Tausende stehen in der Würzburger Innenstadt Spalier. Vom Bahnhof bis zum Grafeneckart wird gejubelt. In der Kaiser-, der Schönborn- oder der Domstraße feiern die Würzburger ihren deutschen Meister, der im Autokorso durch die Stadt gefahren wird. Im Rathaus: Großer Empfang, Auszeichnungen für die Sportler.
Was sich anhört wie ein Würzburger Sport-Märchen, ist wahr. Wenngleich auch lange her. Über ein halbes Jahrhundert. Mit genau diesem Szenarium wurde 1952 die Hockey-Frauen der Würzburger Kickers in der Domstadt begrüßt. Das Team war in Hamburg zum zweiten Mal nach 1941 deutscher Meister geworden (3:2 über den Harvestehuder HTC). Drei weitere Titel sollten folgen und somit die am 5. November 1912 gegründete – und heute längst ausgegliederte – Hockey-Abteilung zur erfolgreichsten Sparte in der 100-jährigen Geschichte der Würzburger Kickers machen.
Eine, die damals dabei war und im offenen Cabrio durch die Stadt gefahren wurde, ist Ruth Lauer. „Das sind Momente, die vergisst du nie. Da fühlt man sich wie im Traum. Es war einfach toll.“ Das größte Erlebnis für Lauer war aber ein Jahr später der Gewinn der dritten deutschen Meisterschaft. 5000 Fans pilgerten damals zum Spiel auf den Sanderrasen. Und trieben die Kickers zu einem 5:0 über den favorisierten Harvestehuder HTC.
„Wir waren schon in der Kabine völlig aufgeregt. Harvestehude war damals das beste Team in Deutschland. Aber an dem Tag klappte bei uns einfach alles“, erinnert sich die heute 80-jährige Ruth Lauer. „Die waren hinterher völlig fertig. Und ihr Trainer, der Weiß, der war ja auch Nationaltrainer, der hat später immer uns als Vorbild genannt.“ Kämpferisch und vor allem kameradschaftlich sei man eine Riesentruppe gewesen. „Sonst kannst du keinen Erfolg haben“, sagt Lauer. Noch heute treffen sich die Meisterinnen von einst, sechs aus dem 52-er Team leben noch. Neben Harvestehude und dem 1. FC Nürnberg galten die Kickers als das beste Team der Republik. „Ich kann mich nicht erinnern, dass wir mal verloren haben. Wir haben eigentlich immer gewonnen“, sagt sie und lacht.
Ihr Talent hat Lauer weitervererbt. Tochter Jutta Lauer-Spitz spielte im Alter von 14 bis 18 Jahren in der Jugend-Nationalmannschaft, holte 1970 mit der B-Jugend der Kickers die deutsche Meisterschaft. Dass ihre zwei Enkel auch den Hockey-Schläger schwingen, versteht sich da beinahe von selbst. „Wir gucken natürlich zu, auch wenn Hockey heute ein anderes Spiel ist. Allein schon der Kunstrasen: Früher, da konnte es sein, dass dir der Ball ein paar Zentimeter vor dem Schläger plötzlich hoch hüpfte, weil im Rasen eine Unebenheit war“, erzählt die 80-Jährige. Technik war gefragt. Mannschaftsspieler standen mindestens genauso hoch im Kurs wie Torjäger. „Ich hab ganz selten Tore gemacht. Eins, ja, das weiß ich noch, also mindestens eins.“ Pause. „Aber gegen wen?“ Nein, auch nach längerem Nachdenken kann sie sich nicht erinnern. Irgendwie scheint es unwichtig. „Der Sturm war unser Aushängeschild“, sagt Ruth Lauer. Martha Döllein, Luise Fleck-Blum und Anni Lautner brachten es 1953 sogar zu insgesamt 17 Einsätzen in der Nationalmannschaft (unter anderem wird in Würzburg Österreich mit 5:0 geschlagen). „Ich war Läuferin, die haben wenig Tore geschossen. Ich hatte andere Aufgaben“, erinnert sich Lauer.
Ihre vielleicht größte stellte sich im Jahr 1955, als sie mit Tochter Jutta schwanger war und bei der Meisterschaft pausieren musste. Doch keine acht Wochen nach der Geburt stand die Würzburgerin wieder auf dem Hockey-Feld. „Ich war sehr ehrgeizig. Wenn man in so einer guten Mannschaft spielen kann, dann will man natürlich schnell wieder dabei sein.“ Noch einmal wurde die junge Mutter 1956 deutsche Meisterin (2:1 im Wiederholungsspiel über den 1.FC Nürnberg). „Danach hat uns der damalige Bürgermeister Stadelmeier einen eigenen Platz versprochen.“
1964 erfolgte die Abspaltung der Hockey-Abteilung vom Hauptverein – wohlgemerkt im Guten –, sogar der Name Kickers durfte beibehalten werden. Die neue Heimat der Hockeyspieler (und der Tennisabteilung) des HC Würzburger Kickers wurde das Gelände am Wasserturm auf der Sieboldshöhe. 1992 kam die Fusion mit der TG Würzburg zum heute bekannten HTC Würzburg. Auch der hat durchaus Erfolge vorzuweisen. Aber die große Zeit des Hockeysports und die damit einhergehenden Erfolge sind in Würzburg untrennbar mit den Frauen der Würzburger Kickers verbunden. Das wird auch noch lange so bleiben – vielleicht für immer.
Online-Tipp
Die Serie im Internet Am Samstag, 17. November, feiert der FC Würzburger Kickers mit einem Festakt seinen 100. Geburtstag. Wir nehmen das Jubiläum zum Anlass, mit einer kleinen Serie auf die wechselvolle Geschichte des Traditionsvereins zurück zu blicken. Alle bislang erschienen Teile der Serie finden Sie auch im Internet unter: www.mainpost.de/sport/wuerzburg/wuerzburgerkickers/