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Swimrun
Wie aus der Bierlaune vier junger Schweden eines der härtesten Ausdauerrennen wurde: Zwei Ochsenfurter sind dabei
Sascha Bergerhausen und Christine Karl aus Ochsenfurt nehmen an Swimrun-Wettbewerben teil. Nachhaltigkeit spielt dabei eine wichtige Rolle und steht sogar in den Regeln.
Sascha Bergerhausen (rechts) zieht Christine Karl bei der Swimrun-Weltmeisterschaft 2023 aus dem Wasser. Die beiden Ochsenfurter haben an einem der härtesten Ausdauerrennen teilgenommen.
Foto: Pierre Mangez, Ötillö AB | Sascha Bergerhausen (rechts) zieht Christine Karl bei der Swimrun-Weltmeisterschaft 2023 aus dem Wasser. Die beiden Ochsenfurter haben an einem der härtesten Ausdauerrennen teilgenommen.
Jürgen Sterzbach
 |  aktualisiert: 03.03.2024 02:36 Uhr

Abwechselnd laufen und schwimmen. Hört sich einfach an, ist aber nicht bloß ein Triathlon ohne Radeln. Auch anders als bei einem Aquathlon, der die Disziplinen auf nur zwei oder drei Abschnitte aufteilt, wechseln sich Laufen und Schwimmen beim Swimrun ständig ab. 

Ö till ö ist Schwedisch und heißt übersetzt: Insel zu Insel. Das beschreibt schon genauer, was Sascha Bergerhausen und Christine Karl aus Ochsenfurt daran fasziniert: über Inseln zu laufen und zur nächsten Insel zu schwimmen. Geländelauf und Freiwasserschwimmen.

Aus Ötillö ist eine Marke geworden. Das gleichnamige Unternehmen organisiert und vermarktet seine Rennserie, deren Höhepunkt Anfang September die Swimrun-Weltmeisterschaft von Sandhamn nach Utö ist, das sind zwei Inseln im Stockholmer Schärengarten. Dieser Wettkampf war nicht nur der erste, sondern ist mit rund 75 Kilometern auch der längste sowie mit 24 Lauf- und 23 Schwimm-Abschnitten auch der härteste dieser Sportart.

Denn die Natur fordert die Teilnehmerinnen und Teilnehmer heraus. Das Wasser in der Ostsee kann schon im Spätsommer ziemlich kalt sein. Auch Wind und Wellen, unberechenbares Wetter und unbefestigte Wege machen ihnen dort zu schaffen.

Sascha Bergerhausen und Christine Karl bereiten sich nach ihrer Premiere 2023 wieder darauf vor. Der 51-Jährige und die 56-Jährige haben sich erneut qualifiziert.

Wer Abfall in die Gegend wirft, wird bestraft

Gestartet wird in Zweierteams: zwei Männer, zwei Frauen oder Mann und Frau. Wechselzonen gibt es nicht, das Outfit bleibt an: in Laufschuhen schwimmen, im Neoprenanzug laufen. Die Teammitglieder können mit einer Leine verbunden sein, dürfen sich aber nicht mehr als zehn Meter voneinander entfernen. Dabei geht es vor allem im Wasser um Sicherheit. Erreichen sie einen Streckenpunkt nicht zur vorgegebenen Zeit, werden sie aus dem Rennen genommen.

Die Ötillö-Swimrun-Weltmeisterschaft 2023 kurz nach dem Start in Sandhamn
Foto: Jean Marie Gueye, Ötillö AB | Die Ötillö-Swimrun-Weltmeisterschaft 2023 kurz nach dem Start in Sandhamn

Die ursprünglichen Swimrun-Regeln sind bewusst knapp gehalten: Was die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Start bei sich haben, müssen sie auch ins Ziel bringen. Ausrüstung – erlaubt sind beispielsweise Schwimmhilfen –, oder Abfall in der Landschaft zurückzulassen, ist verboten. Wer sich nicht daran hält, riskiert Sanktionen, die von einer Zeitstrafe bis zur Disqualifikation reichen. Swimrun will naturverbunden und ressourcenschonend sein.

Erfunden haben Swimrun vier junge Schweden. Die Geschichte geht in etwa so: An einem langen Abend in der Bar auf Utö wetteten Anders Malm, Janne Lindberg sowie die Brüder Jesper und Mats Andersson, wie schnell sie wohl ohne Boot zurück nach Sandhamn auf der Insel Sandön kämen. Das Team, das dort als Letztes ankomme, müsse Hotel, Abendessen und Getränke zahlen.

Von Utö nach Sandham geht es nur från ö till ö: von Insel zu Insel – abwechselnd laufen und schwimmen. Das in einer Bierlaune ausgedachte Wettrennen dauerte mehr als 24 Stunden. Die heutige Ötillö-Strecke startet in Sandhamn und endet in Utö, wodurch sich die Distanz praktischer in Lauf- und Schwimm-Abschnitte unterteilen lässt.

Die Qualifikation gelingt im ersten Anlauf

Bei Sascha Bergerhausen, damals noch in Eschweiler bei Aachen zu Hause, startet die Geschichte "in einer Rotweinlaune". 2013 nahm er im Urlaub in Holstein an einem Siebeneinhalb-Kilometer-Lauf teil. Davon motiviert, sich weiter sportlich betätigen zu wollen, stieß der Physiotherapeut im Internet auf ein Swimrun-Video. Der Gedanke, an diesem außergewöhnlichen Wettbewerb auch selbst einmal teilzunehmen, ließ ihn seitdem nicht mehr los.

Swimrun will naturverbunden und ressourcenschonend sein: die Ötillö-Weltmeisterschaft 2023 von Sandhamn nach Utö.
Foto: Pierre Mangez, Ötillö AB | Swimrun will naturverbunden und ressourcenschonend sein: die Ötillö-Weltmeisterschaft 2023 von Sandhamn nach Utö.

"Mir war sofort klar, dass ich das machen möchte. Aber für das Zweierteam brauchst du den passenden Partner oder die passende Partnerin", erklärt Bergerhausen. Mit der Ochsenfurter Langstreckenläuferin Christine Karl fand er diese 2016 und begeisterte sie für seine Idee. Für beide stand seitdem fest: "Das machen wir."

Erst 2019 ging es für sie aber tatsächlich los: mit einem Schwimmkurs. "Ich konnte noch nicht mal richtig kraulen", gesteht Bergerhausen, dass ihm anfangs sogar noch eine wichtige Technik für den Swimrun-Sport fehlte. Beide begannen, auf ihr Ziel hin zu trainieren, schwammen im Main und im Becken und nahmen an Läufen unterschiedlicher Distanzen teil, um beim Ötillö-Saisonhöhepunkt im Stockholmer Schärengarten dabei sein zu können. 

Wer das möchte, muss sich qualifizieren. Für Bergerhausen und Karl als "Team Ox" startete ihr Qualifikationsjahr 2022 mit einem Rennen auf Üto, dass sie nicht beendeten, da sie im nur acht Grad kalten Wasser vorzeitig aufgeben mussten. Bei den folgenden fünf Rennen sammelten sie jedoch die nötige Anzahl an Punkten, um an der Weltmeisterschaft 2023 teilzunehmen. Trotz Corona-Erkrankungen und Verletzungen, die sie zurückwarfen, gelang es ihnen schließlich, am 4. September um 6 Uhr bei Tagesanbruch in Sandhamn an der Startlinie zu stehen.

Ankunft im Ziel auf Utö bei Sonnenuntergang

Trotz enormer Anstrengung ist Konzentration gefragt: nicht ausrutschen, stolpern oder stürzen – und ausscheiden. Das Gelände wechselt von schmalen Pfaden und sattem Grün zu schroffen Felsen, die Querfeldeinstrecke ist technisch anspruchsvoll, das Schwimmen im Meer sowieso.

Christine Karl und Sascha Bergerhausen kommen überglücklich bei der Ötillö-Swimrun-Weltmeisterschaft im Ziel in Utö an.
Foto: Jean-Marie Gueye, Ötillö AB | Christine Karl und Sascha Bergerhausen kommen überglücklich bei der Ötillö-Swimrun-Weltmeisterschaft im Ziel in Utö an.

Nach 13:36 Stunden kommen Bergerhausen und Karl im Ziel auf Utö an, als 129. der Gesamtwertung und 32. unter den Mixed-Teams. Als sie einlaufen, legen die Veranstalter den Song "Mir san a bayrische Band" der Spider Murphy Gang auf. Ihr Zustand: "Fix und fertig, aber sehr, sehr glücklich und stolz, mit einer tiefen inneren Zufriedenheit." Die Sieger waren sechs Stunden früher da, was die Leistung des 51-Jährigen und der 56-Jährigen in keiner Weise schmälert.

Für beide gibt es eine Teilnehmer-Medaille aus Holz. Der eigentliche Gewinn dieser "ursprünglichen und ehrlichen Geschichte" sei aber gewesen, "Freiheit, Ruhe und Frieden" gespürt und sich "physisch ganz außerhalb der Komfortzone" bewegt zu haben, findet Sascha Bergerhausen.

Rund 3000 Menschen waren bei den bislang 17 Ötillö-Weltmeisterschaften seit 2006 dabei. Zwei Ochsenfurter gehören seit September vergangenen Jahres dazu – und wollen ihr beeindruckendes Erlebnis dieses Jahr wiederholen. Die Vorbereitung läuft.

 
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