„Ja ja, der Dirk“, blickt Robert Garrett zurück und grinst: „Der Dirk konnte doch schon damals nicht still sitzen, der musste immer rumturnen und war ein richtiges Trainingstier. Der ist bis heute ein Fanatiker!“ Bei ihm dagegen, betont der Mann, den sie in Würzburg einst alle „Robse“ riefen, sei dies ein wenig anders: „Ich kann still sitzen, und es war meine Entscheidung, auch mal auf andere wichtige Dinge im Leben zu schauen.“ Seine Ausbildung zum Beispiel, ein Studium der Betriebswirtschaftslehre und Informatik. Und wahrscheinlich hat sich wegen der anderen inneren Einstellung auch die gleichzeitig, sogar gleichartig begonnene Basketballer-Karriere der beiden Freunde ab irgendeinem Moment in verschiedene Richtungen entwickelt.
Mitte der neunziger Jahre waren sie 17-jährig, fast gemeinsam, zur B-Jugend des damaligen Zweitligisten DJK s. Oliver gestoßen und unter die Fittiche Holger Geschwindners geraten. Der kümmerte sich gezielt um beide. „Doch mir war es zu viel, auch im Sommer jeden Tag zu ihm nach Rattelsdorf fahren zu müssen, um ein Sondertraining zu erhalten, was der Dirk natürlich gerne tat.“ Aus Nowitzki wurde schon bald der begnadetste deutsche Basketballer von internationalem Ruf, aus Garrett „nur“ einer der besten nationalen – immerhin. „Nein, es ärgert mich nicht wirklich, was daraus geworden ist“, sagt der „Robse“: „Was der Dirk abgezogen hat, ist schon sehr sehr stark. Für mich ist's okay.“
Fürwahr, nachträglich zu hadern wäre auch Blödsinn. Drei deutsche Meistertitel – 2004 mit Frankfurt sowie 2007 und 2010 mit Bamberg – haben schließlich wenige Athleten in ihrer Vita: „Die erste Meisterschaft war vielleicht der Höhepunkt meiner Karriere“, sagt Garrett und nennt die Teilnahme an den Olympischen Spielen 2008 in Peking, der Kollege Nowitzki sieht's ähnlich, als „zweites Highlight“. Mit der strammen Zahl von 118 Länderspielen gehört der bald 34-Jährige zu den gestandenen und routiniertesten und bewährtesten Korbjägern der Nation, weswegen ihm Bundes- und Bayern-Trainer Dirk Bauermann im Herbst einen Job in München anbot. Dorthin kam der Ochsenfurter als Notnagel, dort reifte er erneut zum Leistungsträger, obwohl er allmählich kürzertreten wollte und will: „Klar, mein Pluspunkt ist die Erfahrung. Aber im Nationalteam sollen jetzt auch mal die Jüngeren ran!“
„Maximal zwei Spieljahre, und die nicht nur zum Rumhüpfen, sondern ernsthaft“, mag er sich aktiv noch vorstellen – „wenn ein gutes Angebot kommt, es muss nicht von den Bayern sein, obwohl denen ein gutes Angebot wohl am leichtesten fallen dürfte“: Bis zum Ende dieser Zweitliga-Saison steht Garrett beim Pro-A-Primus unter Vertrag. Ob dann gar eine Rückkehr nach Würzburg in der angepeilten Ersten Liga infrage käme? „Wieso nicht? Interessant wär's sicher!“
Ja ja, Würzburg, die alte Heimat; Mutter Monika wohnt nach wie vor in Ochsenfurt. „Ich bin leider nur selten bei ihr“, sagt Robert Garrett: „Der Betrieb bei den Bayern hält einen schon genug auf Trab.“ Vater Larry ist in die Staaten zurückgekehrt – und Bruder Benjamin bei einem Verkehrsunfall gestorben. „Benny – always remember“ hat sich „Robse“ auf den rechten Oberarm tätowieren lassen, es war ihm eine Weile nicht gut gegangen: „Dieser Vorfall wird mir eine ewige Erinnerung sein, an die ich denke. Das ist so eine Sache, die bei mir all den großen Rest stets relativiert.“
Ansonsten ist die Rückblende an Würzburg freilich eine wunderbare. „Es war eine tolle Zeit bei der DJK“, erinnert sich Robert Garrett voller Freude: „Wir hatten noch so richtig Spaß dran, alles ging spielerischer von der Hand, war mehr Hobby als Beruf.“ Wobei er seinem aktuellen Arbeitgeber pflichtschuldig anfügt: „Bei uns hatten wir alle Kontakt zu den Fans, es gab ja nur Basketball. In München ist alles großläufiger, da ist man anonymer, und es kennt einen keiner. Man merkt die professionelle Dominanz des Vereins FC Bayern hintendran.“
Garrett gehörte zum tollen Trio unter Trainer Gordon Herbert in der Saison 2000/01, als Würzburg mit dem jungen, wilden, magischen Dreieck Garrett / Demond Greene / Marvin Willoughby die Konkurrenz gehörig aufmischte. Erst in dieser Phase ergab es sich, dass die damals noch Carl-Diem–Halle bezeichnete s. Oliver-Arena als Spielstätte ständig bis zum Bersten ausverkauft war – zuvor hatten statt 3000 Zuschauern selbst bei Dirk Nowitzkis Auftritten 1997/98 meist nur um die 2000, 2200 zugesehen: „Wir hatten aber auch intern eine sensationelle Leichtigkeit ohne jeden Trott, die hat sich auf alle übertragen.“
Am Ende, im Mai 2001, waren sie Fünfte in der Bundesliga und erst nach vier grandiosen Play–off-Duellen an Avitos Gießen im Kampf um die deutsche Meisterschaft gescheitert. Das Team hatte derart Furore gemacht, dass Trainer und Traum-Trio ob der hohen, ihnen vorliegenden Angebote nicht weiterhin finanzierbar waren. Mit dem Aufstieg fast an die Spitze begann der spätere Niedergang – aber das ist eine etwas andere, weitere Geschichte des Würzburger Basketballs. Indes blieb Garrett dem Trainer Herbert treu: Den Meistertitel 2004, seinen bereits erwähnten sportlichen Höhepunkt, holte er bei den Frankfurter Skyliners mit ihm.
ONLINE-TIPP
Die neueste Ausgabe von „s. Oliver Baskets TV“, dem Internet-Magazin dieser Zeitung, ist online: Studiogast vor dem bayerischen Basketball-Gipfel der ProA am Sonntag in München ist Würzburgs Center Sascha Kesselring, der den Baskets-Fans im Gespräch mit Moderator Fabian Frühwirth verspricht, „dass wir in München ganz bestimmt alles geben werden“, und zugleich felsenfest davon überzeugt ist, dass die s. Oliver Baskets den Sprung in die Bundesliga packen werden. www.mainpost.de/baskets
Robert Garrett
Wer seinen Namen googelt, stößt noch auf einen zweiten Sportler: Es gab mal den US-Leichtathleten Robert Garrett, der 1896 bei den ersten Olympischen Sommerspielen in Athen die Goldmedaillen im Kugelstoßen und Diskuswerfen gewann. Der Basketballer Robert Garrett indes hat zwar einen amerikanischen Vater, ist aber Ur-Ochsenfurter. Nach dem Jugend-Jahr beim TVO schloss er sich, ebenfalls gefördert von Dirk Nowitzkis Mentor Holger Geschwindner, im Jahre 1996 der DJK s. Oliver Würzburg an. Diese verließ er 2002 zu den Frankfurter Skyliners, mit denen er 2004 deutscher Meister wurde. Es folgten zwei italienische Stationen: erst Basket Napoli, dann Teramo Basket in den Abruzzen. Von 2005 bis 2010 war Garrett daraufhin den Bamberger Brose Baskets treu, mit denen er 2007 und 2010 Champion wurde. Im Oktober 2010 unterzeichnete er kurzfristig beim FC Bayern München, um das ehrgeizige Basketball-Teamprojekt von Präsident Uli Hoeneß in die Erste Bundesliga hieven zu helfen. Und daher trifft Garrett am Sonntag im Pro-A-Gipfeltreffen auf die Nachfahren aus seiner Heimat.
Zu unserer Serie
Der Basketballsport ist in Würzburg wieder aufgeblüht: Lange zwölf Jahre nach Dirk Nowitzkis Abflug in die nordamerikanische Profiliga erlebt die hiesige Korbjäger-Szene eine neue, geradezu ungeahnte Renaissance. Unvergessen bleiben unter den seinerzeit schon mitfiebernden Fans derweil jene Trainer, Spieler und Aktive, die mitgeholfen haben, dass einerseits Nowitzki zum stärksten deutschen Basketballer wurde – und andererseits seine Heimatstadt zu einer namhaften Adresse in der attraktiven Mannschafts-Sportart. Wir rufen in unserer lose erscheinenden Serie die einstigen Idole in Erinnerung und fragen nach, was aus ihnen geworden ist. Nach den Trainern Klaus Perneker und Pit Stahl, die in der Bundesliga 1999 die stolze Bilanz von sieben Siegen in Folge feierten, Center-Urgestein Burkhard Steinbach sowie Ballzauberer Ivo Nakiæ widmen wir die heutige fünfte Folge nun jenem Eigengewächs und Athleten, der es als Nationalspieler annähernd weit wie sein Freund Nowitzki brachte – und der am Sonntag mit dem FC Bayern München auf die Würzburger Baskets treffen wird: Robert Garrett.