Sebastian Hellmann will seinem Expertentrio Lothar Matthäus, Reiner Calmund und Christoph Metzelder einen Gefallen tun. Es ist frühsommerlich warm an diesem Samstag in Unterföhring, vor den Toren Münchens. Ebenso drinnen im Studio A bei Pay-TV-Sender Sky, wo sich von 13 bis nach 21 Uhr alles um die Fußball-Bundesliga dreht. „Heute moderieren wir in Weiß“, kündigt Hellmann an – ohne die üblichen blauen Jacketts. Eine von gefühlt Hunderten Absprachen, die jede Woche getroffen werden (müssen). Im Laufplan, den alle haben, sind sekundengenau sämtliche Moderationen, Experten-Einsätze, Stadion-Schalten, Einblendungen festgelegt – und natürlich auch die Werbepausen.
Das letzte Mittel
Hellmann, nahe der Bielefelder Alm geboren, Arminia-Fan, Wohnsitz einen Steinwurf vom Stadion des 1. FC Köln entfernt, moderiert seit 1999 Bundesliga. Oft musste er den knallroten „Buzzer“-Knopf an seinem Pult, letztes Mittel bei allzu hitzigen Debatten, in dieser Spielzeit nicht betätigen. „Ein oder zweimal“, glaubt der 50-Jährige, der sich die Moderation mit Britta Hofmann teilt. Die 38-Jährige ist seit 2011 bei Sky, seit dieser Saison fest beim „Super Samstag“, der das Geschehen und die Emotionen aus den Stadien aufnimmt, im besten Fall witzig und kompetent zu den Sky-Kunden transportiert, Hintergründe liefert, Stimmungen einfängt.
Sattelfest und pointiert
„Alles muss sitzen, Zahlen und Fakten korrekt sein. Die Leute wollen gut unterhalten werden und erwarten, dass wir sattelfest sind, alles pointiert rüberbringen“, formuliert Hellmann den Anspruch an Moderatoren und Experten, zu denen auch der frühere Bundesliga-Schiedsrichter Markus Merk (für strittige Szenen) und Riccardo Basile (Social-Media-Beauftragter) gehören. Hilfe kommt von einem Heer von Mitarbeitern, die teilweise an Laptops Daten suchen und abgleichen, Notizen machen, Grafiken erstellen.
Als kurz vor der Halbzeitpause in den sechs Nachmittagsspielen erst drei Tore gefallen gefallen sind, ergeht per Zuruf der Auftrag: „Checken: Ist das Minusrekord? Und eine Grafik bitte!“ Wenig später ist die flotte Suche für die Tonne: Es rappelt ab der 43. Minute noch viermal, neue Faktenlage. So geht es andauernd zu, vor Beginn war ein Techniker gefragt. „Alex, Metze hat keinen Ton.“
Weltklasse wie früher
Ist flugs behoben und kein Problem für Ex-Nationalspieler Metzelder, der seinen Part unaufgeregt, mit feiner Ironie, erledigt. „Jeder der Moderatoren hat eine Rolle“, erläutert Hellmann. „Metze ist der Dolmetscher, der alles zusammenfasst, ideal zu erklären versteht“. Lothar Matthäus – Weltmeister, Rekordnationalspieler – hat laut Hellmann „die Expertise“ und vom mittleren Platz aus alles im Blick, bemerkt selbst kleinste Ungereimtheiten. „Lothar ist in seinem jetzigen Metier Weltklasse – exakt wie früher als Spieler“. setzt „Calli“ Calmund noch einen drauf. Ansonsten kabbelt sich der frühere Leverkusener Manager hingebungsvoll mit dem 57-jährigen Franken, Motto: Was sich liebt, das neckt sich.
Calli soll den Fans aus dem Herzen sprechen, eine Rolle wie ein Maßanzug. Bei allem Spaß und aller Lockerheit ist das „Kind der Bundesliga“, wie sich Calmund nennt, akribisch vorbereitet. „Ich schreibe mir alles Wesentliche selbst auf. So merke ich es mir leichter.“ Loyal ist der 69-Jährige obendrein. Als am Samstag versucht wird, ihm vor laufender Kamera eine Bestätigung dafür zu entlocken, dass Torwart Bernd Leno Leverkusen verlässt, lässt Calmund sich auch nicht von seinem listigen Pultnachbarn Matthäus („Du hast es doch vorhin gesagt“) in die Ecke treiben. „Ich bin Experte, nicht Journalist.“
Matthäus als Glücksfall
Auch diese Situation unterstreicht: Lothar Matthäus ist für Sky ein Glücksfall. Er polarisiert wie kaum ein Zweiter – die einen lieben, die anderen hassen ihn. Überdies haut „Loddar“ gern mal einen raus, inklusive unfreiwilliger Komik („wäre, wäre Fahrradkette“). „Zu ihm hat jeder eine Meinung, etwas zu sagen“, weiß Sky-Sportpressesprecher Dirk Böhm.
An über 30 Samstagen pro Saison geht es in Unterföhring hoch her, und das bereits in aller Frühe: Im Aufenthaltsraum mit Sofaecke, großem Tisch, Bildschirmen und Computern trifft sich das Moderatorenduo um neun Uhr zum Frühstück. Bastian und Britta besprechen und verfeinern das anhand einer Ideenkonferenz entwickelte, durch Absprachen mit Vereinen, Managern und Trainern ergänzte Rohkonzept der Sendung.
Ein bisschen Glanz wegnehmen
Gegen 11.30 Uhr treffen die Experten ein, ziehen sich um. „Bei Calli muss ich nur ein wenig Glanz wegnehmen, sonst nichts“, erzählt Visagistin Birgit, die ihn fast immer betreut. Nach Tonprobe und Tests im Studio A startet der „Super Samstag“ um 13 Uhr mit dem „Betway Countdown“. Als Beobachter wird einem schnell klar, warum Präzision oberstes Gebot ist. 135 Minuten geht es jetzt rund, ehe um 15.15 Uhr in die Stadien geschaltet wird. Im Studio oder diversen anderen Räumen schauen die Beteiligten die Spiele, und währenddessen ist auch Gelegenheit für Pasta und Obst, Kaffee und Kaltgetränke.
Viel Schlaf zur Vorbereitung
Britta Hofmann hat es sich auf dem Sofa bequem gemacht. 30 Samstage im Studio, immer über zwölf Stunden – wie hält man das aus? „Wir haben zwei Moderatoren-Teams. Die Hälfte der Spieltage bin ich also draußen, man soll uns auch in den Stadien sehen. Direkte Kontaktpflege hilft dann auch wieder bei Telefonaten.“ Zur optimalen Vorbereitung gehöre viel Schlaf, am Abend vorher nichts Großes unternehmen. „Das Ganze ist eine Frage der Konzentration, über Stunden. Geht die verloren, schleichen sich leicht kleine, ärgerliche Fehler ein. Etwa zu sagen, 'beim Spiel in Stuttgart', obwohl es in Leverkusen ist“. Nach jedem „Super Samstag“ ist die Moderatorin reif für die Couch. „Andere halten das anders, sind unternehmungslustiger.“
Lauter und wuseliger
Jetzt geht es zurück ins Studio A, während der Halbzeitpause und nach dem Schlusspfiff werden die Spiele analysiert. Im Studio nebenan bereitet sich Jessica Kastrop auf die Sendung „Alle Spiele. Alle Tore“ vor. Dort, wo die Spieltags-Konferenz entsteht („Tor in . . .“), geht es noch ein wenig lauter und wuseliger zu, ist es kuschelig eng. „Sogar am Abgrund tanzen die Kölner noch“, ruft der Moderator euphorisch ins Mikro, um einen Augenblick später nach Freiburgs Siegtreffer vor Verzweiflung fast aus den Latschen zu kippen.
Um Ruhm und Ehre
Am Abend nach dem Topspiel hat Christoph Metzelder noch einen guten Moment: Die drei Experten haben alle Topspiele der Saison getippt. Und weil es am 33. und 34. Spieltag keins gibt (alle Partien zeitgleich), wird abgerechnet: Metze siegt mit 23 Punkten vor Calli (21) und Lothar (20), der ihm vor einem Jahr in letzter Sekunde Platz eins entrissen hatte. „Es geht um Ruhm und Ehre“, hatte der Gewinner vorher erzählt, auch wenn Moderator Hellmann spöttelt: „Man muss wissen, dass 120 Punkte möglich waren.“ Dafür scheiterte Bastian bei der Jackett-Frage, trat alleine im weißen Hemd an: Die Experten trugen blau, wollten chic aussehen.
Der Medienkonzern Sky
Der Medienkonzern „Sky Deutschland GmbH“ hat seinen Sitz in Unterföhring bei München. Der Sender wurde 1990 (Premiere AG) gegründet, hat 3 500 Beschäftigte und über zwei Milliarden Euro Jahresumsatz (Stand: 3/18). 5,2 Millionen Abonnenten in Deutschland und Österreich bezahlen für die Angebote des Medienhauses.
In Unterföhring gibt es auf 1600 Quadratmetern vier Studios, verlegt wurden 50 Kilometer Kabel. Die LED-Wand hat 84 Quadratmeter, 76 Live-Signale können gleichzeitig verarbeitet werden. Dort wird sämtliches Material mit Grafiken aufbereitet, geschnitten und auf die Bildschirme gebracht sowie alle Video-Clips und entscheidende Szenen während eines Spiels für skysport.de und die App bereitgestellt. In den Studios diskutieren und analysieren Experten wie Lothar Matthäus, Erik Meijer und Reiner Calmund die Spiele.
Im Studio A werden „Home of Football“, „Bundesliga-Samstag bzw. -Sonntag“, Champions-League und „Wontorra – der Fußball-Talk“ produziert und ausgestrahlt – im Studio B Zweite Liga, DFB-Pokal und der Talk „Sky90“. Im „Konferenzstudio“ sind bis zu neun Kommentatoren gleichzeitig im Einsatz, dort moderiert Jes- sica Kastrop auch „Alle Spiele. Alle Tore“.