Zurück in Liga drei: Die aufregende Tour des FC Würzburger Kickers durch die Zweite Fußball-Bundesliga entpuppte sich als Rundweg. Am Anfang ging es ein halbes Jahr lang steil bergauf, ehe es unerwartet schnell wieder nach unten ging. Rückblick auf ein turbulentes Jahr.
Juni 2016
Los geht's im Schnäppchenmarkt zwischen Decken, Besteck-Sets und Lampen mit einer Veranstaltung im XXXL-Format. Zwei Tage nach Beginn der Vorbereitung haben die Kickers zu einer öffentlichen Pressekonferenz eingeladen, in ein Möbelhaus nach Heidingsfeld. Eine „gravierende Entscheidung im personellen Bereich“ sei gefallen, deshalb solle jeder bei der Bekanntgabe dabei sein können. Zwischen den Sommerschlussverkaufs-Angeboten stehen drei riesige, man könnte auch sagen viel zu große, rote Stühle. Auf dem mittleren sitzt Bernd Hollerbach. Grund der Veranstaltung: Die Kickers geben bekannt, dass der Trainer einen neuen Vertrag bis 2019 unterschrieben hat. Die Kickers verlieren also nach dem Aufstieg auf diesen Riesenstühlen für einen Moment die Bodenhaftung – rein bildlich natürlich.
Juli 2016
Trainingslager in Tirol. Mit dem Elektrofahrrad geht es zum Sportplatz und zurück. „Von anderen Vereinen bin ich gewohnt, dass man mit dem Bus fährt“, sagt Neuzugang Sebastian Neumann. Die Neuen sollen sich rasch integrieren. Darunter ist auch Anastasios Lagos. Für den Griechen, vom Großklub Panathinaikos Athen nach Würzburg gewechselt, ist Würzburg die erste Auslandsstation. „Die ersten Tage sind nicht einfach“, sagt Lagos auf Englisch. Für ihn nicht nur die ersten Tage. Die Verpflichtung des Griechen sollte sich als ziemlich mysteriöses Missverständnis entpuppen.
August 2016
Saisonauftakt: Erst eine 1:2-Niederlage in Braunschweig, dann das 1:1-Remis gegen Kaiserslautern und schließlich der 2:1-Sieg in Heidenheim. 13 984 Tage nach dem 2:0 gegen den FK Pirmasens gewinnen die Kickers wieder ein Zweitliga-Spiel. Auf der Schwäbischen Alb dämmert es: Es wird eine historische Saison.
September 2016
„Seht Ihr Nürnberg, so wird das gemacht!“, singen die Anhänger. Während der Club sein Derby gegen die SpVgg Greuther Fürth noch verlieren wird, gewinnen die Kickers bei der Spielvereinigung am Ronhof mit 3:0. Für den Moment ist der Emporkömmling aus Würzburg Frankens Nummer eins. Die mitgereisten Fans jubilieren. Als die Anhänger und Spieler nach dem Spiel die so genannte Humba anstimmen wollen, schreitet Robert Wulnikowski ein. „Respekt“ brüllt der Torwart-Routinier und bereitet dem Treiben ein Ende: „Wir haben dem Gegner eine Klatsche verpasst. Da muss man nicht noch zusätzlich provozieren.“
Oktober 2016
Den Kickers geht der Saft aus. Noch nicht endgültig – aber kurzzeitig. Beim Heimspiel gegen den Karlsruher SC (0:2) brennt in der Halbzeit eine Sicherung durch. Das Flutlicht erlischt. Hunderte Zuschauer zücken ihre Handys und sorgen für Licht in der Dunkelheit. Drei Niederlagen in Serie setzt es im Oktober – inklusive dem DFB-Pokal-Aus gegen 1860 München. Diesmal aber bekommt die Hollerbach-Mannschaft noch einmal die Kurve und kehrt in die Erfolgsspur zurück.
November 2016
Das letzte Stürmertor der Saison: Elia Soriano hält beim Auswärtsspiel in Nürnberg in der 54. Minute aus der Distanz einfach mal drauf. Der Ball wird abgefälscht und landet im Club-Kasten. Das 1:1. Das fünfte Saisontor des Angreifers. Dass keines mehr dazukommen wird – wer hätte das damals schon gedacht? Das Frankenduell endet nach einer turbulenten zweiten Hälfte und dem späten Nürnberger Ausgleich 2:2. Späte Gegentore werden aber erst später in der Saison noch zu einem ganz bestimmenden Thema.
Dezember 2016
Eine Sternstunde im Advent: 3:0 demütigen die Kickers den VfB Stuttgart. Ein Spiel, an das man sich noch lange erinnern wird. „Dieser Sieg hat uns nicht gutgetan“, wird Hollerbach im Frühjahr sagen. An diesem Sonntag im Advent trübt aber nichts und niemand die Freude. Da sagt Hollerbach: „Ich bin stolz auf mein Team.“
Januar 2017
Wo und wann hat der Niedergang eigentlich angefangen? In Marbella an der spanischen Costa del Sol beziehen die Kickers Quartier, um sich auf die Rückrunde vorzubereiten. Dort geht es zu Fuß vom Hotel zum Trainingsplatz. Kapitän Neumann findet nun schon gar nichts mehr dabei. Hollerbach denkt schon an die nächste Saison. Kurz nach der Rückkehr aus Spanien verlassen nach Dominik Nothnagel und Dennis Russ auch Richard Weil und Sascha Traut den Klub. Hollerbach verpflichtet außer Sebastian Ernst und Lukas Fröde keinen weiteren Spieler, weil er „Handlungsspielraum“ für den Kader in der kommenden Spielzeit brauche. Ein Irrtum.
Februar 2017
Hollerbach flüchtet sich in Ironie: „Vielleicht haben wir ja zu wenig trainiert“, sagt er nach dem 1:2 in Bochum. Wer wollte dem einstigen Co-Trainer von dem als Schleifer verschrieenen Felix Magath so etwas schon unterstellen? Späte Gegentore werden zur Regelmäßigkeit. Erklären kann Hollerbach sie sich nicht – und er findet kein Gegenmittel. Der Trainer scheint erstmals zu spüren: Irgendetwas läuft hier ganz gehörig schief. Am Ende sind es alleine in der Rückrunde 13 Gegentore nach der 80. Minute. Wären die Spiele zehn Minuten früher abgepfiffen worden, die Kickers wären ganz locker in der Liga geblieben.
März 2017
Beim 0:2 gegen Dynamo Dresden fehlt Rico Benatelli auf dem Aufstellungsbogen. Merkwürdig finden das viele Beobachter, schließlich ist der Mittelfeldmann über die Saison hinweg einer der wertvollsten Akteure im Kickers-Kader gewesen. Am Tag nach der Niederlage gegen die Sachsen wird bekannt: Benatelli spielt in der kommenden Saison für Dresden. Der Grund für Benatellis Fehlen? Die Stimmung am Dallenberg leidet längst unter der Sieglosigkeit, aber an Abstiegskampf mag noch keiner glauben.
April 2017
Es ist der 1. April, und man kann es tatsächlich für einen schlechten Scherz halten. Junior Diaz, bei der WM in Brasilien mit Costa Rica immerhin Viertelfinalist, macht gegen Arminia Bielefeld das Eigentor des Jahres. Wer das 1:1 nicht mit eigenen Augen gesehen hat, kann sich nicht vorstellen, wie der Ball in der Nachspielzeit Linksfuß Diaz beim Versuch, das Spielgerät mit dem rechten Schlappen aus dem Strafraum zu dreschen, über den Span rutscht und im hohen Bogen ins eigene Tor fliegt. Das wirklich Dramatische: Ohne dieses Gegentor hätten die Kickers nun in der Relegation noch die Chance auf den Klassenerhalt.
Mai 2017
Am Ende sitzt Bernd Hollerbach wieder auf einem Stuhl. Diesmal auf einem in normaler Größe. Im Presseraum des Stadions am Dallenberg erklärt er seinen Rücktritt. Stephan Schmidt wird ihn beerben. Am vorletzten Spieltag sind die Kickers erstmals auf einen Abstiegsplatz abgerutscht. Hollerbach kann das Ruder nicht mehr herumreißen. Kickers-Vorstandsvorsitzender Daniel Sauer sagt nach dem 1:4 in Stuttgart: „Wir sind jetzt traurig, aber auch ein bisschen stolz.“
immer spielte, das könnte nur Hollerbach selbst lösen! Dabei kannte er bei anderen Spielern keine Gnade, Weihrauch der wohl technisch begabteste und schnellste Spieler, versank oft schnell wieder in der Versenkung! Hollerbach sah die Lage trotz fortgesetzter Erfolgslosigkeit nicht so dramatisch. Das erinnert mich an den Club
in den Jahren 1968/69. Zuerst Meisterschaft und dann Abstieg. Danach bekannten viele Spieler die Lage, lange nicht ernst genug genommen zu haben! Für die Vorrunde hat Hollerbach jedoch eine bessere Benotung verdient. Fairerweise muss gesagt werden, Fortuna hat die Kickers in der Rückrunde völlig verlassen und sich den Gegnern zugewendet.