer fortgeschrittenen Alter nicht mehr möglich. Da ist es gut, dass sich da jetzt auch Jüngere bei solchen Spielen engagieren“, so Kurt Klühspies. „Es muss ja weitergehen.“ Aktuell helfen frühere Nationalspieler wie Christian Schwarzer oder Stefan Kretzschmar.

Den Empfang im Aschaffenburger Rathaus verfolgt Joachim Deckarm im Rollstuhl. Das Sprechen fällt ihm schwer. Wenn sich der nun 64-Jährige mit früheren Mitspielern unterhält, wandert oft ein Lächeln über die Lippen. Was zeigt: Er fühlt sich wohl im Kreis der Weltmeister von 1978. Eine Gruppe, die Ereignisse zusammengeschweißt haben, die über den sportlichen Erfolg hinausgehen.

 
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  • Zaladhaedla
    An den Tag kann ich mich noch sehr gut erinnern. Das muss der Fastnachtssonntag gewesen sein. Wir haben auf einer Faschingsveranstaltung Musik gemacht und plötzlich springt einer auf die Bühne und ruft die Nachricht in den Saal.
    Danach haben wir wohl an die hundertmal spielen müssen. "Deutschland ist, Weltmeister, Russland ist nur Zeiter, alle Jahre wieder, schlagen wir sie nieder. Kling, Glöckchen, klingelingeling.....
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  • cimb24
    Allerhöchsten Respekt den Sportkollegen ob dem gegründeten Fond zur Unterstützung des verunfallten Mitspielers.

    Sowas liest man selten.
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