zurück
HANDBALL
Wiedersehen für Anni Placht
Würzburger Handball-Ikone: Anni Placht erinnert sich anläßlich der Heim-WM an ihre aktiven Zeiten.
Foto: J, Rieger | Würzburger Handball-Ikone: Anni Placht erinnert sich anläßlich der Heim-WM an ihre aktiven Zeiten.
Jörg Rieger
 |  aktualisiert: 19.12.2017 02:58 Uhr

Zur Eröffnung der Frauen-Weltmeisterschaft gab es in Leipzig ein freudiges Wiedersehen fünf früherer Spitzenhandballerinnen. Das Quintett vereint eine lange Karriere in der deutschen Handball-Nationalmannschaft. Mit dabei: Anni Placht aus Gerbrunn (Lkr. Würzburg). 126-mal lief sie für die Bundesrepublik Deutschland auf und war damit lange Rekord-Auswahlspielerin.

Akribisch Buch geführt

„Es war eine sehr bewegte Zeit“, erinnert sich die heute 67-Jährige, während sie in ihrem sportlichen Fotoalbum blättert. Akribisch, so wie es ihrem Naturell entspricht, hat sie Buch geführt über ihre Stationen im Handball. Alles nahm seinen Anfang als Leichtathletin bei der TG Kitzingen. „Dort haben wir die idealen Grundlagen mitbekommen“, sagt Placht. Ihre ein Jahr jüngere Schwester Steffi nahm einen ganz ähnlichen Weg. Sie selbst hat es leistungsmäßig am weitesten gebracht. 1967 wurde sie bayerische Vizemeisterin über 400 Meter im Augsburger Rosenaustadion, um von dort aus direkt zu ihrem ersten Handball-Auswahllehrgang in der Sportschule Grünwald zu stoßen. Ihr Förderer und Coach: Gerd Tschochohei, früherer Bundestrainer und langjähriger Präsident des Bayerischen Handball-Verbandes.

Neun Jahre Bundesliga am Stück

Placht wechselte genau wie ihre Schwester alsbald von Kitzingen zur DJK Würzburg, mit der beide 1976 in die damals noch zweigleisige erste Bundesliga aufstiegen und dort neun Jahre am Stück blieben. Parallel ging es für Anni Placht auch in der Nationalmannschaft steil nach oben. Schon 1973 war sie bei der WM im damaligen Jugoslawien mit dabei. Sportlich am erfolgreichsten war das Weltturnier 1978 in der Tschechoslowakei. „Damals haben die Ostblock-Staaten noch alles dominiert. Deren Spielerinnen wurden von klein auf gut ausgebildet und gefördert. Ich habe dagegen selbst in der besten Zeit nur dreimal in der Woche trainiert“, gesteht Placht.

Trotzdem bezwangen die Westdeutschen kurz vor WM-Beginn erstmals die schier übermächtige UdSSR in einem Testspiel mit 11:8. Bei der WM hätten sie es dann beinahe in die Finalrunde geschafft und sich damit für die Olympischen Spiele in Moskau qualifiziert. „Im entscheidenden Gruppenspiel unterlagen wir trotz einer 8:2-Führung noch mit 15:16 gegen Polen. Das ist sehr unglücklich gelaufen“, sagt Placht. So stand am Ende der undankbare achte Platz.

Abschiedsspiel in Würzburg

1982 beendete die langjährige Spielführerin ihre Karriere in der Nationalsieben. Aus diesem Anlass gab es in Würzburg ein Abschiedsspiel der Deutschen gegen die Niederlande jener Kontrahent also, gegen den die heutige Auswahlmannschaft am Freitagabend um den Gruppensieg bei der laufenden WM gespielt hat. Das Ergebnis damals: 18:12 für Deutschland.

Turnierfavorit Norwegen

Was traut Placht der deutschen Mannschaft noch zu bei ihrem Heimturnier? „Die Spitze ist über all die Jahre sehr breit geworden. Deshalb wäre es schon ein großer Erfolg, wenn wir es bis ins Halbfinale schaffen würden.“ Ihr Turnierfavorit sei ganz klar Norwegen. „Sie spielen technisch sehr anspruchsvoll und schnell.“ Überhaupt fasziniere sie die Ästhetik beim Frauenhandball, sagt Placht. „Doch wir waren schon immer das fünfte Rad am Wagen des Deutschen Handball-Bundes.“ Für ihre Wahl zur Spielerin des Jahres 1980 habe sie immerhin 1000 Mark bekommen, erinnert sich Placht: „Ansonsten gab es wenig bis nichts. Daher war und ist es wichtig, dass man neben dem Sport auch einen Beruf erlernt.

“ Bei ihr selbst war es der Job als Lehrerin für Geografie und Sport. Mehr als 30 Jahre unterrichtete sie am Deutschhaus-Gymnasium in Würzburg. Placht: „Diese Kombination war ideal, zumal die Schulleiter stets Rücksicht auf meine Handball-Karriere genommen haben.“

Aufstieg als Trainerin

1984 war dann als 34-Jährige auch Schluss im Verein. Kurz darauf übernahm sie das Traineramt und schaffte mit der DJK Würzburg 1987 den Aufstieg in die erste Bundesliga, die nun eingleisig war. „Danach bin ich zur Überraschung vieler sofort zurückgetreten. Ich war dieser Aufgabe vom Kopf her einfach nicht gewachsen“, sagt Placht heute. Sie kehrte dem Vereinssport fortan den Rücken, ihre Schwester Steffi dagegen ist bis heute Trainerin – derzeit bei den Landesliga-Frauen der HSG Mainfranken.

Und das Wiedersehen mit ihren früheren Nationalteam-Kolleginnen in Leipzig? „War sehr schön“, sagt Placht. „Wir haben uns gemeinsam das Eröffnungsspiel Deutschland gegen Kamerun angeschaut und natürlich auch in den Erinnerungen geschwelgt.“

Zur Person

Anni Placht (67) wird als eines von sechs Kindern einer sportverrückten Familie 1950 in Wiesentheid geboren. Später folgte der Umzug nach Kitzingen, wo die über 90-jährige Mutter noch heute lebt. Anni Placht hat es frühzeitig zum Studieren und Handballspielen nach Würzburg gezogen. Bis auf ein kurzes Gastspiel beim 1. FC Nürnberg hat Placht ihre komplette Karriere bei der DJK Würzburg verbracht. Für die deutsche Nationalmannschaft lief sie zwischen 1974 und 1982 126-mal auf. Sie spielte am Kreis, im Rückraum und auf Außen, war also eine echte Allrounderin.
 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Gerbrunn
Jörg Rieger
1. FC Nürnberg
Bundesligen
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top