Die Luft im Vereinsheim an der Mainaustraße 32 ist stickig, der Geräuschpegel hoch; es gibt selbstgemachte Roulade und jede Menge Bier. Plätze sind keine mehr frei. Für die Mitglieder des Würzburger FV steht ja auch eine große Entscheidung an, die sie bislang noch nicht getroffen haben und es vermutlich so schnell auch nicht wieder tun werden.
Uwe Lehmann erhebt sich nach der Begrüßung. Der Vorsitzende des WFV-Verwaltungsrates trägt ein blaues Hemd. Vor der außerordentlichen Mitgliederversammlung wollte Lehmann den Ball lieber flach halten – vor allem in der Öffentlichkeit. Zu groß schien ihm die Gefahr, dass das Projekt nach über einjähriger Vorbereitung noch scheitert. Das Projekt einer Fusion, das juristisch eigentlich Verschmelzung heißt und bei stolzen Vereinsmitgliedern regelmäßig für Wallung sorgt.
In diesem Fall soll der benachbarte, viel kleinere SV 09 Würzburg im WFV aufgehen. Lehmann schenkt den ohne ihn 63 anwesenden und stimmberechtigten Mitgliedern reinen Wein ein. Er schildert, was ein Zusammengehen eigentlich für Folgen hat – vielleicht auch deshalb, damit hinterher niemand sagen kann, er hätte es nicht gewusst. „Wir übernehmen alle Rechte und Pflichten, alle Guthaben und Schulden“, sagt Lehmann und nennt ein Beispiel. „Wenn unter dem Sportplatz des SV 09 irgendwann eine Mülldeponie zum Vorschein kommt, müssten wir das tragen.“ Mittlerweile ist es halbwegs ruhig geworden in der proppenvollen Vereinsgaststätte. Lehmann verliest nun den Vorstandsbeschluss, aus dem hervorgehen soll, dass die Fusion praktisch nur Vorteile hat. Und er hat Rückendeckung.
Einstimmiges Votum des SV 09
Am Vorabend gaben sich die Mitglieder des SV 09 auf ihrer Versammlung einstimmig in die Hände des WFV. „Die Infrastruktur beider Vereine ist veraltet und die baulichen Anlagen in starkem Maße renovierungsbedürftig“, sagt Lehmann. Gleichzeitig habe die Stadt Würzburg von Anfang an klar gemacht, dass der Neubau nur eines der beiden Vereinsheime gefördert wird. In die Breite werde man nicht gehen können, weil in dem Hochwasserschutzgebiet keine zusätzlichen Flächen versiegelt werden dürfen, dafür aber in die Höhe, betont Lehmann.
Der womöglich größte Zugewinn für den WFV ist neben den neuen, wenn auch von der Anzahl überschaubaren Mitgliedern des SV 09 ein weiteres Sportgelände. „Es besteht erheblicher Platzbedarf, der WFV muss schon seit längerem fremde Plätze anmieten“, erläutert Lehmann und weist darauf hin, dass vom SV 09 kein Wunsch herangetragen worden ist, was den künftigen Vereinsnamen – er lautet: Würzburger FV – und die Klubfarben angeht. Auf der Sepp-Endres-Sportanlage bleibt also alles blau und weiß. Doch keine Ehe ohne Kompromiss. „Wir haben dem SV 09 zugesichert, dass wir uns mehr dem Breitensport widmen“, so Lehmann.
Was erst mal nach keiner allzu großen Pille klingt, kann künftig durchaus für Zündstoff sorgen. Denn die Ressourcen sind auch nach der Verschmelzung knapp – und jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Der WFV will – auch das kommt während der Versammlung zur Sprache – generell weiter am Ziel des Aufstiegs in die Fußball-Regionalliga festhalten, und er hat auch viele Juniorenteams in den höheren Klassen.
Künftig mehr Breitensport
Auf der anderen Seite gibt es künftig eine Rollsportabteilung und vermehrt Nachwuchsteams, die weniger leistungsorientiert sind. Auch ist ab dieser Saison wieder eine zweite Mannschaft gemeldet – und zwar in der untersten Spielklasse. „Wir haben leider keine Sondergenehmigung erhalten; der Neuaufbau von ganz unten ist eine sehr mühsame Arbeit“, sagt WFV-Sportleiter Jürgen Roos: „Auf dem Papier haben wir 17 Spieler. Das erste halbe Jahr wird holprig, dann sind wir auf einem guten Weg.“
Der Weg für die Verschmelzung des SV 09 mit dem WFV ist nun frei. Am Ende stimmen im Beisein eines Notars auch fast alle Mitglieder der Blauen dafür. Es gibt nur eine Gegenstimme. Sobald das Registergericht den nun noch folgenden formellen Akt über die Bühne gebracht hat, sind der WFV und der SV 09 ein an die 700 Mitglieder starker Zellerauer Verein – und zwar rückwirkend zum 1. Januar 2018.