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Klettern
Würzburger Kletterhalle: Was man beim Bouldern fürs Leben lernen kann
Seit 2009 steht in Würzburg die rock-inn-Boulderhalle, vor Kurzem fand dort wieder der Würzburger Boulder-Wettkampf statt. Doch was verbirgt sich hinter dieser Sportart?
Rund 200 Sportlerinnen und Sportler nahmen im Mai am „Masters V“ in der Boulderhalle RockInn in Würzburg teil und mussten teilweise spektakuläre Überhänge klettern.
Foto: Patty Varasano | Rund 200 Sportlerinnen und Sportler nahmen im Mai am „Masters V“ in der Boulderhalle RockInn in Würzburg teil und mussten teilweise spektakuläre Überhänge klettern.
Manuel Fröhlich
 |  aktualisiert: 08.02.2024 19:44 Uhr

"Das Bouldern hat erstaunlich viele Parallelen zum echten Leben" – so beginnt Andreas Schmitt, einer der Betreiber der Würzburger Boulderhalle, seine Erzählungen über seine liebste Sportart. Eine Sportart, von der wohl der Großteil der Bevölkerung nicht weiß, dass sie im Rahmen sportlicher Wettbewerbe ausgeübt wird. Vielleicht sogar eine Sportart, mit deren Namen "Bouldern" viele überhaupt nichts anfangen könnten, würde man sie befragen. "Es ist ein Jammer!", kommentiert Schmitt diesen Zustand.

Um sich einer Sportart anzunähern, führt der erste Schritt offensichtlich über ihren Namen. Eine kurze Recherche fördert dabei den Ursprung des Begriffs Bouldern zutage: Das Bouldern stammt vom englischen "boulder" ab, was Felsblock bedeutet. Entscheidender als der Felsblock ist jedoch das, was die Sportler mit dem Felsblock anstellen: Sie klettern und besteigen diese, oder, wie man im Fachjargon sagt, lösen Boulderprobleme. Das Bouldern ist also das Klettern an Felsblöcken, und zwar in der Regel ohne Seil oder Gurt. Doch nicht nur das: Auch Felswände und künstliche Kletterwände werden bestiegen, bis zu einer Höhe, von der noch gefahrloses Abspringen möglich ist.

Beim Bouldern kann man den Weg frei wählen

Eine dieser künstlichen Kletterwände steht in Würzburg in der Boulderhalle, die Andreas Schmitt, im Hauptberuf Architekt, mit drei Freunden 2009 gemeinsam ins Leben gerufen hat. Beim Klettern mit seinem Kletterpartner Thomas Meyer war mit der Zeit der Wunsch gereift, etwas Eigenes aufzubauen. Diesen Traum haben sie gemeinsam mit Augustina Falibene verwirklicht. Betritt man das große Gebäude, stechen direkt viele verschiedene Farben ins Auge. "Diese Farben erklären die jeweilige Schwierigkeit des Problems", erklärt Schmitt. Denn Bouldern, das sei im Grunde nichts anderes, als sogenannte Probleme zu lösen, die durch die Felsen oder Kletterwände gestellt werden. "Der Anfang als Start und das Ende als Top sind dabei vorgegeben. Der Weg dazwischen bleibt jedem selbst überlassen." Wie im Leben auch.

Fotoserie

Begonnen hat die Faszination Bouldern etwa um das Jahr 1890, als kühne Männer die im Wald von Fontainebleau liegende Sandsteinfelsen erkletterten. Eine Erinnerung an diese Zeit ist dabei die Bezeichnung der Schwierigkeiten beim Bouldern, die auch heute noch in Fontainbleau (Fb) angegeben wird. Ein entscheidender Pionier für die Entwicklung des Bouldern war dann in den 1950er und 60er Jahren der Amerikaner John Gill. Er implementierte Elemente in das Klettern, die aus einer ganz anderen Richtung kamen: dem Geräteturnen. Außerdem schaffte er den Grundsatz ab, der über viele Jahre als goldene Regel für das Klettern galt: Die sogenannte Dreipunktregel. Diese besagte, das drei der vier menschlichen Gliedmaßen stets in Kontakt mit dem Fels sein müssen, um eine sichere Position zu garantieren. Gill war die Dynamik in seinen Bewegungen wichtiger. Anstatt immer wieder zu verharren und den sicheren Tritt zu erlangen, nutzte er den Schwung seiner letzten Bewegung, um direkt seinen nächsten Zug am Felsen zu machen. Es entstand eine fließende Gesamtbewegung, der sogenannte Flow.

Bouldern ist seit Tokio olympisch

Einer, der diese fließenden Übergänge hervorragend hinbekommt, ist der Würzburger Tim Würthner. Das 19-jährige Nachwuchstalent klettert in der ersten Boulder-Bundesliga und hat sich bereits deutschlandweit einen Namen gemacht. Möglicherweise kann er es in einigen Jahren den Deutschen Jan Hojer und Alexander Megos nachmachen, die im vergangenen Jahr Teil der Olympiapremiere waren. Das Bouldern feierte in Tokio sein Debüt als Teil der Olympischen Kombination im Sportklettern, und war nach dem Speed- und vor dem Leadklettern die zweite Disziplin. Dort sind zunächst alle Sportler in einem extra Raum, und einzeln erhalten alle Kandidaten drei Minuten Zeit, das Problem zu lösen. "Die Kunst ist es dabei, den Boulder bestmöglich zu lesen, um möglichst wenige Versuche zu brauchen.", so Schmitt. Schafft es der Kandidat, direkt beim ersten Versuch komplett ans Ziel zu gelangen, wird dies als Flash bezeichnet, und gibt extra Punkte. Die besten Boulder-Athleten bei Olympia waren im Übrigen der Amerikaner Nathaniel Coleman und die Slowenin Janja Gambret, die sich in der Gesamtabrechnung die Silber- respektive die Goldmedaille sicherten.

Sportklettern erfreut sich immer größerer Beliebtheit, ist inzwischen Bestandteil der Olympischen Sommerspiele und zieht so noch mehr Aufmerksamkeit auf sich. In Würzburg haben vier Jungs eine Boulderhalle ins Leben gerufen und veranstalten nun nach zwei Jahren Corona-Zwangspause erstmals wieder ihren Würzburger Boulderwettkampf.
Foto: Patty Varasano | Sportklettern erfreut sich immer größerer Beliebtheit, ist inzwischen Bestandteil der Olympischen Sommerspiele und zieht so noch mehr Aufmerksamkeit auf sich.

"In der Würzburger Halle sind aber alle willkommen, nicht nur Spitzenathleten", lacht Andreas Schmitt. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern Augustina Falibene und Thomas Meyer freut er sich über jeden, der im "rock inn" vorbeischaut. "Das ist auch das Tolle dran: Jeder kann sich ausprobieren, es ist für jedes Level was dabei!" Lässt man den Blick durch die Boulderhalle schweifen, kann man diese Aussage für bare Münze nehmen: Neben flinken Kindern bouldern silberbelockte Senioren genauso wie Berufstätige, die sich hier ihren Feierabendausgleich holen. "Das Besondere am Bouldern ist diese Kombination aus körperlichem Anspruch und extremer Konzentration. Man ist ständig mit der Frage konfrontiert, ob man den nächsten Schritt noch schafft. Das baut über die Zeit viel Selbstüberzeugung und Selbstvertrauen auf!" Deshalb ist Bouldern für Schmitt auch der perfekte Lehrmeister für das Leben, wo man ständig damit konfrontiert ist, sich selbst und seine Fähigkeiten einzuschätzen.

Auch Wettkämpfe in der Würzburger Halle

Schmitt selbst ist in etwa 1,85 Meter groß und wiegt 70 Kilogramm, doch eine perfekte Statur gibt es beim Bouldern für ihn nicht. "Diese Mischung aus Balance, Koordination, Kraft, Beweglichkeit und auch viel Technik, die findet sich beim drahtigen Kletterer genauso, wie beim vielleicht etwas übergewichtigen Rentner", beschreibt er das Anforderungsprofil mit einem Schmunzeln. Ganz generell seien prominente Kletterer wie die bekannten "Huber-Buam" der beste Beweis, dass auch nach dem vermeintlich besten Kletteralter zwischen 18 und 30 Jahren noch fantastische Leistungen möglich seien. Doch auch ohne sportliche Ambitionen sei man herzlich eingeladen. "Wir setzen den Fokus nicht unbedingt nur auf den Sport, bei uns steht das Gemeinschaftsgefühl an erster Stelle."

Regelmäßig erhält jedoch auch in der Würzburger Halle eine zusätzliche Prise Ernsthaftigkeit Einzug, wenn der Würzburger Boulderwettkampf ansteht, wie vor wenigen Wochen. Vor rund 200 Zuschauern wird dann zuerst eine Qualifikation abgehalten, bevor die besten fünf im Finale gegeneinander antreten und drei verschiedene Boulder bezwingen müssen. Unverzichtbares Element ist dabei Magnesium, um an den Händen eine möglichst hohe Griffkraft zu erzielen. Schafft es ein Athlet nicht bis ganz ans Ziel, erhält er möglicherweise Punkte, wenn er gewisse Zonen erreicht. Eine zusätzliche Kinder- und Seniorenwertung sorgt dafür, dass jeder eine Wertung erreichen will. Ist der Wettkampf geschafft, geht es zum gemütlichen Teil über, den die Halle durch ein integriertes Bistro ohne Zweifel ermöglicht. "Und die, die immer noch nicht genug haben, können zu Augustina direkt nebenan zum Yoga gehen!", schmunzelt der Architekt. Dann macht er sich auf, um das nächste Problem zu lösen.

 
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